Die Parallelen zwischen Psychedelika und der berühmten antiken Sage von Dädalus und Ikarus liegen auf der Hand. Und zwar nicht nur deshalb, weil sich auch um LSD die verschiedensten Mythen ranken.
Ähnlich wie auch die Flügel des Dädalus können Psychedelika ein nützliches Hilfsmittel sein, das das Potenzial hat, die Konsument*innen zu „befreien“. Und zwar befreien aus ihrem Verharren in verknöcherten Denkweisen, von Süchten, Depressionen oder Traumata – wie viele Studien nahelegen. Aber, und das muss eben auch ehrlich gesagt werden, oft werden sie bloß eingenommen, um Spaß zu haben oder ein Abenteuer zu erleben.Dädalus, der größte griechische Erfinder, konnte nur aus der Gefangenschaft entkommen, indem er Flügel nutzte, die er für sich und seinen Sohn Ikarus konstruiert hatte. Er gab Ikarus vor der Reise den Rat, seinen Vater immer im Blick zu behalten und nicht zu tief, aber auch nicht zu hoch zu fliegen. Doch der unerfahrene junge Ikarus ließ sich vom Zauber des Fliegens mitreißen und flog viel höher, als sicher gewesen wäre. Die Sonne schmolz das Wachs, das die Struktur seiner Flügel zusammenhielt, und der junge Draufgänger stürzte ins Meer.
Auch der Gebrauch von Psychedelika hat seine Grenzen. Ungebildete Psychonauten können bei einer Reise in die eigene Psyche wie Ikarus in der griechischen Sage abstürzen. Ohne diese Substanzen – wie es im Rahmen von Anti-Drogen-Kampagnen oft geschieht – verteufeln zu wollen, muss trotzdem gesagt werden, dass ihr Konsum tatsächlich einige Gefahren mit sich bringt. Einige können das Leben radikal erschüttern.
Paradoxerweise gehen die größten Risiken nicht von den objektiven gesundheitlichen und gesellschaftlichen Gefahren der Substanzen selbst aus. Das allergrößte Problem ist ihr Verbot und die damit einhergehenden Folgen.
Die in klassischen Psychedelika enthaltenen Substanzen sind in den meisten Ländern der Welt verboten. Für Psilocybin aus Pilzen der Gattung Psilocybe, LSD, Meskalin aus dem Kaktus Lophophora Williamsii oder DMT, das in Ayahuasca vorkommt, gelten die gleichen rechtlichen Regelungen wie für Heroin, Methamphetamin oder Kokain. Das Gesetz sieht in diesen Substanzen keinen potenziellen Nutzen. Für einen großen Teil der Gesellschaft sind sie einfach ein Übel, das es zu bekämpfen gilt.
Und wie sollte es auch anders sein, leiden unter diesem Kampf vor allem Konsumenten, deren Leben nicht durch die Substanz selbst Schaden nimmt. Der Staat hat unter dem Vorwand, seine Bürger zu schützen, ein Umfeld geschaffen, in dem mehrjährige Haftstrafen und natürlich die damit einhergehenden endlosen Probleme drohen.
„Es ist wichtig, Illegalität nicht mit Gefahr zu verwechseln“, sagt der emeritierte Professor Mark J. Perry von der University of Michigan. „Die Gründe, warum Drogen einen bestimmten rechtlichen Status haben, sind in erster Linie kultureller und politischer Natur, nicht wissenschaftlicher.“
Eine weitere Ursache für ernste Probleme ist die Unwissenheit. Die Aufklärung beruht nämlich auf dem Slogan Just say NO (to drugs) / Sag NEIN (zu Drogen). Die Tabuisierung führt jedoch zu unverantwortlichem Konsum. Wer sich über das Verbot – die wichtigste offizielle Information zum Thema – hinwegsetzt, erhält darüber hinaus keinerlei weitere nützlichen Informationen. Außerdem befindet sich diese Person dann bereits auf einem schmalen Grat, auf dem sich das Risiko bei jedem weiteren Schritt erhöht. Beispielsweise kann auf dem illegalen Markt die Reinheit der Substanzen nicht garantiert werden. Und so bringt der Konsum das Risiko einer Verunreinigung durch schädliche Substanzen mit sich.
