Nachhaltige Stadtentwicklung  Brno ist eine Kreuzung von Sackgassen

Vor hundert Jahren war Brno eine bessere, mutigere, progressivere und sogar nachhaltigere Stadt, als sie es heute ist.
„Vor hundert Jahren war Brno eine bessere, mutigere, progressivere und sogar nachhaltigere Stadt, als sie es heute ist.“ Foto: © Stanislav Biler

Die meisten westeuropäischen Metropolen sind sich den Gefahren der Klimakrise bewusst, passen sich ihnen in Urbanismus und Stadtpflege an. In der mährischen Metropole jedoch ist es dem Soziologen Stanislav Biler zufolge gezielt und konsequent nicht so: Dort finde gar eine Olympiade in Un-Nachhaltigkeit statt. Sich in Brno mit Nachhaltigkeit zu beschäftigen, ist seiner Meinung nach komplizierter als Orchideen auf einer Mülldeponie zu züchten, schwieriger als Pandas in Gefangenschaft zu vermehren.

Nachhaltig in einer nicht nachhaltigen Welt zu leben, erfordert eine Anstrengung, die die menschlichen Fähigkeiten übersteigt. Während man Gurkenschalen in die braune Biotonne bringt, schmeißt jemand nebenan gerade entladene Batterien in den Restmüll. Vielleicht hat man zu Hause die Temperatur an der Heizung um ein paar Grad gesenkt, damit sich der Planet weniger schnell erhitzt, und liest gleichzeitig von neuen Kohlekraftwerken in China, der Rekordproduktion sämtlicher westlicher fossiler Konzerne oder vom Rekordwachstum des Reichtums der tschechischen fossilen Milliardäre.

In den 1990er Jahren hat Tschechien den Buddhismus entdeckt. Im Fernsehen lief einer von zahllosen Dokumentarfilmen über seinen tibetischen Ableger: Mönche streuten wochenlang komplizierte Mandalas aus Sand, um sie schließlich zu einem Häufchen zusammenzufegen oder dem Wind zu überlassen, der sie hinfort blies. Eine Übung zur Anpassung an die Nichtigkeit. Für so etwas haben wir in Europa keine Nerven, sagten wir uns damals verblüfft. Einige Dekaden später streuen wir alle irgendwo in unserem Leben ein Mandala aus Sand, hoffend, dass sich alle Körnchen zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügen. Dabei feuern uns die Regierungen, Rathäuser der Städte sowie die Aktionär*innen sämtlicher Konzerne, die Geschäfte mit fossilen Brennstoffen machen, an. Und gleichzeitig fegen sie unsere ganzen Bemühungen um eine nachhaltige Welt auf einen Haufen der Nichtigkeit zusammen.

Globale Machtlosigkeit

Lokales Handeln soll die Antwort sein auf unsere globale Machtlosigkeit. Die extreme Verschwendung in den Vereinigten Staaten kann ich nicht beeinflussen, aber zu Hause kann ich schon etwas bewegen. Die globale Politik liegt jenseits meiner Möglichkeiten, aber eine nachhaltige Stadt, in der ich lebe, das ist doch wohl ein mit menschlicher Kraft erreichbares Ziel. Hier könnte das Mandala vielleicht beisammen bleiben. Körnchen zu Körnchen, und am Ende entsteht etwas, das Sinn ergibt. Deshalb zögern viele Städte in Europa auch nicht und schlagen jetzt schon eine eigene Richtung hin zum Wandel zu Nachhaltigkeit und Klimaneutralität ein. Schneller als Europa oder all die Staaten, die sich hier befinden. es vermögen. Wer kann, der muss doch auch. Wozu sollte man sonst leben? Nicht jedoch in Brno, meiner Stadt.
 
In Brno findet gerade eine Olympiade in Un-Nachhaltigkeit statt.

„In Brno findet gerade eine Olympiade in Un-Nachhaltigkeit statt.“ | Foto: © Stanislav Biler

In der zweitgrößten Stadt dieses kleinen Landes Müll zu trennen, ist eine Übung in stoischer Ruhe, dank der man den Hinterhalten der sinnlosen Realität, in der die Dinge nur um ihres Geschehens willen passieren, widersteht. Man muss sich selbst belügen, um hier leben zu können. Sich eine andere Realität zusammenträumen, so tun, als lebte man irgendwo anders ein völlig anderes Leben. Ohne selektive Blindheit wäre man in Brno kaum in der Lage, die Schwelle seiner eigenen Wohnung zu übertreten. Sich hier mit Nachhaltigkeit zu beschäftigen, ist komplizierter als Orchideen auf der Mülldeponie zu züchten, schwerer als Pandas in Gefangenschaft zu vermehren.

