Drei Schlaglichter auf die Entwicklung in der Slowakei im Jahr 2024 zeigen unauffällige Zerstörung vor dem Hintergrund der offensichtlichen Verwüstung, den Sinn des Widerstands und die ermüdenden ideologischen Kämpfe ohne klaren Sinn.
Da der Kulturförderfonds in der Slowakei lahmgelegt ist, besteht die Gefahr, dass Anschaffungen und andere Projekte für Bibliotheken sich verzögern oder gar nicht durchgeführt werden. Das Gerangel um den neuen Mehrwertsteuersatz auf Bücher hat offenbart, wie passiv sich der slowakische Staat bei der Förderung der Buchkultur verhält. Und es gab Bemühungen der Regierung, eine Trennlinie zwischen „guten“ und „wertlosen“ Büchern zu ziehen. Drei Schlaglichter aus dem vergangenen Jahr geben Anlass sowohl zur Frustration als auch zur Besorgnis. Gleich einem Triptychon weisen sie sehr anschaulich auf wichtige Zusammenhänge hin, denn die Buchkultur (und ihr Niedergang) zeigt wie fortschrittlich oder wie bedroht das kulturelle Leben einer Gesellschaft ist. Glücklicherweise lassen sich aber auch gegenwärtig kleine Spuren der Hoffnung finden, denn es lohnt sich, Widerstand zu leisten und die Stimme zu erheben.Eine Bibliothek ist kein Mausoleum
Erstes Bild: Bibliotheken in kleinen Dörfern haben eine besondere Atmosphäre. Manchmal ähneln sie Mini-Museen der Vergangenheit und zu anderen Gelegenheiten sind sie ein gemütlicher Treffpunkt für das Gemeinschaftslebens. In einer kleinen Dorfbibliothek kann man eine Mütze stricken oder einfach mit anderen Müttern Kaffee trinken.Die Welt zwischen den Regalen hat etwas Magisches – die Bücher ringsum sind mehr als nur Dekoration. Vielleicht leiht nicht jede*r ständig Bücher in der Bibliothek aus, aber auch die Versuchung, dies zu tun, ist von Wert. Die Gelder für die Anschaffung neuer Bücher, die der slowakische Kunstförderfonds seit langem als einer der Hauptgeldgeber bereitstellt, sind in Gemeinden, die kaum die finanziellen Mittel für die nächtliche Straßenbeleuchtung aufbringen können, unersetzlich. Denn dank dieser Gelder kann das Angebot in den Bibliotheken so aktuell gehalten werden, dass sie nicht zu Antiquariaten oder noch Schlimmerem verkommen. Antiquariate erfreuen sich zwar bei vielen großer Beliebtheit, aber eine Bibliothek mit den verstaubten Schriften Lenins und ein paar Taschenbüchern aus dem letzten Jahrtausend erweist weder der Literatur noch der Bildung der Nutzer einen Dienst.
Neue Bücher bedeuten Leben. Die Lähmung des zuvor so vitalen Kunstförderfonds (FPU) ist unter anderem ein schweres Vergehen gegen die Lesekultur in kleinen Gemeindebibliotheken. Ohne neue Bücher veraltet deren Angebot und sie sind für die Leser*innen nicht mehr interessant. Sie verkommen zu Museen vergangener Jahrzehnte und nach einiger Zeit ähneln sie Bushaltestellen: rostig, muffig und mit zerfledderten und zudem ungültigen Fahrplänen beklebt. Von den Intrigen gegen den FPU auf den höchsten Ebenen der Macht ist es nur ein erstaunlich kurzer Weg bis zur Realität der Bibliothekskultur. Ein großes institutionelles Problem wirkt sich unerwartet schnell nach „unten“ hin auf die Alltagsrealität der Menschen aus.