Ähnlich wie bei der Tabuisierung sexueller Themen helfen auch hier Verbote nicht weiter. Eine gute Sexualerziehung kann riskantes Verhalten verhindern. Informationen und eine Enttabuisierung können viele Probleme verhindern. Die Haltung, die durch den Slogan Just say KNOW / Sag ICH WEISS zum Ausdruck kommt, vermittelt potenziellen Konsument*innen einschlägiges Wissen, angefangen bei den Grundlagen auf der Ebene der harm reduction, also der Schadensreduzierung, bis hin zur Ausschöpfung des therapeutischen Potenzials.
Schauen wir uns doch die oben erwähnte Sage vom Absturz des Ikarus erneut an, dieses Mal aber mit entsprechendem Wissen im Hinterkopf. Durch dieses können wir nämlich zum Beispiel davon ausgehen, dass, wenn Ikarus höher geflogen wäre, das Wachs seiner Flügel nicht geschmolzen wäre. Bestimmt nicht wegen der höheren Temperatur, denn die Lufttemperatur sinkt nämlich mit zunehmender Höhe. Die Warnung „Flieg nicht hoch“ entpuppt sich im Fall dieser Sage demzufolge als falsche Warnung.
Gleiches gilt für einige weit verbreitete Warnungen vor Psychedelika. Sie sind Mythen.
Deshalb versuchen wir, den alarmistischen Haltungen entgegenzutreten, die sich hinter den Fragen nach den angeblichen Gefahren des Konsums dieser Substanzen verbergen. Und dabei werden wir uns auf den aktuellen Wissensstand und vor allem auf die Aussagen führender Experten und Wissenschaftler im Bereich der experimentellen Psychopharmakologie stützen.
- Matthew W. Johnson, Professor für Psychiatrie und Verhaltenswissenschaften an der Johns Hopkins University. Er arbeitet seit zwanzig Jahren mit Psychedelika.
- Filip Tylš, Psychiater, Psychotherapeut und Neurowissenschaftler. Während seiner gesamten beruflichen Laufbahn hat er sich auf Psychedelika-unterstützte Psychotherapie spezialisiert.
Psychedelika sind sehr starke Drogen, das ist eine Tatsache. Wie giftig sind sie?
Wenn wir sagen, dass sie stark sind, bedeutet dies, dass eine sehr geringe Menge der Substanz erforderlich ist, um eine Wirkung zu erzielen. Die so genannte aktive Dosis von D-Lysergsäurediethylamid enthält eine extrem geringe Menge der Substanz, etwa 50 Mikrogramm. Ein Gramm LSD würde also ausreichen, um die meisten Besucher eines mittelgroßen Festivals, etwa 20.000 Menschen, auf einen leichten Trip zu bringen.
Vielleicht noch erstaunlicher als die Wirkung der Psychedelika ist das Ausmaß ihrer Toxizität. Und die ist so gering, dass sie praktisch als Null angesehen werden kann. Offiziellen Quellen zufolge gibt es derzeit keine bekannte tödliche Dosis von LSD. Eine Überdosierung ist möglich, führt aber höchstwahrscheinlich nicht zum Tod.
Ähnlich verhält es sich mit Psilocybin. Wie lauten die Schätzungen? Filip Tylš sagt, dass wir, wenn wir unseren eigenen Tod durch eine Überdosis Psilocybin herbeiführen wollten, es in Mengen essen müssten, die in einer Menge an Pilzen von unserem eigenen Gewicht enthalten sind. Da die aktive Dosis etwa ein Gramm Pilze beträgt, kann man daraus ableiten, dass eine Psilocybin-Dosis, die etwa das 80.000-fache dieser Menge beträgt, tödlich wäre. (Zum Vergleich: Bei Alkohol ist die tödliche Dosis für jeden unterschiedlich, aber wenn wir einen 50 Milliliter als aktive Dosis betrachten, beginnt die tödliche Dosis irgendwo beim Zwanzigfachen).
Gleichzeitig ist zu bedenken, dass die geringe Toxizität ausschließlich für die klassischen Psychedelika gilt. MDMA (Ecstasy) beispielsweise ist in Bezug auf das Verhältnis zwischen effektiver und tödlicher Dosis viel gefährlicher. Bei Ecstasy ist eine Überdosierung möglich, die sogar zum Tod führen kann.
Schädigen Psychedelika den Körper?
Auch bei dieser Frage stehen die Fakten im Gegensatz zur landläufigen Meinung. Matthew Johnson argumentiert, dass Psychedelika im Vergleich zu anderen psychoaktiven Substanzen körperlich unglaublich sicher sind. Das soll nicht heißen, dass man auf einem Trip mit LSD oder Pilzen nicht etwas Dummes anstellen und sich verletzen kann. Man könnte sich selbst in eine gefährliche Situation bringen, zum Beispiel einen Autounfall verursachen oder von einer Klippe stürzen.