Die Stadt stellt einem die entsprechenden farbigen Mülltonnen aus Prinzip nur auf Anfrage vors Haus. Womit schon ihr Engagement für eine nachhaltige Welt endet. Dafür führt sie einem Monat für Monat, Woche für Woche neue Beweise dafür vor Augen, dass alles, was man unternimmt, vergeblich ist. Dass sich der eigene, mit Anstrengung aller zur Verfügung stehender Kräfte erreichte nachhaltige Haushalt in einer nicht nachhaltigen Stadt befindet, die Milliarden in ihren eigenen Zusammenbruch pumpt, während man selbst zu Hause die Joghurtbecher ausspült, damit sie besser recycelt werden können.

Brno, Rummelplatz unter den Städten

Inmitten des kollabierenden Klimas leistet sich Brno ein riesengroßes Eishockeystadion für eine Summe, mit der man die Lebensqualität in der Stadt auf ein sinnvolleres Niveau heben könnte. Das wirkt, als versuche man, die Missgunst der Welt mit Hilfe eines uralten Opfers zu vertreiben: In der Hungersnot verbrennen wir die verbliebene Ernte und hoffen auf ein Wunder. Falls sich das Wunder nicht einstellt, wird die überwiegend leere Halle dann Energie und die städtischen Finanzen fressen, um überhaupt existieren zu können. In einer Stadt, in der es dramatisch an Infrastruktur mangelt, in der es für einen Platz in Kindergarten, Grund- und Mittelschule Wartelisten gibt. In einer Stadt, in der man wegen sengender Hitze im Sommer draußen kaum atmen, geschweige denn sich bewegen kann. Und wie uns die Veränderungen der letzten Jahre zeigen, endet der Sommer einige Wochen vor Weihnachten und beginnt dann wieder im Februar.

Die ganze Zeit über wird die Eisfläche intensiv gekühlt werden müssen, damit die Halle auch entsprechend genutzt werden kann und nicht zum Planschbecken wird. Dies ist aber nur ein symbolischer Aspekt der Un-Nachhaltigkeit. Natürlich hätte man energetische Nachhaltigkeit als Grundvoraussetzung fordern können. Dafür hätte Brno aber überhaupt erst einmal einen Architekturwettbewerb ausschreiben müssen, aus dem dann überraschende Ideen hervorgegangen wären. Oder auch nur völlig gewöhnliche Ideen, die aber den Umständen der Gegenwart Rechnung tragen.

Paris finalisiert gerade seine Vorbereitungen für die Olympischen Sommerspiele. Wenngleich diese größenwahnsinnige Veranstaltung ein Rückfall in andere Zeiten ist, so hat sich Frankreich unter anderem zum Ziel gesetzt, nachhaltige Sportstätten zu bauen, damit deren zukünftige Unterhaltung die Stadt nicht in den finanziellen Ruin treibt. Paris will die grünste Olympiade der Geschichte veranstalten, was etwa eine massive Nutzung von Energie aus Sonne und Erdwärme für die Sportstätten oder das olympische Dorf bedeutet.

Erstaunlicherweise können beim Bau von Sportanlagen doch auch andere Ziele gesetzt werden als jenes, dass sie einfach nur da sind. Andererseits wird die Eishockeyhalle in Brno einen großen Parkplatz haben und in der Nacht bunt leuchten. Wie ein Karussell. Wie die Stadt, so ihre Ziele.

Für die Transformation zur Klimaneutralität hat sich die Stadt keinerlei Ziele gesetzt, und so wird demnach bei der Errichtung ihrer Gebäude auch kaum etwas in dieser Richtung verlangt. Im Fall der Eishockeyhalle hat die Stadt den Entwurf ohne Bewerbungsverfahren bei einer örtlichen Developer-Firma in Auftrag gegeben, die nach der für Brno eigenen Vorgehensweise Hallen und Flugzeughangars plant. Anstelle von architektonischen Überraschungen und technologischer Innovation erhält Brno für etwa sieben Milliarden Kronen [über 280 Millionen Euro] (die finale Summe ist wie immer unbekannt) mehr von genau diesem Brno. Der Parkplatz neben dem Hangar an der Ausfallstraße, Metapher für die gesamte Stadt, arbeitet daran, der größte seiner Art in der Region zu werden.
 
