Nach den relativ „freien“ 1960er Jahren erlebte die Tschechoslowakei nach der sowjetischen Okkupation eine harte Normalisierung. Im zweiten Teil seiner Miniserie zeigt Marian Jaslovský, dass die populäre Musik, speziell Rock, Punk und New Wave in der Slowakei die kommunistische Kulturpolitik überlebt haben. Einzelne Künstler und Bands waren so etwas wie Blumen hinter dem Eisernen Vorhang.
Im ersten Teil dieser Miniserie haben wir gezeigt, dass die slowakische Musikszene ihre eigenen Besonderheiten hatte, was unter anderem auf eine weniger aggressive Kulturpolitik der kommunistischen Führung zurückzuführen war, beispielsweise im Vergleich mit dem tschechischen Teil des gemeinsamen Staates. Heute wollen wir uns jedoch mit dem Rock beschäftigen, denn gerade dieser stand im Fadenkreuz aller Kulturkontrolleure. Diese Musik wollte nämlich immer eine konkrete Botschaft verbreiten, auch mit Worten. Und da der Rock in der Slowakei oft mit dem Pop verschmolzen ist, werden wir uns auch damit befassen.Wie bereits erwähnt, entstanden während der Phase der politischen Entspannung in den 1960er Jahren eine Vielzahl an Bands, die dem Genre Rock zugeordnet werden können, in der Tschechoslowakei Bigbeat genannt. Doch in der Zeit der sogenannten Normalisierung setzten Kontrollen ein, die jegliche Kreativität im Keim erstickten. Wenn wir uns mit Rock- oder Popmusik in der Slowakei beschäftigen, müssen wir also ziemlich lange suchen und stoßen dabei auch auf die Stars des damaligen Mainstreams. Wen finden wir hier also? Das bereits erwähnte legendäre Collegium Musicum, Pavol Hammel, die Jazz-Rock-Band Fermáta, die große Hallen füllte, aber für die Nachfrage nach einer „normalen“ Rock- oder Pop-Rock-Band mussten dann die ungarischen Importe herhalten (wenn wir die aus Jugoslawien oder der freien Welt importierten Platten nicht mitzählen oder die für ziemlich utopische Preise auf dem Schwarzmarkt gehandelten Platten). In Ungarn florierte der Hardrock, die Szene funktionierte perfekt und ungarische Bands wie Omega, Locomotiv GT oder Scorpiò waren nicht nur in der Südslowakei sehr beliebt, ähnlich wie die gemäßigte tschechische Hardrock-Band Katapult. Die Nachfrage nach guter Musik wurde aber oft nicht auf Konzerten gestillt, sondern es wurden überall Vinyl-Platten herumgereicht oder Magnetbänder und später Kassetten immer und immer wieder kopiert.
Große Ära
Im Jahr 1977 kam es zu einer bedeutenden Veränderung. Die Band Modus gewann das Festival Bratislavská lýra mit ihrem Titel Úsmev (Lächeln). Damit begann die so genannte „große Ära der slowakischen Popmusik“. Man kann darüber diskutieren, inwiefern Modus und später deren Mitglied Meky Žbirka dem Rock oder eben dem Pop zuzurechnen waren, das sind nur Worte, gewöhnliche Worte, wie Žbirka im Musical Neberte nám princeznú (Let the Princess Stay with Us Musik von Dežo Ursiny) sang. Später trennten sich sowohl Žbirka als auch die Sängerin und Komponistin Marika Gombitová von Modus, und so sorgte die Band mit ihrer Auflösung für Aufsehen in der ganzen Szene.Und eine wichtige Band der 70er Jahre darf natürlich nicht vergessen werden: YPS. Der „Import“ aus der Stadt Martin brachte in die Hauptstadt Bratislava (und in andere Städte) die unbändige Freude an Rock-Riffs, großartige Stimmen, Humor und eine beispiellose Show. Schade eigentlich, dass diese großartigen Musiker so wenige Spuren in unserem Gedächtnis hinterlassen haben.