„Aber was die Zerstörung der Leber, einen Schlaganfall oder Atemstillstand betrifft, wenn man zu viel von einer Droge nimmt, so besteht keine Gefahr für so etwas. Psychedelika verursachen keine Organschäden“, versichert Johnson.
Die Sicherheit der die Drogen konsumierenden Person wird durch die Anwesenheit eines so genannten Guides, also einer nahestehenden, vertrauenswürdigen und nüchternen Person radikal erhöht.
Machen Psychedelika abhängig?
Klassische Psychedelika wie Psilocybin und LSD machen nicht süchtig. Das liegt daran, so Tylš, dass sie „nicht den Dopaminweg im Nucleus accumbens aktivieren, dem Zentrum im Gehirn, das bei allen Süchten aktiv ist“. Sie verursachen nicht die charakteristische Downregulation, die andere Drogen auslösen. Wenn zum Beispiel Kokain nach dem Konsum die Zellen im Gehirn erreicht, ist das Gehirn hungrig nach diesem Kokain. Und wenn man ihm mehr davon gibt, braucht es mehr davon, um diesen Hunger zu stillen. Im Gegensatz dazu wirkt nach der Einnahme von LSD die Substanz am nächsten Tag aber nicht mehr. Dies ist eine einzigartige Eigenschaft der klassischen Psychedelika im Vergleich zu anderen psychoaktiven Substanzen.
Das bedeutet jedoch nicht, dass Psychedelika nicht trotzdem missbraucht werden können. Wenn ein Haufen Jugendlicher Magic Mushrooms nimmt und eine Spritztour mit dem Auto macht, ist das eindeutig Missbrauch, denn sie gefährden sich und andere durch ihr Verhalten. Jedoch wird keiner von ihnen körperliches Verlangen nach einer weiteren Portion Pilze verspüren.
Psychedelika verursachen kein Craving, kein krankhaftes Verlangen nach einer Substanz. Andererseits ist das Verlangen nach der Art von Erfahrung, die Psychedelika bieten können, real. Dies ist jedoch eine ganz andere Kategorie, da es sich um das allgemeine menschliche Bedürfnis nach religiösen und transzendentalen Erfahrungen handelt. Diese spielen eine wichtige Rolle in unserer Evolution.
Laut James Carney, Psychologe an der Universität Lancaster, geht es dabei vor allem um eine Verbindung und anschließende Zusammenarbeit. „Wenn ich glaube, dass ich mit meinem Stamm, meiner Kirche oder dem Universum im Einklang stehe, ist es leichter zu akzeptieren, dass andere von meiner harten Arbeit profitieren“, erklärt der britische Psychologe. „Verbundenheit ist wichtig, weil sie die Bereitschaft zur Zusammenarbeit erhöht, auch wenn die Ergebnisse dieser Zusammenarbeit nicht unmittelbar von Vorteil sind.“ Es ist also möglich, dass wir evolutionär so veranlagt sind, dass wir nach Erfahrungen suchen, die uns in diesen Zustand versetzen.
Was sind also die schwerwiegendsten Komplikationen, die Psychedelika verursachen können?
Noch immer findet sich vielerorts die Meinung, dass bereits ein einziger Konsum von LSD ausreicht, um Spuren im Gehirn zu erzeugen, die die Psyche irreversibel schädigen. Diese Information ist jedoch nur eine urban legend, so etwas wie eben das Wachs auf den Flügeln von Ikarus, das geschmolzen sein soll, als er sich der Sonne näherte. Wie sieht jedoch die Realität aus?
Psychische Komplikationen sind ein echtes Risiko, aber wie Tylš sagt, sind sie praktisch nicht psychosomatischer Natur. Sie hängen damit zusammen, dass sie einen veränderten Bewusstseinszustand herbeiführen und den Kontakt mit der konsensuellen Realität unterbrechen. Fassen wir also die wichtigsten Komplikationen nachstehend einmal zusammen.
Psychose!
