In der Slowakei gibt es rund 170 Burgen und Burgruinen. Unter dem kommunistischen Regime schenkten die Behörden nur wenigen von ihnen Aufmerksamkeit. Der Rest war dazu verdammt, sich in der Landschaft aufzulösen. Als der Regimewechsel den Weg für zivilgesellschaftlichen Aktivismus frei machte, begannen sich Freiwillige um die Ruinen zu kümmern. Das einst effektive System der staatlichen Unterstützung funktioniert allerdings nun nicht mehr und niemand weiß, was im kommenden Jahr passieren wird.
Es ist der 9. November, aber über dem Mäander des Flusses Váh (Waag) ist es immer noch warm. Freiwillige konnten einen weiteren Arbeitssamstag angehen und die Arbeit an den Mauern der Alten Burg fortsetzen. Zu dieser Zeit ist es im Norden der Slowakei sonst meist deutlich kälter. Aber dieses Jahr ist es jetzt immer noch möglich, nach traditionellen Arbeitsweisen zu mauern. Zum Glück. Denn die Mittel für die Restaurierung nationaler Kulturdenkmäler aus dem Programm des slowakischen Kulturministeriums mit dem Titel Wir renovieren unser Haus (Obnovme si svoj dom) kamen im Jahr 2024 mit Verspätung. Normalerweise hat das Ministerium im Frühjahr Verträge mit erfolgreichen Bewerbern unterzeichnet, damit diese in den wärmeren Monaten des Jahres arbeiten können. Diesmal geschah es erst im Oktober. Die Arbeiten an den Burgen wurden eingestellt, einige Enthusiast*innen nahmen Kredite auf, um nicht die ganze Saison zu verlieren, andere erledigten zumindest das Nötigste im kleinen Rahmen und in Eigenregie. Gemauert werden kann allerdings nur vor dem Frost, und diejenigen, die Fördergelder erhalten haben, müssen diese bis zum Jahresende ausgeben. Rudo Mlích, Vorsitzender des Vereins zur Erhaltung der Alten Burg – Castrum Warna, hatte Fördermittel beantragt. An der Ruine müssen dringend die gefährlichen Mauern konserviert werden, aus denen schon Steine herausfallen.Kampf gegen Windmühlen
Rudo Mlích hat Geschichte studiert. Er war einige Male als Aushilfe auf den Burgen Lietava und Hričov im Arbeitseinsatz, wo bereits Aufbauprojekte liefen. Allerdings fotografierte er die Burgen vor allem, denn Fotografie gehört zu seinen Hobbys. Genauer gesagt: sie gehörte dazu. „Jetzt habe ich sehr wenig Zeit dafür, da ich die Burg repariere“, erklärt er. Er fotografierte auch die Alte Burg. Obwohl diese die älteste in der Umgebung von Žilina ist, hatte niemand versucht, sie instand zu setzen. Die Behörden hatten sie regelrecht vergessen. Erst 2017 wurde sie zum nationalen Kulturdenkmal erklärt. Rudo brachte eine Gruppe von Enthusiast*innen zusammen und vor sechs Jahren begannen sie mit der Arbeit.Von der Alten Burg aus hat man einen schönen Blick auf den Mäander des Flusses Váh und vom Parkplatz aus ist es ein angenehmer kurzer Spaziergang zur Burg hinauf. Wenn man auf den Fluss hinunterblickt, kann man noch erkennen, wo sich früher die Furt befand. Heute führt eine stark befahrene Straße am anderen Ufer entlang, früher konnte man die nördlichen Regionen jedoch nur über den Weg unterhalb der Alten Burg erreichen. Für das Passieren wurde eine Maut erhoben. Rudo Mlích erklärt, dass der Burgberg möglicherweise schon seit prähistorischen Zeiten bewohnt war. Die bisher ältesten Funde sind keltischen Ursprungs, sie stammen aus der Laténezeit, etwa 200 Jahre vor Christus. „Die Alte Burg verlor ihre Bedeutung als Mautstation, als die Technologie voranschritt und die Straße auf die andere Seite des Flusses verlegt wurde“, sagt er.
