Seit September 2024 sind in der Slowakei mehr als 4.000 Kulturschaffende in Streikbereitschaft getreten. Zur Unterstützung ihrer Forderungen organisierte die Kulturgemeinschaft einen Staffelprotest, die Slowakische Kulturfackel (Slovenská kultúrna pochodeň). In der Zeit vom 17. November bis 12. Dezember 2024 wanderte die symbolische Fackel jeden Tag in eine andere Stadt, sie startete in Humenné, im Osten des Landes, und wurde bis in den Westen, nach Bratislava, getragen. Reporterin Gréta Čandová hat für JÁDU in fünf Städten der Ostslowakei mit Menschen gesprochen, die den Protest entweder als Publikum von Kulturveranstaltungen oder als Kulturschaffende unterstützt haben. Sie hat die Teilnehmenden gefragt, was sie dazu motiviert hat.
„Was geht zu Ende? Nichts geht zu Ende, keine Sorge. Warum habt ihr jungen Leute denn ständig Angst? Ich habe schon ganz andere Zeiten durchgemacht, immer ist irgendetwas passiert und immer wird auch etwas passieren! Selbst wenn der gesunde Menschenverstand fehlt, kann es nicht so weit kommen, dass die Kultur den Bach runter geht“, sagt die Dame mit der Baskenmütze, sie stellt sich vor der Landesgalerie in Prešov zu der versammelten Gruppe, der Protest Slowakische Kulturfackel (Slovenská kultúrna pochodeň) findet hier statt. Zunächst schlägt sie einen deutlich konfrontativen Ton an, doch letztendlich gibt es mit den Musikern Martin Husovský und Katarína Koščová, die gekommen sind, um den Protest zu unterstützen, einige übereinstimmende Meinungen.Warum die Bedenken berechtigt sind und die aktuelle Situation beispiellos ist, haben die Bürgerplattform Otvorená kultúra! (Offene Kultur!) und der Ausschuss Kultúrný štrajk (Kulturstreik) gemeinsam zusammengefasst in einem 80-seitigen Bericht über die Versäumnisse des Kulturressorts unter der Leitung von Kulturministerin Martina Šimkovičová und dem Staatssekretär im Innenministerium der Slowakischen Republik Lukáš Machala seit deren Übernahme des Ressorts im Herbst 2023.
Die Liste ist lang, Auswirkungen hatten die Versäumnisse sofort. Von der völligen Lähmung der Subventionsstrukturen, die für die künstlerische Tätigkeit und die Denkmalpflege von entscheidender Bedeutung sind über die Ignoranz der Gutachten von Expert*innen bis hin zur Übernahme der Kontrolle über das öffentlich-rechtliche Fernsehen und den Rundfunk sowie zu massiven Personalkürzungen. Sie setzten nicht nur Fachleute aus dem Ministerium ab, sondern auch Personen aus den Leitungen der ihnen unterstellten Institutionen in den Bezirken, von der Slowakischen Nationalgalerie bis zum Zipser Museum (Spišské múzeum) in Levoča, und dies ging oft mit Drohungen und Einschüchterungen einher. Desinformationen und Verschwörungenerzählungen, aber auch verbale Angriffe auf LGBTI+-Personen sowie deren Diffamierung, die Ablehnung der Unterstützung von Kulturprojekten ihrer Organisationen oder die Schaffung eines Narrativs über eine bestimmte Form der nationalen Kultur wurden zur täglichen Realität.