Hier müssen wir zwischen akuter Psychose und Psychose im Sinne von prozessualen Krankheitszuständen oder Beeinträchtigungen unterscheiden. Dies ist laut Tylš der Fall, wenn sich etwas entwickelt, das nicht rückgängig gemacht oder gestoppt werden kann, zum Beispiel Schizophrenie, eine bipolare Störung oder eine affektive Störung. Diese Störungen erfordern den dauerhaften Einsatz von Medikamenten, Antipsychotika. „Aber wir haben keine Beweise dafür, dass Psychedelika diese Art von Störungen verursachen“, sagt er. „Bis jetzt weiß niemand, was diese Störungen tatsächlich verursacht. Es stimmt, dass Menschen mit einer genetischen Veranlagung bis zum Alter von 25 Jahren ein erhöhtes Auslöserrisiko haben, da sich das Gehirn zu diesem Zeitpunkt entwickelt und reift. Wenn die Veranlagung in dieser Zeit auf schwierige Bedingungen trifft, wie zum Beispieldie Scheidung der Eltern oder Meth- oder Cannabiskonsum, kann sich eine solche Störung entwickeln. Wir wissen nicht genau, wie sich Psychedelika verhalten. Es hat sich jedoch gezeigt, dass fast alle, die nach der Einnahme eines Psychedelikums eine Störung entwickeln, zuvor Cannabis konsumiert haben.“
Kann es also passieren, dass jemand auf einen Trip geht und nie wieder zurückkommt?
Solche Behauptungen sind übertrieben, auch wenn sie eine reale Grundlage haben, denn die psychedelische Erfahrung kann die Konsumenten destabilisieren. Eine elegante Erklärung liefert Matthew Johnson, der einräumt, dass dies das größte Risiko im Zusammenhang mit der Einnahme von Psychedelika ist. Er fügt jedoch hinzu, dass dies nur für „einen sehr kleinen Teil der Menschen gilt, die an einer aktiven Psychose wie Schizophrenie oder einer bipolaren Störungen leiden“. Eine solche Destabilisierung – die allein durch Psychedelika verursacht wird – ist genauso destabilisierend wie ein schwieriges Lebensereignis, sagt er. Menschen mit dieser Veranlagung können ebenso aus dem Gleichgewicht gebracht werden, wenn sie obdachlos, überfallen oder vergewaltigt werden oder ein anderes traumatisches Ereignis erleben. „Auch eine starke psychedelische Erfahrung kann eine solche Person destabilisieren“, sagt Johnson.
Im Rahmen der Psychedelika-unterstützten Psychotherapie werden die genannten Gefahren seiner Meinung nach durch strukturierte psychiatrische Interviews minimiert, mit denen zuverlässig festgestellt werden kann, welche Personen nicht gefährdet sind. Sie können dann gefahrlos eine derartige Therapie machen.
Was ist mit akuten psychotischen Symptomen?
Aus der Sicht eines gewöhnlichen Psychiaters ist jede mystische Erfahrung eine akute Psychose, argumentiert Tylš etwas provokativ und fügt hinzu, dass „es für Psychologen wichtig ist, diese Zustände mit einem therapeutischen Blick zu betrachten, denn einige, die wie eine Psychose aussehen, können zur Persönlichkeitsentwicklung beitragen und therapeutisch sein“.
Aber was ist, wenn eine Person beim Konsum eines Psychedelikums den Horror erlebt, der als Bad Trip bekannt ist?
Bad Trips sind intensive Emotionen wie Angst, Beklemmung, Paranoia oder Panik, die möglicherweise zu gefährlichem Verhalten führen können. Die Gefahr eines Bad Trips liegt in riskantem Verhalten. Dies kann jedoch nur in einer unangemessenen Umgebung und unter unangemessenen Bedingungen geschehen. „Das Risiko eines bad trip im Rahmen einer Psychedelika-unterstützten Psychotherapie ist praktisch gleich null, da das Setting und die Bedingungen in der Therapie gut kontrolliert werden. Aber trotzdem kann es sein, dass diese Therapieerfahrung kein Spaziergang im Rosengarten wird! Dies gilt insbesondere für Menschen, die traumatisiert sind. Durch die Konfrontation mit diesen Dingen während der Einwirkung der Psychedelika verändert sich ihr Zustand jedoch zum Positiven. Dazu braucht man allerdings einen erfahrenen Therapeuten“, erklärt Filip Tylš.