Für die Transformation zur Klimaneutralität hat sich die Stadt keinerlei Ziele gesetzt.

„Für die Transformation zur Klimaneutralität hat sich die Stadt keinerlei Ziele gesetzt.“ | Foto © Stanislav Biler

Besessen vom Automobilismus

Ein Trend der Städte, denen ihr Schicksal nicht egal ist, ist die Begrenzung des automobilen Individualverkehrs, mit dem keine nachhaltige Zukunft zu erreichen ist. Die neue Eishockeyhalle wird jedoch mit einem ebenerdigen Parkplatz für 1500 (tausendfünfhundert) Autos gebaut und zieht eher noch mehr Verkehr in die Stadt. Die Umgebung der Halle wird von PKW übersät sein, als entspränge sie einer Fantasie der 1970er Jahre, als der Grad der Entwicklung der Welt in Abhängigkeit zur Anzahl der PKW pro Einwohner gemessen wurde. Die schier endlose Asphaltfläche wird sich dann im schier endlosen Sommer von Brno erhitzen und zur traditionell stickigen Atmosphäre dieser Stadt im Südosten des Landes beitragen.

Dabei ist Brno besessen vom innerstädtischen Parkplatzbau. In den vergangenen Jahren sind allein im Zentrum um den historischen – ohnehin schon vom Verkehr völlig überlasteten – Stadtkern herum, mehrere Parkhäuser gebaut worden. Dieses Schaffen von Kapazitäten wird jedoch nicht etwa von einer entsprechenden Reduktion der in den Straßen parkenden Autos begleitet, die so den Menschen zurückgegeben werden könnten – oder gar der Natur, zu der wir ja auch gehören.

Im Grunde eine konzeptuelle Tat ist das neue Parkhaus an der Juristischen Fakultät. Vor rund hundert Jahren wurde der Platz als Akademischer Hauptplatz angedacht, dessen Entwurf zur Hochzeit des Brünner Funktionalismus von Bohuslav Fuchs stammte. Im neuen Jahrhundert ist der Name zwar geblieben, doch nimmt nun nimmt ein massiges Parkhaus für mehr als 600 Autos als Dominante des Akademischen Platzes praktisch den gesamten Raum ein. In der Nachbarschaft entstehen noch zusätzliche Parkplätze. Vor hundert Jahren war Brno eine bessere, mutigere, progressivere und sogar nachhaltigere Stadt als sie es heute ist.

Einst errichteten die Städte Mauern, um sich vor unwillkommenen Invasionen zu schützen. Für die Invasion der Autos rollt Brno den roten Teppich auf Kosten der eigenen Einwohner*innen aus, denen nichts anderes übrig bleibt, als aus der Stadt zu ziehen und zu Arbeit und Einkauf dorthin zu pendeln. Mehr Pendelei bedeutet zu wenig Parkplatz und Stau, die Antwort darauf sind neue Parkhäuser, Umgehungs- und Ausfallstraßen. Anstatt zu verschwinden, wächst das Problem noch. Die in der Stadt arbeitenden Menschen aus der Umgebung lassen als Wohnsitz ihrer Kinder eine innerstädtische Adresse eintragen, um ihnen einen Platz in einer Grundschule zu sichern, wohin sie sie dann mit ihren SUV bringen, eine Art Verkehrskrebs unserer Welt. Das bedeutet gleichzeitig, dass die Schulen kollabieren und nicht imstande sind, ihre Kapazitäten für die nächsten Jahre zu planen. Neue Schulen werden nicht gebaut, weil das Geld von der bereits erwähnten Eishockeyhalle geschluckt wird.
 
Vor hundert Jahren war Brno eine bessere, mutigere, progressivere und sogar nachhaltigere Stadt, als sie es heute ist.