Die Plattform Otvorená kultúra! (Offene Kultur!) organisierte gemeinsam mit dem Netzwerk slowakischer Kulturzentren Anténa den Protest Slovenská kultúrna pochodeň (Slowakische Kulturfackel) zur Unterstützung der Forderungen der Kulturgemeinschaft. In der Zeit vom 17. November bis zum 12. Dezember 2024 zog der Protest jeden Tag von Stadt zu Stadt. Die symbolische Fackel wanderte allmählich vom Osten des Landes, von Humenné, wo sie begonnen hatte, Richtung Westen, bis nach Bratislava. In fünf Städten der Ostslowakei haben wir mit Menschen, die den Protest zu unterstützen, sei es als Publikum kultureller Veranstaltungen in der Stadt oder als Kulturschaffende (vom Beleuchter in einem Theater bis zur Sachbearbeiterin im Amt für Denkmalpflege), darüber gesprochen, was sie zur Teilnahme motiviert hat.
„Anzünden“ der Fackel in Humenné
Auf dem Markt von Humenné ist es zunächst ruhig, und selbst für den November außergewöhnlich kalt und trocken, die Batterien meiner Kamera sind in dieser Kälte fast entladen. Es gelingt mir, sie in einem Geschäft am Markt aufzuwärmen, dem einzigen, das heute geöffnet hat – es ist Sonntag und Feiertag, der Staffelprotest beginnt am Tag des Kampfes für Freiheit und Demokratie, dem Jahrestag der Sanften Revolution. Vor der Vihorlat Bibliothek (Vihorlatská knižnica) brennen Kerzen für die ermordeten Martina Kušnírová und Ján Kuciák und langsam versammeln sich die Menschen vor dem Eingang zum symbolischen Entzünden der Fackel. Der Fackelzug wird durch die Stadt gehen, die Route führt an anderen wichtigen Orten der Kultur vorbei, die am Protest teilnehmen.Wir machen bei der Buchhandlung Na korze Halt, beim Kunst- und Gemeindezentrum NERV Platforma, beim History Art & Music Club, beim Städtischen Kulturzentrum und schließlich beim Vihorlat Museum (Vihorlatské múzeum). An jedem dieser Orte übernimmt jemand anderes die Fackel. Kinder bringen in die Aktion Freude hinein, indem sie voller Begeisterung die Fackel halten oder um sie herumlaufen. Kraftvolle Reden und Gedanken sind zu hören, sogar ein Gedicht. Alle werden ohne künstliches Pathos vorgetragen, sie wirken würdevoll und irgendwie bodenständig, die Redner*innen teilen auch ihre persönlichen Erfahrungen. Die familiäre und sehr freundliche Atmosphäre verleiht dem gesamten Abend etwas Sanftes und Solidarisches.
Ein Mann gibt mit seinem Handy allen genügend Licht, die sich unterwegs in eine Pilgerchronik einschreiben möchten. Sie hinterlassen dort Botschaften und ihre Wünsche für die slowakische Kultur. Der Mann heißt Peter und ist in der Industrie tätig. Er sagt, er sei wütend darüber, dass das gesamte Ministerium unter der Kontrolle einer nicht gewählten Person steht, die in der Vergangenheit in der rechtsextremen Partei Republika gearbeitet hat: Lukáš Machala. „In den Medien hören wir die Aussagen von Menschen, die das Ministerium verlassen haben, doch all dies wird als Rache hingestellt und basiert auf dem Prinzip, Schauspieler, Kulturinstitutionen und Minderheiten zu Feinden zu machen. Ich selbst gehöre zur ungarischen Minderheit, aber ich komme sehr gern, um die slowakische Kultur zu unterstützen, denn Kultur hat keine Nationalität, Kultur ist Kultur, kommt mir bitte nicht mit solchen unsinnigen Dingen, dass Kultur nur slowakisch sein soll. Sie soll weltoffen sein, offen für die Menschen, soll Gutes verbreiten und nicht Zorn und Rache. Deshalb bin ich hier und werde auch weiterhin kommen.“
