„Corona werden wir zwar vielleicht besiegen, aber die Oberflächlichkeit wohl kaum“
Vor Corona waren meine Tage sehr geordnet. Die Organisiertheit ist jedoch jetzt aus meinem Leben verschwunden. Ich muss viele Sachen erledigen, damit wir nicht verhungern und mein Kind nicht dumm bleibt. Nebenbei versuche ich, irgendwo Zeit für meine Arbeit abzuknapsen, die momentan zu kurz kommt.Meine Kunst ist minimalistischer geworden. Zu Hause kann ich mir nicht erlauben, Leinwand und Farben auszubreiten, deshalb widme ich mich mehr dem Zeichnen, was ich am liebsten mag. Ich habe das Gefühl, dass wir Künstler nicht nur so untätig dasitzen und ins Leere starren können. Da Galerien und Theater geschlossen sind und wir nicht die Möglichkeit haben, unsere Arbeiten an Orten zu präsentieren, wo Kunst gezeigt wird, stillen wir den Bedarf, unser Schaffen mit Menschen zu teilen, verstärkt online.
Auf Facebook haben wir die Gruppe CoronArt als kreativen Raum gegründet, wo Leute das mit anderen teilen können, was bei ihnen während der Coronakrise entstanden ist. Ursprünglich hatte ich gedacht, dass dieser Gruppe nur einige wenige Künstler aus meiner Bubble beitreten würden. Bis jetzt aber ist Gruppe auf mehr als 8400 Mitglieder gewachsen. Ich hoffe sehr, dass wir es irgendwann auch schaffen, dass CoronArt in Galerien gezeigt wird. Also, wenn Corona das zulässt. Währenddessen denke ich bei all dem auch darüber nach, wie das Leben hinterher aussehen wird.
Es wäre schön, sich vorzustellen, dass die Menschen mehr Demut und Respekt gegenüber der Natur, der Gesundheit und dem Leben lernen. Ich denke aber, dass sie sehr schnell vergessen und zu ihrem alten Lebensstil zurückkehren werden. Ich war so perplex, über das Ergebnis einer Umfrage, bei der die Slowaken gefragt wurden, was ihnen während der Quarantäne am meisten fehlt. Das waren nicht die Großeltern und auch keine künstlerischen Veranstaltungen, letzten Endes auch nicht einmal das Reisen. Platz eins war: Shoppen.
Corona werden wir zwar vielleicht besiegen, aber die Oberflächlichkeit wohl kaum.
Für mich persönlich wäre es auch eine positive Veränderung, wenn die Politiker in der Slowakei die Notwendigkeit von Wissenschaft und Forschung begreifen würden und anfangen, das angemessen zu unterstützen. Mit der Kunst ist es ähnlich. In der Slowakei wird Kultur seit langem unterbewertet. Die Politiker haben dafür gesorgt, dass sie sich so weit von den normalen Menschen entfernt hat, dass sie sie überhaupt nicht mehr verstehen. Und, was noch schlimmer ist, auch nicht mehr wollen.
Viele Leute verachten Künstler, und künstlerisches Schaffen ist für sie keine Arbeit. Dabei weiß kaum jemand, dass viele auch noch andere Jobs haben müssen, um frei arbeiten zu können und ihre künstlerischen Tätigkeiten zu finanzieren. Um meine Arbeiten ausstellen zu können, verdiene ich zum Beispiel Geld mit kommerziellen Projekten. Ich hoffe, dass sich diese Bedingungen irgendwann ändern und wir das Wort Künstler dann nicht mehr als Schimpfwort wahrnehmen.
Auch wenn viele von uns gerade existenzielle Probleme haben, können diese Zeiten für Künstler auch positiv sein, für die Fertigstellung ihrer Projekte oder zum Schaffen neuer Arbeiten. Ich weiß, dass die Krise alle betrifft, nicht nur Künstler. Da stecken wir alle gemeinsam drin.
April 2020