„Vor hundert Jahren war Brno eine bessere, mutigere, progressivere und sogar nachhaltigere Stadt, als sie es heute ist.“ | Foto: © Stanislav Biler

Das Institut für Planung und Entwicklung der Haupstadt Prag hat in diesem Jahr eine Studie erarbeitet, in der Prag mit ausgewählten europäischen Städten anhand unterschiedlicher Kriterien verglichen wurde. Eines davon war die Anzahl der PKW auf tausend Einwohner. Vor unserer Hauptstadt liegt nur Warschau, und kurz hinter Prag liegen Bukarest und Sofia. Städte, denen eine hohe Lebensqualität bescheinigt wird, befinden sich bei diesem Vergleich auf den hintersten Plätzen, sei es Wien, Kopenhagen oder Stockholm.

Brno fehlt bei diesem Vergleich zwar, aber es fällt nicht schwer, es hier zu ergänzen. 2022 kamen auf tausend Einwohner 607 PKW, was in der genannten Studie für einen schönen vierten Platz gleich hinter der bulgarischen Hauptstadt ausreichen würde. Das ist fast doppelt so viel wie im nahe gelegenen Wien, das auf verschiedensten Listen der Städte mit der höchsten Lebensqualität regelmäßig die Siegerposition einnimmt. Es ist auch mehr als doppelt so viel wie im ähnlich erfolgreichen Kopenhagen, in Amsterdam oder Barcelona.

Brno ist wie eine wiederkehrende Gehirnerschütterung

Und hier haben wir nur über die Anzahl der Autos gesprochen, die den Einwohner*innen der Stadt gehören. Über diese monströse Zahl hinaus lockt Brno mit Hilfe der bereits erwähnten Parkhäuser im Stadtzentrum weitere zehntausende Autos aus der Umgebung an. Neben Abgasen und Lärm bringt der Verkehr noch weitere Unannehmlichkeiten, die mit einem nachhaltigen Leben, mit dem Leben überhaupt kollidieren, und zwar in Bezug auf Tote und Schwerverletzte im Straßenverkehr. Unter den tschechischen Städten gehört Brno langfristig zu den lebensgefährlichsten, und das ist keine Übertreibung.

Jährlich untersucht die tschechische Generali Versicherung das Verhältnis der tödlichen und der schweren Unfälle zur Gesamtzahl der Unfälle. Unter den Regionalhauptstädten hält Brno den ersten Platz mit den meisten tödlich oder mit einer schweren Verletzung endenden Unfällen, wobei es sich bei den meisten Opfern um Fußgänger*innen handelt. Für mehr Sicherheit für die schwächsten Verkehrsteilnehmenden unternimmt Brno nichts. Nicht einmal abgetrennte und sichere Fahrradstreifen werden bei der Erneuerung der Straßen angelegt. Doch ohne diese will bei dem dichten und gefährlichen Autoverkehr auch niemand mit dem Fahrrad fahren. Obwohl wir abgesehen von der Fortbewegung zu Fuß wohl kaum eine andere nachhaltigere Art finden werden als das Fahrrad.

Auch die Fußgänger*innen haben es nicht leicht. Trotz des massiven Baus von Parkhäusern sind die Straßen von Brno gesäumt mit Autos. Diese parken hier zwar theoretisch illegal, aber die Stadt verfolgt diese Vergehen faktisch nicht mehr. Einst alltäglich geschehen, werden Autos heute kaum noch abgeschleppt, was die Statistiken der städtischen Polizei belegen. Früher wurden jährlich tausende von Autos abgeschleppt, heute ist deren Anzahl auf einige Dutzend gesunken. Obwohl die Gesamtzahl der Autos stetig wächst. 2015 waren in der Stadt 175.000 Autos registriert. Sechs Jahre später war es bereits eine Viertelmillion. Gleichzeitig entfernt Brno Fußgängerübergänge oder installiert dort Ampeln, damit die Fußgänger*innen den Verkehrsfluss nicht stören. Im Fall der oben genannten Halle entfernt die Stadt einen Übergang zum Freibad Riviéra und ersetzt ihn durch eine Fußgängerbrücke. So können die Menschen hier gehen, ohne die Autos aufzuhalten.