Adriana spricht auch über Ereignisse in der Stadt, die sie positiv findet – vor allem, dass Humenné die slowakische Kulturstadt 2024 ist und über die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben. „Die Vielfalt dieses Projektes ist hervorragend, denn es deckt die gesamte kulturelle Struktur der Stadt ab. Literarische Abende, Kunsträume, Theater, Musik, das ist fantastisch. Es wird aus dem Fond für Kunstförderung finanziert und für andere Städte wäre es sehr schade, wenn es nächstes Jahr so etwas nicht mehr geben würde.“
„Humenné ist wirklich weit entfernt von den wirtschaftlichen sowie auch kulturellen Zentren. Bisher hatten wir hier traditionelle Kultur, Volkskultur, und es kamen sogar große Theater hierher, doch das Publikum hier in Humenné hatte bislang nur wenige Möglichkeiten, zeitgenössische Kunst in verschiedenen Formen und Genres zu erleben – ohne zu reisen.“ Alexandra Harvanová, die die Buchhandlung Na korze leitet und auch gegründet hat, spricht über ihre Motivation, warum sie Teil des Organisationsteams der Kulturstadt 2024 wurde und Bedingungen für die Präsentation zeitgenössischer Kunst in der Stadt schaffen wollte. „Dem Publikum die Möglichkeit geben zu entscheiden, ob diese konkrete Kunst für einen etwas ist oder eben nicht“, liegt ihr am Herzen. Ziel des Projekts ist es auch, Institutionen etablierter sowie nicht etablierter Kulturbereiche, Minderheiten, Programme für ruthenische, Roma-, ungarische oder jüdische Kultur zusammenzubringen. Es sei ihnen auch gelungen, eine Zusammenarbeit der vier Grundschulen mit einem Kunstschwerpunkt zu starten, die zuvor untereinander konkurriert hatten und nun gemeinsame Programme gestalten.
Katarína Matuškovičová vom Städtischen Kulturzentrum hält die Fackel und äußert den Wunsch, die Veränderung solle nicht nur „oben“ stattfinden, sondern auch im Denken der Menschen, damit sie mittels Kunst mehr nach Impulsen suchen, damit sie mehr nachdenken möchten, damit die Besuchszahlen bei Veranstaltungen, Konzerten und in Filmclubs steigen.
Košice, Bibliothek, Pietät
Der Košicer Teil der Staffel endet vor dem Bezirksbüro der slowakischen Polizei in der Straße Pribinová, wo Menschen eine Kerze für Ľubomír anzünden, der ein Opfer von Polizeibrutalität geworden war . „Bei der Kultur geht es auch darum, wie wir miteinander umgehen“, beginnt Dorota Kenderová, Direktorin der Ostslowakischen Galerie, ihre Rede über die Menschlichkeit und die Würde. „Genau, und die Kultur der politischen Verantwortung ist auch eine Kultur“, fügt Zuzana Psotková, Performerin und Mitbegründerin des Zentrums Tabačka Kulturfabrik, hinzu. Menschen jedes Alters zünden Kerzen an, es regnet leicht und wir blicken eine Weile schweigend vor uns hin.Monika Kicová arbeitet in der der Staatlichen Wissenschaftlichen Bibliothek in Košice. Auch ihr Büro erhält zum Beispiel diverse verwirrende Anweisungen, wenn einerseits finanzielle Mittel bewilligt werden, diese aber binnen eines Monats aufgebraucht werden müssen. „Darin erkennen Sie die Sinnlosigkeit der Verwendung der Finanzen, dieses Vorgehen ist absolut ineffizient und unwirtschaftlich und widerspricht allen Prinzipien, die bis dahin vermittelt wurden.“