Diversität und Hexenjagd
Im letzten Jahrzehnt vor der Samtenen Revolution gab es in der tschechoslowakischen Musik eine große Vielfalt und eine große Anzahl von Bands. Diese Zeit zeigt noch einmal eindrücklich, wie unterschiedlich die Kommunisten den Kulturbereich in Tschechien und der Slowakei verwalteten. Natürlich herrschte in beiden Teilrepubliken Totalitarismus, und alles, also auch die Kultur, war unter absoluter Kontrolle: Nur Bands mit einem vom Ausschuss genehmigten Programm inklusive der Abläufe (Liedtexte und Ansagen) durften auf die Bühnen, aber in der Slowakei gab es in jenen Jahren keine solchen exzessiven Verfolgungen wie die tschechische Hexenjagd auf die so genannte Neue Welle (Nová vlna).In Tschechien kam es zu massenhaften Verboten von Bands, die sich am New Wave orientierten, also dem aktuellen Post-Punk-Genre, das auf Ausdruckskraft, Kostüme, Theatralik und auch (im Rahmen der Möglichkeiten) offene Meinungsäußerungen setzte. Diese Äußerungen der entsprechenden tschechischen Bands gingen eher in Richtung Dadaismus und irgendwelche systemkritischen Tendenzen waren nicht einmal im Ansatz zu erkennen (und wenn, dann eher hintergründig). Neue Welle mit altem Inhalt (Nová vlna so starým obsahom) lautete die Überschrift eines Artikels, der im März 1983 in der Zeitschrift Tribuna erschien. Er wurde unter dem Pseudonym Jan Krýzl veröffentlicht und bezeichnete Rockmusiker als Instrumente ideologischer Ablenkung und rief Kulturschaffende dazu auf, keine Konzerte für diese Gruppen zu veranstalten oder ihnen Möglichkeiten für die sogenannten prehrávky (Vorspiele) zu geben, die regelmäßig absolviert werden mussten, um die Auftrittsgenehmigung zu bekommen. Betroffen waren die Bands Pražský výběr, Jasná páka und viele andere, auch Žlutý pes (Gelber Hund) erwischte es (vermutlich nur wegen des Namens), obwohl sie überhaupt keinen New Wave, sondern Südstaatenrock spielten.
In der Slowakei entstanden Anfang der 80er Jahre Tublatanka, Andrej Šebans Demikát (die Antwort auf Van Halen) und Ventil RG, aus denen später Vidiek hervorging.
Punk und New Wave
Kaum eine Richtung im Rock ist so aussagekräftig und geradlinig wie der Punk, eine von jeglichem Schnickschnack befreite Aussage, Autor, Musik und Text bilden eine in sich verschmolzene Einheit. Punk mag in Großbritannien eine linke Bewegung gewesen sein, aber unsere Kommunisten schenkten dieser Tatsache keine Beachtung und verfolgten die Punks ordnungsgemäß wie alle anderen auch. Der Gitarrist Sveťo Korbel, ein Veteran des slowakischen Punks, ist seit den frühen 80er Jahren aktiv. Er erzählt, dass er manchmal zweimal pro Woche verhört wurde, und sei es nur wegen seines Haarschnitts. „Es endete immer mit Schlägen, mindestens jedoch mit Ohrfeigen, aber es gab auch schlimmere Misshandlungen. Die da oben wussten, was sie machen konnten, damit das keine Spuren hinterließ, aber manchmal war es ihnen auch egal“, sagt er. Das sind wahrscheinlich die schlimmsten Begegnungen zwischen dem Regime und der Musik gewesen, die sich in der Slowakei vor dem Fall des Eisernen Vorhangs ereignet haben.Sveťo Korbel erinnert sich auch daran, dass ein Polizist in Zivil ihn im Freibad Zlaté piesky aufgriff, ihn in eine Hütte zerrte, in der sich einige Urlauber aufhielten, und ihm eine Pistole an den Kopf hielt, bis ihn ein Kollege beruhigen konnte. Punkbands gab es mehrere und im Grunde genommen haben sie alle Kultstatus. Das Banner „Punk is not dead“ ist noch immer ein Markenzeichen der Band Slobodná Európa auch wenn sie eher pulsierenden Rock’n‘Roll als pogenden Punk spielen. Erwähnt werden müssen Davová psychóza, Ex Tip, Konflikt oder Zóna A – und sei es nur als Warnung, dass es beim Punk nicht darum geht, mit Extremisten zu liebäugeln, wie es der Sänger Koňýk der Band Zóna A tut, der sich unter anderem auch mit dem Neofaschisten Kotleba fotografieren ließ.