Die Verkehrsstrategie der Stadt ist nicht nachhaltig und mit dem Leben unvereinbar. Und wenn sich die Stadt zufällig für ein Transportmittel entscheidet, das den Automobilismus nicht unterstützt, ist es für den Verkehr völlig unerheblich und verheerend für die Umwelt. Damit sind wir zurück am Eishockeystadion, von dem aus nach dem Willen der Stadt eine Seilbahn zum Krankenhaus in Bohunice gebaut werden soll. Wohl, damit es die Eishockeyspieler schneller haben, wenn sie eine Gehirnerschütterung erleiden. Die Seilbahn würde dann jedoch ein sporadisch genutztes Eishockeystadion mit einem beliebigen Ort auf einem Berg verbinden. Als Bonus führt die Bahn genau über ein Winterquartier für Dohlen und Raben, die sich schon seit über einem Jahrhundert zu Zehntausenden vom Herbst bis zum Frühling hierhin zurückziehen. Die Seilbahn würde sie aus Brno vertreiben, so wie Brno alles Lebendige vertreibt, wenn die Stadt sich weiterhin ähnlich nachhaltig gestaltet wie eine wiederkehrende Gehirnerschütterung.

Diese Herangehensweise wird noch von der Spezialität von Brno ergänzt, bei der Errichtung und Renovierung jedweder Art von Gebäuden zunächst einmal gnadenlos alle umgebenden Bäume zu fällen. Es soll schließlich keinerlei lebendiges Gewebe die Kunststoffröhren, Drähte und Bauten aus Stahl und Beton stören. Als würde hier die Nachhaltigkeit durch die Ewigkeit ersetzt, mit der sich nur Kunststoff, Glas und Beton messen können, wohl die einzigen Bewohner*innen für eine Stadt, in der sich die Anzahl der Tropentage in den vergangenen beiden Dekaden im Vergleich zum vorigen Jahrhundert verdreifacht hat.
 
Brno wirkt wie ein Developer-Projekt für Investor*innen, in dem Menschen unbeabsichtigt vorkommen.

„Brno wirkt wie ein Developer-Projekt für Investor*innen, in dem Menschen unbeabsichtigt vorkommen.“ | Foto: © Stanislav Biler

Die Brno-Olympiade in Un-Nachhaltigkeit

Dabei hat es Zeiten gegeben, in denen Brno im Guten auf das benachbarte Wien schaute und in Hinblick auf Urbanismus und Stadtpflege versuchte, mit ihm Schritt zu halten. Das ist aber schon lange her. Während Wien ein Symbol ist für erschwingliches Wohnen für alle Einwohner*innen, kann sich in Brno schon kaum jemand mehr leisten zu leben, haben doch die Wohnungspreise inzwischen jene von Prag eingeholt und gehören nun zu den höchsten europaweit. Brno wirkt wie ein Developer-Projekt für Investor*innen, in dem Menschen unbeabsichtigt vorkommen. Wohl deshalb ist es hier unnötig, sich Gedanken über Nachhaltigkeit zu machen, steht diese doch im Gegensatz zum Wachstum von Investition und Gewinn.

Kopenhagen will bis 2025 klimaneutral sein, also noch bevor Brno seine Eishockeyhalle fertiggestellt haben wird. Bis 2030 wollen etwa Glasgow oder Helsinki Klimaneutralität erreichen, dann in etwa baut Brno vielleicht seine Anti-Raben-Seilbahn. Doch es ist auch möglich, nachhaltig zu sein in Bezug auf das menschliche Leben als solches. Oslo oder auch das bereits erwähnte Helsinki haben es schon vor einigen Jahren geschafft, die Anzahl der Verkehrstoten in ihren Straßen auf Null zu reduzieren. Es reichte aus, Geschwindigkeitsbegrenzungen für Autos einzuführen, ihre Anzahl zu reduzieren, Fußgängerzonen einzurichten oder Fahrradwege für alle zu bauen.

Die Mehrzahl der westeuropäischen Metropolen hat schon verstanden, dass die bisherige Entwicklung nicht nachhaltig, sinnlos und gewissermaßen unnatürlich war. Ihre Abkehr davon zeigt gleichzeitig, dass die Veränderungen hin zur Nachhaltigkeit sie zu Orten mit einer höheren Lebensqualität macht, wo es mehr Raum und Sicherheit für jede*n gibt. Brno wird dabei wohl eine wichtige Rolle zuteil. Als Warnung, ein ewiges Mandala der Vergeblichkeit aus Stahl und Beton. Als Erinnerung an Zeiten, in denen ein menschliches Leben nicht allzuviel bedeutete. Als Freilichtmuseum vergessener Brutalität, zu dem eines Tages Reisen veranstaltet werden, in der Art wie sie heute nach Nordkorea unternommen werden.

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