Es grämt sie, dass sich das Kulturministerium nicht für Bibliotheken, Galerien und Museen interessiert, und sie hebt die Probleme kleinerer Institutionen hervor, welche sich zusätzlich zur ohnehin langfristigen Unterfinanzierung durch das Ministerium noch verschärfen. „Kleinere Stadtbibliotheken sind zum Beispiel auf den Fonds der Kunstförderung angewiesen, sie beziehen daraus vor allem Gelder, um Veranstaltungen durchzuführen oder zeitgenössische Literatur anzukaufen. Im Moment, bei dieser Lähmung und dem Verlust der professionellen Glaubwürdigkeit des Fonds, ist es für sie eine existenzielle Notlage.“ So sind beispielsweise die Bedingungen für Lager und Depots für Bücher, also Grundbedarfsgüter, langfristig nicht zufriedenstellend, was sich auch auf die Öffentlichkeit auswirkt. „Bibliotheken sind gesetzlich auch verpflichtet, Bibliotheksbestände zu schützen. Und wenn Sie dann Gebäude haben, die übrigens unter Denkmalschutz stehen, wo Ihnen die Lagerräume zusammenfallen, wo es Schimmel gibt und die einem Depot des 21. Jahrhunderts nicht gerecht werden, dann steht das im Widerspruch zum Grundauftrag der Bibliothek. Wenn Sie einen öffentlichen Jahresabschluss über Ihre Tätigkeit schreiben, kommt vielleicht ein Beamter des Ministeriums, hört sich den Bericht eineinhalb Stunden lang an, nickt zustimmend und geht dann. Es ist mangelndes Interesse, ja sogar Taubheit gegenüber den grundlegenden Problemen.“
Im Ausland entwickeln sich Bibliotheken zu modernen, kulturellen und gemeinschaftlichen Bildungszentren. Hier, so Monika Kicová, könne man nicht einmal über irgendeinen Fortschritt, über eine Vision, über irgendetwas auf die Zukunft Gerichtetes sprechen, weil das in dieser Situation völlig unrealistisch sei. Sie wünscht sich, dass das Gute nicht verloren geht. „Für mich ist die Bibliothek kein Bücherlager, sie ist mehr als ein Ort, wohin ich nur komme, um ein Buch auszuleihen und zu lesen. Für mich ist sie ein lebendiger Ort, an dem ich lernen kann, an dem ich allein sein kann, an dem ich in einer Gruppe sein kann, an dem ich Spaß haben kann, ein multifunktioneller Raum unterschiedlicher Situationen, die ich dort erleben kann. Und ich möchte, dass dieser Raum überlebt.“
Der Staffellauf in Košice ist am Ostslowakischen Museum gestartet, das auch einen kleinen Tisch zur Verfügung gestellt hat, an dem die Leute sitzen und Mitteilungen in die Chronik der Slowakischen Kulturfackel schreiben können, Haltepunkte gibt es an der Tabačka Kulturfabrik, der Buchhandlung Artforum, der Ostslowakischen Galerie, dem Theater Divadlo na Peróne, der Šopa Gallery und dem Theater Thália. Im Kino Úsmev sprechen wir mit Oliver Šimčík, der im vierten Jahr als Kameramann beim Slowakischen Fernsehen arbeitet: „Mein Beruf ist ein Handwerk, meinen Arbeitsbereich betrifft es gar nicht, doch es kann Einfluss darauf haben, zu welchen Themen gedreht wird, oder noch mehr, zu welchen Themen nicht gedreht wird, welche gezielt ausgelassen werden.“ In letzter Zeit schaut er sich besonders gern gute Filme im Kino an und heute ist er gekommen, um die Idee dieses Protests zu unterstützen. Er erwähnt auch die Veränderungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Fernsehen (RTVS – Rundfunk und Fernsehen der Slowakei). „Es war offensichtlich, dass die Veränderungen zielgerichtet waren, man wollte den dortigen Direktor loswerden. Diese Veränderungen, mit denen dann die Abschaffung des RTVS begründet wurde, waren nicht gerechtfertigt, da sie einfach gar nichts, auch keine Verbesserungen brachten. Die Bezeichnung war in Ordnung, STAR wäre schlimmer, das kann ich mir nicht vorstellen [lacht]. Also STVR (Slowakisches Fernsehen und Radio) wäre in Ordnung, doch die Gründe und die Art und Weise dieser Veränderung sind nicht in Ordnung.“ Er fügt aber noch hinzu: „Hoffnung habe ich, solche Versammlungen wecken in einem Hoffnung.“