In der Slowakei gibt es rund 170 Burgen und Burgruinen. Unter dem früheren kommunistischen Regime schenkten die Behörden nur wenigen von ihnen Aufmerksamkeit. Der Rest war dazu verdammt, sich in der Landschaft aufzulösen. Als der Regimewechsel den Weg für zivilgesellschaftlichen Aktivismus frei machte, begannen sich Freiwillige um die Ruinen zu kümmern. Sie begannen mit der Reinigung und der Reparatur der Burgen. Da es sich um nationale Kulturdenkmäler handelt, müssen alle Eingriffe mit der Denkmalbehörde abgestimmt werden. Alle Reparaturen sollten daher den Genius Loci mittelalterlicher Gebäude respektieren und nach ursprünglichen Methoden durchgeführt werden.
Auf der Alten Burg geht es derzeit darum, die kritischsten Teile der bröckelnden Mauern zu reparieren. „Es ist, als würde man gegen Windmühlen kämpfen“, sagt Rudo Mlích. „Ständig fällt ein Stein.“
Eine hervorragende Gruppe
Früher war die Burg ein riesiges Gebäude, 150 Meter lang, an der breitesten Stelle 35 Meter breit, laut Archivdokumenten hatte sie 45 Räume. Heute liegen zwei Drittel der beeindruckenden Burg in Ruinen. Rudo Mlích zeigt mir die Überreste der Burgküche in einer der Bastionen. An den alten Mauern ist noch Ruß zu sehen. Der kaum wahrnehmbare Vorsprung über unseren Köpfen war einst Teil des Aborterkers, der Burgtoilette, die aus einer runden Öffnung über dem Burgwall bestand.Die Freiwilligen möchten die Mauern konservieren und, wenn möglich, eine kleine Ausstellung unter dem Dach der Burg einrichten. Einen überdachten Bereich gibt es schon. Vielleicht wäre es möglich, die Burg mit Strom zu versorgen, unterhalb der Burg wird schon eine Berghütte gebaut. Es macht nichts, dass die Arbeit langsam vorangeht. „So bleibt der Genius Loci erhalten. In Ungarn wird heutzutage für Denkmäler Beton verwendet. Dadurch verlieren sie ihren Wert. Ich hoffe, dass wir in der Slowakei nie diesen Kurs einschlagen werden“, sagt Rudo. Mich wundert, dass Rudo Höhenangst hat, er hat einen gewissen Respekt davor, am Rande der Klippe zu stehen – am Vormittag soll er auf dem Gerüst gestanden haben. Er lacht, irgendwie habe er sich daran gewöhnt. Doch für schwierige Arbeiten in der Höhe heuern sie erfahrene Leute an. Dank der Ressourcen des Programms Wir renovieren unser Haus können sie es sich leisten. Sie starteten mit 11.000 Euro pro Jahr, 2023 erhielten sie 51.000 Euro. Rudo ist überzeugt, dass man mit 100.000 Euro pro Jahr die Wände und die Ausstellung binnen zehn Jahren fertigstellen könnte. Arbeitslose, die im Rahmen des Projekts des Sozialministeriums saisonal an der Restaurierung von Kulturdenkmälern arbeiten könnten, sind hier nicht einsetzbar, denn es gibt keine*n Koordinator*in, der jeden Tag mit ihnen auf der Burg sein könnte.