Eltern und Kinder des New Wave
Im Jahr 1980 wurde in Zvolen die Gruppe Chór vážskych muzikantov – CHVM (Chor ernsthafter Musikanten) gegründet. Ein paar Oberschüler, die sehr hingebungsvolle Fans von Punk und New Wave waren, meinten, dass sie diese Musik auch selbst spielen konnten, ohne die Instrumente übermäßig zu beherrschen. So inspirierte CHVM die Gründung einer weiteren Band, die sich Bez ladu a skladu – BLAS nannte. Die Musiker waren 15 Jahre alt und Sänger Michal Kaščák sogar erst 12. In dem etwas freundlicheren Kulturklima der 80er Jahre traten sie auch auf den „offiziellen“ Bühnen auf, zum Beispiel mit Jiří Stivín, und das war eine echte Sensation. Und natürlich gäbe es ohne BLAS sicher auch das Festival Pohoda nicht.Nach dem Vorbild von CHVM sind in Zvolen und anderswo in der Slowakei eine Reihe von Bands entstanden, und in diese Reihe gehört sicherlich (unter anderem) auch Chiki liki tu-a. Ja, wir hatten also richtig authentischen Underground, wenn auch nicht komplett im Untergrund – zwar war es nicht so, dass die Kulturwächter nicht nach ideologischen Problemen gesucht hätten, aber diese Strömung war eben derart crazy-dadaistisch, dass es für die Zensoren da nicht viel zu zensieren gab. New Wave brachte auch RG/Vidiek mit sich und hatte auch Einfluss auf die junge Popmusik, wie beispielsweise die Gruppe Banket mit Richard Müller oder Beata Dubasová oder die ersten Songs von Petr Nagy. Die Antwort auf die tschechischen Pražský výběr waren die Karpatské chrbáty des Performers Braňo Jobus, die immer noch auftreten.
Interessanterweise spiegelte sich das Ende der kommunistischen Herrschaft in gewisser Weise auch in der Musik wider: Im Juni 1989 trat Joan Baez beim Lyra-Festival in Bratislava auf und brachte Václav Havel als Techniker mit, und als sie den Folkmusiker Ivan Hoffmann als unangekündigten Gast auf die Bühne rief, wurde ihnen der Ton abgestellt. Die Perestroika war bereits in vollem Gange, aber wir haben damals davon noch nichts spüren können. Was aber Kulturminister Miroslav Válek angeht, so begriff er bereits während der „Lichterdemonstration“ im März 1988, bei der Wasserwerfer auf friedlich demonstrierende Gläubige und Sympathisanten gerichtet wurden, dass dies nicht der richtige Weg sein kann (obwohl er das harte Vorgehen nach außen hin verteidigte), und trat unmittelbar danach von seinem Amt zurück. Erst im November 1989 kamen die Dinge wieder ins Rollen, aber das ist schon eine andere Geschichte.
Die Veröffentlichung dieses Artikels ist Teil von PERSPECTIVES – dem neuen Label für unabhängigen, konstruktiven, multiperspektivischen Journalismus. JÁDU setzt dieses von der EU co-finanzierte Projekt mit sechs weiteren Redaktionen aus Mittelosteuropa unter Federführung des Goethe-Instituts um.
Oktober 2024