Prešov: „Unterschreib für uns, dass wir Rentnerinnen sind“
In Prešov sehe ich bereits von weitem Samok, einen Studenten der VŠMU (Hochschule für Musik und Kunst), der den ersten Teil des Fackellaufs filmt, und wir kennen uns bereits von den vorangegangenen Tagen und Orten. Ein vorbeikommender Herr winkt ab, als er angesprochen wird: „Mensch, lasst mich in Ruhe mit der Kultur.“ Ein Protestteilnehmer, ein Mann mittleren Alters, bleibt stehen und liest ein Gedicht vor, das die aktuellen Ereignisse reflektiert. Trotz der Ernsthaftigkeit des Themas herrscht hier gute Stimmung und die Kulturgemeinschaft besteht aus netten Menschen. Wenn man also die Protestaktion auf diese Weise angeht – sich auf interessante Gespräche mit Passanten einlässt, dann ist dies ein zusätzlicher Wert dieses Tages. Zwei nette Seniorinnen stehen da – „Unterschreib hier für uns, dass wir Rentnerinnen sind!“ sagt eine lachend zur anderen – in Schönschrift hinterlassen sie ihre Nachricht.„Ich mag meinen Job sehr und möchte ihn in Würde ausüben und weitermachen mit dem, was wir tun, denn ich sehe darin einen großen Sinn. Generell hat die Slowakei eine sehr nette Gemeinschaft von Kulturschaffenden, das sind verrückte Experten.“ Oleksandra Sirko kommt aus der Ukraine, lebt seit 2009 in der Slowakei und arbeitet seit 2011 bei Wave – dem Zentrum für unabhängige Kultur in Prešov. „Gerade heute haben wir einen unserer Besucher hier getroffen, er kommt gerne zu Wave und sagte, er weiß gar nicht, was er in das Buch schreiben soll, aber er unterstützt uns trotzdem. Doch ich habe das Gefühl, dass mir diese stille Unterstützung allein jetzt nicht mehr ausreicht. Als ob es so selbstverständlich wäre, dass wir schon immer hier waren, dass wir jetzt hier sind, dass wir auch mit dieser Situation klarkommen werden und dass alles gut wird – aber jetzt reicht uns das nicht mehr. Meiner Meinung nach braucht die freie Kulturszene jetzt mehr lautstarke Unterstützung von der Gesellschaft.“ Vor einem Jahr ist das Kulturzentrum Wave vom Stadtzentrum in eine Wohnsiedlung umgezogen. Dadurch habe sich das Spektrum der Menschen, die das Kulturzentrum wahrnehmen, erweitert, sodass sie nicht nur Unterstützung erfahren, sondern manchmal auch auf Hass stoßen, berichtet Sirko. Auch die Öffnungszeiten und das gesamte Angebot haben sich geändert. „Es ist schön zu sehen, dass die Leute wieder zu uns kommen – früher gingen sie auf Partys, und jetzt kommen sie als Eltern mit Kindern zu uns, entweder wegen unseres Programms oder einfach so, und sie sind begeistert.“