Deshalb arbeitet der Verein vor allem mit Ehrenamtlichen. Etwa fünf Personen treffen sich jeden Samstag auf der Burg. „Wer kein Interesse am Aufbau seines Landes hat, wird nicht als Freiwilliger tätig sein. Wir wollen, dass es hier gut aussieht, dass man hier gut leben kann. Wir reparieren staatliche Denkmäler unentgeltlich. Doch nun kommen wieder schlechte Zeiten, da die staatliche Unterstützung sinkt“, sagt Rudo. „Wir machen das nicht für uns selbst.“ Die alte Burg hat eine Gruppe hervorragender Menschen zusammengebracht. „Im Sommer möchte ich nicht einmal nach Hause gehen... Ich glaube auch, dass jede schlechte Zeit eines Tages wieder enden wird. Vielleicht schaffen wir es und ich kann dieses gute Team zusammenhalten. Wenn nicht, werde ich auch allein herkommen.“
Hunderte Arbeitslose
Schlimmere Zeiten hätten die Burgbegeisterten noch nicht erlebt. Der Vorsitzende des Vereins Zachráňme hrady (Lasst uns Burgen retten) Ratibor Mazúr erinnert zunächst an bessere Zeiten: Im Jahr 2011 startete das Pilotprojekt Wir renovieren unser Haus des Kulturministeriums mit dem Teilprogramm zur Einbindung von Arbeitslosen in die Restaurierung des Kulturerbes auf zwei Burgen, Uhrovec und Šariš. Im folgenden Jahr kamen zehn Standorte hinzu, im darauffolgenden Jahr waren es Dutzende. Bis 2021 konnten Bürgervereine, die Burgen restaurieren, jedes Jahr ein Projekt planen, Gelder für Materialien, notwendige Forschung und Expert*innen beantragen und saisonal beim Arbeitsamt registrierte Arbeitslose beschäftigen – in manchen Jahren waren es mehr als achthundert. Die Arbeiten an den Burgen gingen zügig voran.Ratibor Mazúr restauriert seit dreizehn Jahren die Burg Revište. Dort sah er die positiven Auswirkungen dieser Projekte. „In jeder Saison waren wir vorbereitet, wir wussten, wie wir im Voraus planen konnten, was wir tun würden. Auch auf Arbeitssuchende wirkte sich dies positiv aus. Bei uns waren viele aus Roma-Gemeinschaften. Sie arbeiteten auf der Burg und einige von ihnen bekamen anschließend feste Anstellungen in Betrieben der Umgebung. Sogar im Ausland wurden wir um dieses Projekt beneidet.“
Die Regierung unter Peter Pellegrini [slowakischer Präsident seit Sommer 2024, von März 2018 bis März 2020 Premierminister, Anm.d.Red.] setzte das Projekt jedoch nicht fort. Im Jahr 2022 konnte noch ein Teil der für Roma-Gemeinschaften geplanten Gelder für ein neues Projekt namens Menschen und Burgen bereitgestellt werden. In den Jahren 2022 und 2023 erhielten dadurch 465 Menschen Arbeit im Rahmen der Restaurierung von 25 Kulturdenkmälern. Ratibor Mazúr erklärt, dass die Bedingung darin bestand, mindestens 60 Prozent dieser Stellen mit Menschen aus Roma-Gemeinschaften zu besetzen. „Dies galt nur für Ortschaften im Flurgebiet jener Gemeinden, die zum sogenannten Atlas der Roma-Gemeinden gehören. Bei Revište konnten wir uns engagieren, denn Revištské Podzámčie gehört zur Stadt Žarnovica, in der eine Roma-Gemeinschaft lebt. Von 18 Mitarbeitern waren 13 Roma. Die Ironie bestand darin, dass beispielsweise die Gemeinde mit der Burg Jasenov bei Humenné nicht teilnehmen konnte. Das Dorf Jasenov liegt nicht im Atlas. Früher arbeiteten dort jedoch Roma aus Humenné.“ Das Projekt soll zwar nächstes Jahr fortgesetzt werden, doch die Auflage, Menschen aus Roma-Gemeinschaften zu beschäftigen, ist darin nicht mehr enthalten.