Der Kampf um die Mehrwertsteuer
Zweites Bild: Das politische Gerangel um den unerwarteten Vorschlag, die Mehrwertsteuer auf Bücher radikal zu erhöhen, war dann schnell wieder beendet. Die Angelegenheit hatte ein Happy End und so wird die Mehrwertsteuer auf Bücher letzten Endes sogar sinken. Was jedoch bleibt ist dieser schale Nachgeschmack der Verlogenheit, da Politiker*innen sehr bemüht argumentiert hatten, dass Bücher nur etwas für Reiche seien.Alle darauffolgenden Erklärungen klangen nicht wirklich überzeugend. Peinlich berührte Minister fühlten sich plötzlich durch den Vorwurf der kulturellen Barbarei beleidigt. Die finanzielle Förderung von Kultur kann wehtun. Diejenigen, die die Parameter festlegen (zum Beispiel auch die Mehrwertsteuer), müssen verstehen, dass das Umkehren von Wertigkeiten ein Problem bedeutet. Grundnahrungsmittel zu subventionieren während Bücher dem Untergang geweiht werden, mag zwar erst einmal logisch klingen und für die Menschen auch eine Zeit lang attraktiv erscheinen, aber irgendwann wird der Verfall der Kultur dann aber so gravierend sein, dass er nicht mehr zu verbergen ist.
Die Wirtschaft rund um das Verlagswesen ist kompliziert. Hier findet man kommerzielles Business, Idealismus und Abenteuerlust. Zurückhaltung in Bezug auf die Gewinne, die der Staat aus dem Verkauf eines einzigen Buches erhält, ist wichtig, sie vermittelt zumindest eine symbolische Botschaft. Denn sie zeigt, dass der Staat auch bescheiden sein kann, wenn es darum geht, die Früchte intellektueller Anstrengungen zu ernten. Bleiben wir optimistisch. Der Kampf um die Mehrwertsteuer hat uns vor Augen geführt, was Entschlossenheit bewirken kann, denn Kultur, und zwar die Buchkultur und jede andere, kommt ohne Entschlossenheit nicht aus.
Die Bedeutung der Selbstverteidigung
Drittes Bild: Ein Parlamentsabgeordneter regt sich über ein Buch auf, das mit Unterstützung des Kunstförderfonds herausgegeben wurde. Das Buch enthält Vulgarismen. Interessant ist, dass die Förderung für dieses Buch ausgerechnet durch einen Verlag beantragt wurde, der mit diesem Abgeordneten in Verbindung steht.Hinter der Empörung des Abgeordneten steckt eine klare Absicht: Es gibt gute und schlechte Literatur, es gibt unsere slowakische Literatur und ausländische Literatur. Und ich/wir entscheiden, welche davon Anerkennung (und Geld) verdient und welche wir – zumindest im übertragenen Sinn – ins Feuer werfen. Ohne Rücksicht auf Genres und sprachliche Mittel, literarische Formen und unkonventionelle künstlerische Herangehensweisen. Diese Vorstellungen sind zyklisch. Nichts ist leichter als ein problematisches Buch herauszupicken, irgendein Grund findet sich immer.
Die unauffällige Zerstörung vor dem Hintergrund der offensichtlichen Verwüstung, der Sinn des Widerstands und die ermüdenden ideologischen Kämpfe ohne einen klaren Sinn. Das sind die Motive der drei Bilder zur slowakischen Buchkultur in der Phase der politisch begünstigten Verrohung.
Die Selbsterhaltungskraft der Kultur (auch der Buchkultur) ist eindrucksvoll. Sie beweist Lebendigkeit und Mut. Und in diesen Zeiten auch Erfahrung, denn diejenigen, die die freie Welt der Fantasie und der Geschichten verteidigen, haben schon ähnliche Kämpfe ausgefochten und sind darin sowohl geübt als auch erfahren.
Mit den Büchern ist es eine interessante Sache: Viele tun so, als bräuchten sie sie nicht, aber letzten Endes ist alles, was mit ihnen zusammenhängt, ein Indikator für das Funktionieren der freien Kreativität und des kulturellen Lebens.
Die Veröffentlichung dieses Artikels ist Teil von PERSPECTIVES – dem neuen Label für unabhängigen, konstruktiven, multiperspektivischen Journalismus. JÁDU setzt dieses von der EU co-finanzierte Projekt mit sechs weiteren Redaktionen aus Mittelosteuropa unter Federführung des Goethe-Instituts um.
Dezember 2024