Martin Husovský arbeitet als Theaterkomponist und sein Zuhause ist das Theater Slzy Janka Borodáča. Gelingt es ihm, Auswege aus der Frustration zu finden, von der er spricht? Husovský empfindet es als Glück, dass die Kunst „über allem“ stehen kann. „So habe ich es mein ganzes Leben lang gemacht und ich werde es auch weiterhin tun. Es tut mir nur leid, dass Kultur als etwas Unnötiges wahrgenommen wird, denn das ist sie nicht.“ Mit dem Theater sind sie regelmäßig für Auftritte unterwegs, auch mal fünf Stunden „auf unseren schönen Autobahnen “, meint er. Sechs Stunden vor der Vorstellung bauen sie Bühne und Technik, Ton und Licht auf und nach der Vorstellung wird wieder alles eingepackt und sie fahren zurück. „Ohne Unterstützung kann das nicht funktionieren, oder es funktioniert nur, wenn das Eintrittsticket 50 Euro kostet, um zumindest die Kosten zu decken, damit die Menschen für die Zeit, die sie opfern, wenigstens ein Minimum bekommen.“ Die Beschäftigten in diesem Bereich lassen sich nicht auf eine kleine, homogene Gruppe reduzieren, was Martin Husovský auch mit dem Hinweis auf die Vielfalt der Berufe unterstreicht. „Schließlich arbeiten sehr viele Menschen in der Kultur, nicht nur die, die wir sehen. Oft wissen wir nicht einmal, dass eine solche Person [zum Beispiel ein Techniker] im Theater ist.“
Poprad: Ausdauer mit einem großen A
Daniela und Ester, Oberstufenschülerinnen aus Poprad, gehören zu den jungen Menschen, denen die aktuelle Entwicklung der Gesellschaft wirklich am Herzen liegt. Sie stehen seit ein paar Stunden draußen, sind gekommen, um beim Verteilen von Flugblättern mit Informationen zur aktuellen Situation in der Kultur zu helfen. „Während des Geschichtsunterrichts ist mir klar geworden, dass es nach dem Fall einer freien Kultur schwierig ist, die Dominosteine der fallenden Demokratie aufzuhalten. Für mich ist es gewissermaßen eine Therapie, hier Gleichgesinnte zu treffen. Allerdings treffe ich auch gerne Menschen mit gegenteiliger Meinung und habe mich heute gefreut, wenn mich jemand gefragt hat, worum es geht“, meint Daniela. Ester stimmt zu und hält es für wichtig, dass mehr junge Menschen zu diesen Treffen kommen, da es um ihre Zukunft geht. „Wir hatten sowohl positive als auch negative Reaktionen. Oft haben sich die Leute gefreut, einige haben nicht gewusst, worum es geht, ein Herr hat mich gefragt, was in der Kultur los sei. Bevor ich richtig antworten konnte, hat er mich gleich unterbrochen und gesagt, dass nichts falsch sei, alles sei in Ordnung, und beim Weggehen hat er noch gemeint, wenn wir in seinem Alter sind, würden wir eine andere Meinung über diese Dinge haben, also sollten wir das Flugblatt einfach behalten und unsere Stimme schonen.“ Wir reden eine Weile über andere Dinge, über das Schreiben, sie sind daran interessiert, wie die Reportage weitergeht. Diesen Mädels verdanke ich, dass ich den ganzen Weg zum Bahnhof lächele.Spišská Nová Ves: eine neue Kulturinitiative
„Mir geht es gut, ich habe gut geschlafen“, sagt Jakub mit einem Lächeln übers ganze Gesicht. Er trägt einen wunderschönen Pullover. „Meine Mutter hat ihn für mich gestrickt, ich nenne ihn meinen Raucherpullover, er hat eine Tasche für Tabak, den Aschenbecher und ein Feuerzeug, damit ich mit der anderen Hand rauchen kann.“ Vor dem Zipser Museum in Spišská Nová Ves scheint nach grauen Tagen in den anderen Städten die Sonne, und sie scheint genau auf einen kleinen Tisch sowie auf Jakub Fabian und Martin Hlavatý mit der Fackel. Als einzige in der Stadt waren sie aktiv an der Organisation der Veranstaltung beteiligt. Zusammen betreiben sie das unabhängige Kulturzentrum Chyža CNK. Jakub, ein Grafiker und Fotograf, gründete dort vor acht Jahren mit einem Freund ein Fotostudio (Cmava chyža), in dem er später gelegentlich Veranstaltungen organisierte. Als Martin, der Kulturmanager, dort sein Buch vorstellte, verliebte er sich in den Ort und so begann vor zwei Monaten eine neue Geschichte von Chyža als unabhängiges Kulturzentrum. Sie zeigen mir die gemütlichen Räume und all die tollen Ecken und Winkel, reden über das Programm und die ausgestellte Kunst sowie über die originelle Pinnwand für schlechte Angewohnheiten und sie verbreiten dabei Energie.