Eine verlorene Saison
Die Arbeitssaison 2024 haben laut Ratibor viele Vereine verloren. „Die Kommissionen trafen sich spät, das Kulturministerium wertete die Projekte erst im September aus. Einige Antragsteller haben sich Geld geliehen. Dies ist ein absoluter Extremfall – wenn man ein staatliches Denkmal instand setzt und sich dafür Geld von der Bank leiht“, meint Ratibor. „Das Geld für die Projekte kam im Oktober. Viele Vereine nahmen es nicht an, denn es galt die Bedingung, die Gelder bis zum Jahresende zu investieren. Burgen sind überwiegend ummauert. Die Arbeit daran muss bis Ende September erfolgen, vor dem Frost, damit der traditionelle Kalkmörtel noch vier Wochen bei schönem Wetter ausreifen kann.“Die Burg Revište können die Besucher mit einem kurzen Spaziergang durch den Wald erreichen. Von der Burg aus hat man einen schönen Blick auf den Fluss Hron und die umliegende Landschaft. Die Burg selbst ist beeindruckend. Hier kann man die jahrelange Arbeit sehen, der Verein zur Erhaltung der Burg ist seit 2012 tätig. „Ich habe die Burg vor 14 Jahren besucht. Sie war damals ein überwachsener Torso. Ich fing an, nach Möglichkeiten finanzieller Unterstützung zu suchen. Ich wusste, dass es notwendig war, einen Verein zu gründen und Genehmigungen vom Staatsforst als Grundstückseigentümer, von der Stadt, vom Denkmalamt einzuholen ... Das war nicht so schwierig. Also habe ich gemeinsam mit Freunden angefangen“, erzählt Ratibor. Zuvor hatte er ein historisches Haus in Modra und ein Bürgerhaus in Banská Štiavnica instandgesetzt. „Mir hat es Spaß gemacht, ein möglichst getreues Abbild des ursprünglichen Zustandes dieser Häuser zu bewahren.“
Ziel der Freiwilligen ist es, die Ruine zu stabilisieren, eine Ausstellung in überdachten Räumen sowie Rundgänge mit sicheren Treppen und Geländern zu gestalten. Besucher sind schon heute auf der Burg willkommen, der Eintrittspreis von zwei Euro kann in bar oder per SMS bezahlt werden und Ratibor hofft, dass in zwei Jahren die Burg Revište ganz zu besichtigen sein wird.
Langsam dem Ziel entgegen
In der Burg Revište fanden sie bei Grabungen Scherben, kleine Münzen, Waffenteile, Pfeilspitzen, Kugeln aus Schusswaffen, Knöpfe, Gürtelschnallen und Sporen. Aber auch Musikinstrumente – zum Beispiel zwei Trommelstöcke. „Nichts besonders Seltenes, aber es rundet das Bild vom Leben auf der Burg ab“, meint Ratibor. Am meisten faszinieren ihn Keramikfliesen von Öfen. „Viele verschiedene Arten“, berichtet er. „Die Innenräume wurden in der Vergangenheit offensichtlich ständig modernisiert. Sie hatten wunderschöne Öfen mit verschiedenen Bilderszenen. Wir haben schon Hinweise, um welche Szenen es sich handeln könnte, werden aber noch weiter recherchieren und planen eine Sonderpublikation darüber.“Die Instandsetzung der Burg dauert Jahre oder sogar Jahrzehnte, man muss jede freie Minute sowie viel Arbeit und körperliche Anstrengung dafür einsetzen. Allerdings genießt Ratibor diesen langsamen, beschwerlichen Weg zum Ziel, er arbeitet nicht auf den Moment hin, in dem es eines Tages „geschafft sein wird“ und er sich nicht mehr Revište widmen muss. Seiner Meinung nach ist eine schrittweise, langsame Restaurierung durch Menschen, die Spaß daran haben und somit eine Beziehung zur Geschichte und den Denkmälern aufbauen, besser als die massive Unterstützung und Beauftragung großer Unternehmen ohne das erforderliche Wissen. „Wir freuen uns, wenn den Besuchern die Burg gefällt. Wenn sie darüber reden, wie es hier vor zehn und fünf Jahren war und wie viel schöner es jetzt ist. Wir freuen uns, wenn sie fragen, was wir bei der archäologischen Untersuchung gefunden haben und wie eine solche Untersuchung eigentlich abläuft. Unser Weg besteht darin, das Denkmal langsam und behutsam zu reparieren. Es macht nichts, dass es viele Jahre dauert.“