Wie Tylš betont auch Johnson, dass es sehr wichtig ist, die Patient*innen zu Beginn der Therapie darauf vorzubereiten, dass die Erfahrung beängstigend sein kann. Der Therapeut kann ihnen sogar verschiedene Möglichkeiten dieser therapeutischen Erfahrungen beschreiben. Der Schlüssel sei jedoch, eine Beziehung und Vertrauen zwischen Patient*in (Klient*in) und Guide (also Therapeut*in oder die Person, die während der Erfahrung anwesend ist) zu entwickeln. Wenn der Patient oder die Patientin ängstlich wird, kann die Begleitperson ihn mit Worten beruhigen, die eine Haltung vermitteln, die in etwa so lautet: „Ich bin bei Ihnen, ich gehe nicht weg. Sie sind vollkommen sicher. Es ist völlig normal, diese Angst zu spüren, stellen Sie sich ihr.“
Nehmen sich Menschen nach einem psychedelischen Erlebnis auch manchmal das Leben?
Das kommt selten vor, wie eben auch bei anderen krassen Erfahrungen, die die eigenen Werte erschüttern. Statistisch gesehen, so Tylš, ist das Suizidrisiko bei Psychedelika-Konsument*innen im Vergleich zu Nicht-Konsument*innen erwiesenermaßen geringer. „Wir wissen sogar, dass einige Psychedelika die Suizidalität bei depressiven Patienten, die chronisch suizidgefährdet sind, verringern.
Kann eine psychedelische Erfahrung ein Trauma verursachen?
Obwohl Psychedelika bei der Heilung von Traumata helfen, können sie in einem falschen Kontext oder bei einer falschen therapeutischen Intervention wiederum Traumata verursachen. Filip Tylš erklärt, wie dies möglich ist: „Nach dem Konsum kommt es zu einer Verringerung der Abwehrkräfte und zu einer Störung der Ich-Grenzen. Daher kann es vorkommen, dass man sich in Momenten, in denen man verletzlich ist, Situationen aussetzt, die die eigene momentane Kapazität überfordern. Das ist vergleichbar mit einer Massenkatastrophe, bei der wir uns vom Erleben des Geschehens abkapseln – und eine posttraumatische Belastungsstörung entsteht. Bei einer psychedelischen Erfahrung kann der Traumaauslöser von außen betrachtet viel kleiner sein. Es kann das Trauma sein, dass sich jemand auf einem Festival verirrt – und das kann zu einer Retraumatisierung führen, zum Entstehen eines neuen Traumas oder zur Wiederkehr eines Kindheitstraumas, zum Beispiel als einen die Eltern im Krankenhaus zurückließen.“ Dieser Mechanismus ist ihm zufolge nichts Besonderes; er begegnet ihm häufig auf Festivals, wo er und seine Kollegen „Psy-Care“, anbieten, also eine Intervention zur Schadensminimierung
Psychedelische Substanzen haben ein enormes therapeutisches Potenzial. In diesem Bereich wird intensiv geforscht, und einige Substanzen (zum Beispiel Ketamin) werden bereits bei offiziellen Behandlungen eingesetzt. Gerade wegen ihrer enormen Wirkmacht muss man verantwortungsvoll und mit großem Respekt mit ihnen umgehen.
Matt Johnson spricht über Menschen, die nach wochenlanger intensiver Vorbereitung endlich zu ihrer psychedelischen Sitzung kamen. „Wenn sie morgens zu mir kommen und sie etwas sagen wie ‚Oh, ich fühle mich großartig, lass uns das machen, es gibt nichts, worüber man sich Sorgen machen muss!‘, dann müssen wir einen Moment innehalten. Denn wenn ein Patient sich überhaupt keine Sorgen macht, dann haben wir unsere Hausaufgaben nicht richtig gemacht, denn das ist eine große Sache. Sie sollten ein Minimum an Nervosität verspüren, was ein Zeichen dafür ist, dass sie sich der Schwere der Situation bewusst sind, in die sie sich begeben.“
Was hilft, sind Fakten, nicht Mythen
Verschiedene Seminare und Vorträge über Psychedelika sind hilfreich, um das Risiko von Psychedelika zu verringern. So leistet beispielsweise der bereits erwähnte Filip Tylš, Psychiater und Neurowissenschaftler am Nationalen Institut für psychische Gesundheit (Národní ústav duševního zdraví – NUDZ), ebenfalls wichtige Arbeit in diesem Bereich.
Die Veröffentlichung dieses Artikels ist Teil von PERSPECTIVES – dem neuen Label für unabhängigen, konstruktiven, multiperspektivischen Journalismus. JÁDU setzt dieses von der EU co-finanzierte Projekt mit sechs weiteren Redaktionen aus Mittelosteuropa unter Federführung des Goethe-Instituts um.
September 2024