„Wir haben mit Chyža CNK begonnen, weil wir die Energie und Motivation haben, wir machen es mit Liebe, ohne Anspruch auf ein Honorar und ohne Zuschüsse. Wir spüren viel Rückhalt in der engen heimatlichen Gemeinschaft, die uns hilft und uns finanziell unterstützt, wofür wir sehr dankbar sind, uns geht es deshalb bisher sehr gut.“ Martin hat auch viele Jahre in der institutionalisierten Kultur gearbeitet, und zwar für ein staatliches Kunst- und Kulturzentrum, und ist somit bereits auf Schwierigkeiten vorbereitet und hat seine Erwartungen entsprechend reduziert. „Ich suche nach Möglichkeiten, Mittel für unsere Produktion auf anderem Wege zu erhalten als über den Fonds zur Kulturförderung, denn für unser Programm und für unsere Produktion alternativer Kultur der Minderheiten ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass wir Gelder vom Fonds erhalten. Wir springen so hoch wie wir können und vielleicht ist dies auch ein wenig befreiend für uns selbst. Wir beschränken uns nicht darauf, nur eine gewünschte oder populäre Produktion zu machen, denn das gilt für uns nicht. Vor allem wollen wir das tun, was uns erfüllt, und das möchten wir gerne anderen Menschen vorstellen.“
Auch Besucher Matúš bestätigt, dass dies wichtig sei. Er ist ausgebildeter Künstler, widmet sich derzeit jedoch nicht beruflich der Kunst sondern betreibt ein Unternehmen im Bereich Computerdienstleistungen. Nach seiner Rückkehr aus dem Ausland in ein Dorf bei Spišská Nová Ves musste er sich wieder an einen etwas anderen Tagesablauf und eine andere Häufigkeit kultureller Veranstaltungen gewöhnen. Wollte er ähnlich gut im Rahmen der Konsumkultur leben, müsste er, wie er sagt, viel in der Region herumreisen, doch dazu fehlen ihm die Mittel. Er ist froh, dass er von Bekannten etwas über Chyža erfahren hat, was das lokale kulturelle Umfeld um einiges vielfältiger macht. „Chyža hat es mir in den letzten Wochen ermöglicht, ein etwas anderes Lebensgefühl zu haben. Das hat mir ein gutes Gefühl gegeben. Schon ein bisschen reicht. Es muss keine große Sache sein.“
Die rote Fackel aus Holzsperrholz, hergestellt von Boris Belan und Braňo Matis, wird am Ende des ersten Tages ihrer Reise durch die Slowakei in Lebensmittelfolie eingewickelt, die Lichter der Straße spiegeln sich darin, wir sitzen damit im vollgestopften Bus von Humenné nach Košice. Dabei sind auch Katka und Samko mit Kamera und Mikrofon, sie werden die Fackel in der ersten Phase ihrer Reise durch die Städte begleiten. Dieser Abschnitt der Bahnstrecke ist ein Jahr lang gesperrt, daher steigt man erst in Bánovce nad Ondavou in den Zug nach Košice. Den erreichen wir nur, weil Alexandra Harvanová, Organisatorin des Staffellaufes in Humenné, uns nach dessen Ende zum Busbahnhof gefahren hat. Auch auf Hunderten dieser kleinen Gesten der Solidarität sowie auf der Beharrlichkeit der Menschen, die mit ihrem persönlichen Engagement und ihrer Energie oft über ihre Grenzen hinausgehen, basiert heute die hochwertige und vielfältige Kultur in der Slowakei.
Dezember 2024