Mit minimalem Budget
Die Burg Čabraď ist angeblich die einzige in der Slowakei, von der aus keine Zivilisation zu sehen ist. Von einem Einzelgehöft aus, wohin noch eine schmale Asphaltstraße führt, muss man etwa vierzig Minuten durch den Wald laufen und am Ende den Hügel erklimmen. Als Albert Loydl vor 27 Jahren zum ersten Mal hierherkam, sah es hier so aus, als könnte er Dornröschen auf der Burg finden. „Wir kamen vom Eingangstor nur drei Meter hinein. Dahinter lag ein grüner Dschungel. Ich verbrachte eine Woche damit, mir mit einer Machete den Weg in die Oberburg zu hacken. Es hat drei Jahre gedauert, bis ich das um die komplette Burg gemacht hatte“, erinnert er sich.Čabraď war weitaus verfallener als andere Burgruinen. Die Burg war Eigentum des nahe gelegenen Dorfes Čabradský Vrbovok, doch das ist ein kleines Dorf und die Reparatur der Burg lag jenseits seiner Kapazitäten. Albert Loydl gründete mit Freund*innen den Verein Rondel. Seit Jahren reparieren sie langsam und schrittweise, unter Einsatz einiger enthusiastischer Menschen und mit einem minimalen Budget, die Burgmauern. Sie organisieren jeweils einen größeren Frühlings- und Herbsteinsatz, und drei oder vier von ihnen treffen sich dort mindestens für ein Wochenende im Monat. Von Anfang an war es notwendig, viel mit den ursprünglichen Arbeitsweisen zu experimentieren. Albert sagt, dass er viele davon zuerst in seinem eigenen Haus ausprobiert hat. Sie verwenden ausschließlich reinen Branntkalk und löschen ihn direkt vor Ort. Es gelang ihnen, einige Gebäude zu überdachen. Da die Burg jedoch mitten in einem Naturschutzgebiet der fünften und somit höchsten Schutzstufe liegt, sind größere Eingriffe gar nicht erlaubt und sogar für die Informationstafel brauchte man eine Sondergenehmigung.
Unsichere Zukunftsaussichten
Der Verein Rondel geht keine großen Projekte an. Es gibt niemanden, der die Bauaufsicht auf der Burg übernehmen kann, daher ist die Einstellung von Bewerber*innen über das Arbeitsamt für den Verein keine Lösung. „Außerdem wäre es für uns schwierig, es umzusetzen. Auch die Freiwilligen müssen über ein eigenes Transportmittel verfügen. Am Wochenende fahren nur zwei Busse nach Čabradský Vrbovok. Von dort aus sind es noch achteinhalb Kilometer. Der nächste Ort mit guter Busverbindung ist 25 Kilometer entfernt“, erklärt Albert. Motivierte Freiwillige können ein paar Nächte unter spartanischen Bedingungen auf der Burg verbringen, meint er. Diese seien allerdings im Kontrast zur Vergangenheit im wahrsten Sinne des Wortes königlich: ein Holzboden in einem überdachten Gebäude, Wasser aus einem Brunnen etwa siebenhundert Meter von der Burg entfernt, ein Gaskocher und ein Lagerfeuer im Innenhof.In den ersten Jahren bezahlten die Freiwilligen alles aus eigener Tasche. Nun arbeitet der Verein überwiegend mit kleinen Zuschüssen und mit den zwei Prozent, die bisher jede*r Steuerzahler*in von seiner Einkommenssteuer an eine ausgewählte gemeinnützige Organisation überweisen konnte. Rondel sammelte auf diese Weise 2.000 bis 2.500 Euro pro Jahr und die Mitglieder konnten mit diesem Budget auskommen. Allerdings ändert die Regierung jetzt dieses Prinzip, zwei Prozent der Steuern für beliebige gemeinnützige Zwecke abzuführen: Ab 2025 können Bürger*innen wählen, ob sie gemeinnützige Organisationen unterstützen oder Geld für ihre Eltern überweisen möchten. Die Ehrenamtlichen wissen, dass sie einige ihrer Unterstützer*innen verlieren werden. Große Zuschüsse, darunter das Programm Wir renovieren unser Haus, erfordern eine Kofinanzierung in Höhe von fünf Prozent. Das können die Rondel-Mitglieder nicht aufbringen. Da sie nur wenige sind und keine schweren Maschinen einsetzen können, schätzt Albert, dass die Konservierungsarbeiten an der Ruine Jahrzehnte dauern könnten.
Albert erzählt, dass sie fünf große Steinkugeln im Burggraben gefunden haben und weitere in den Mauern eingemauert sind. „Das sind Kugeln für große Wurfschleudern, sogenannte Trebuchets, die vom 12. bis ins 15. Jahrhundert bei der Eroberung mittelalterlicher Burgen eingesetzt wurden – dann wurden sie durch Kanonen verdrängt. Und die Kugeln blieben als Dekoration, als Hohn: Schaut mal, andere haben versucht, uns zu erobern und haben uns nicht besiegt“, denkt Albert. „Die Burg hat mehreren Belagerungen standgehalten.“
Notizen aus dem Gästebuch
In Archivdokumenten fanden Burgbegeisterte Informationen über eine Burg Litava und eine verlassene Burg Litava. Litava ist der ursprüngliche Name von Čabraď. Aber eine verlassene Burg Litava? Einmal unternahmen sie in Zusammenarbeit mit dem Denkmalamt Banská Bystrica eine Expedition und fanden tatsächlich Burg Nummer 2, besser gesagt Burg Nummer 1, denn diese existierte schon früher, ein paar Kilometer flussabwärts am Fluss Litava. Aufgrund von Eigentumsstreitigkeiten und der Lage an einem strategisch ungünstigen Ort, der eine Modernisierung der Befestigungsanlagen nicht zuließ, hatten die Besitzer diese Burg in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts aufgegeben. Bei der Expedition wurden nur noch oberflächliche Spuren gefunden. Die Erde hatte die Mauern bereits begraben. „Wir wollten den Ort geheim halten. Doch in Budapest wurde etwas darüber veröffentlicht und innerhalb von zwei Jahren war dieser Ort von Leuten mit Metalldetektoren ausgeplündert. „Das ist das Schicksal der unbewachten Denkmäler in unserem Land“, sagt Albert.Im Jahr 1812 war Čabraď niedergebrannt. Das Anwesen in der Vorburg funktionierte jedoch weiterhin, es gab einen Gutshof und eine Verwalterwohnung. Der Tradition nach trugen sich Besucher*innen noch immer in das Gästebuch der Burg ein. „Wir haben das von Mitte des 18. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts geführte Buch“, sagt Albert. Er und seine Mitstreiter*innen planen, es zu veröffentlichen. „Es ist eine sehr interessante Lektüre. Sprachen seit der Erfindung der Welt. Hebräisch, Polnisch, Latein, Russisch, Slowakisch, Ungarisch, Italienisch, Tschechisch ... In der Burg gab es die Tradition, dass ein Gast so viele Schläge auf den Hintern bekam, wie viele Nächte er dort verbrachte. Viele humorvolle Reime beziehen sich darauf.“
Die Suche im Archiv nach der Geschichte der Burg ist ein anspruchsvollerer Teil der Arbeit. Man muss aber auch wissen, wie man einen Stein setzt. Bevor Albert Freiwillige ans Mauerwerk lässt, lässt er sie einen Stein setzen. Dafür braucht man Gefühl. Manche kriegen es nicht hin, dass die Steine in einer Reihe stehen und die Mauer nicht einstürzt. Andere schaffen es, als hätten sie es im Blut. Albert hat es nicht eilig. Für ihn ist der Weg das Ziel – die manuelle Arbeit an den Ruinen erfüllt ihn mit Zufriedenheit. „Ich bin mir der Verantwortung bewusst. Ich arbeite an mir. Dank der Restaurierung habe ich viel über die Arbeitsweisen gelernt. Und ich muss noch viel lernen. Derzeit arbeite ich mit Holz. Ich schaue unserem Zimmermann auf die Finger. Wir planen, die Eingangsbrücke am dritten Tor fertigzustellen. Ich freue mich darauf.“
Dezember 2024