Sulle Sponde
Barrierefreiheit auf der Bühne
Das Stück „Sulle sponde“, das im Deutschen Pavillon der Architekturbiennale in Venedig 2023 Premiere feiert, setzt sich mit den Themen Inklusion und Barrierefreiheit in der Kunst- und Kulturwelt auseinander. Wir haben mit seinem Choreographen darüber gesprochen.
Die Veranstaltungsreihe Performing Architecture untersucht die Schnittstellen zwischen darstellender Kunst und Architektur. Einen Schwerpunkt bildet dieses Jahr die Tanzproduktion Sulle sponde, zu Deutsch „Am Ufer“, des Choreografen Alessandro Schiattarella und der Leipziger Forward Dance Company von Lofft – das Theater. Die Performance, getanzt von Tänzer*innen mit normativen und nicht-normativen Körperlichkeit, geht am 19. Mai in Premiere.
„Sulle sponde ist eine eigens für die Räume des Deutschen Pavillons auf der Biennale von Venedig angepasste Version der Performance Sulle sponde del lago – Am Ufer des Sees, die wir im vergangenen Jahr zwischen Basel und Leipzig entwickelt haben,“ erzählt der in Neapel geborene Choreograf.
Schiattarella sieht in dem 1877 uraufgeführte Tschaikowsky-Ballett ein Symbol für elitäre Schönheitsideale und Ableismus. Der Begriff Ableismus beschreibt die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen aufgrund ihrer vermeintlich unzureichenden Leistungsfähigkeit. „Schon allein beim Hören der Musik dieses ikonischen Balletts erwartet man körperliche und technische Perfektion“, erklärt Schiattarella. Die Auseinandersetzung mit einem Klassiker wie Schwanensee sei für ihn eine Form des Widerstands gegen diese ableistische Perspektiven.
Das Stück Sulle Sponde und seine Tänzer*innen nach Venedig zu bringen, erwies sich als keine einfache Aufgabe. Nicht nur die Beschaffenheit der Stadt mit ihren rund 120 Inseln, 350 Brücken und einem Wirrwarr aus Kanälen stellte die Tanzkompanie vor Herausforderungen. Ursprünglich war geplant, das Stück nicht nur im Deutschen Pavillon, sondern auch in einem anderen Theater der Stadt aufzuführen. Es ließ sich jedoch kein einziges Theater in der Stadt finden, das den Tänzer*innen einen barrierefreien Zugang zur Bühne ermöglicht hätte.
Problematisch gestaltete sich ebenfalls die Suche nach einem barrierefreien Proberaum und Hotel. Selbst das Biennale-Ausstellungsgelände Giardini ist mit seinen Kieswegen nicht rollstuhltauglich. „Dass sogar eine Institution wie die Biennale nicht vollständig zugänglich ist, ist sicherlich erstaunlich. Es spiegelt jedoch unsere Gesellschaft wider und zeigt auf, dass das Thema Behinderung immer noch an letzter Stelle steht,“ sagt Schiattarella.
Alessandro Schiattarella betont, dass selbst große Kunst- und Kulturinstitutionen immer noch nicht wissen, was Inklusion tatsächlich bedeutet. „Auch deshalb halte ich es für wichtig, dass wir unsere Arbeit machen, um diese Mängel aufzuzeigen und möglicherweise in Zukunft dazu beizutragen, dass diese Institutionen bewusster mit dem Thema umgehen.“
„Sulle sponde ist eine eigens für die Räume des Deutschen Pavillons auf der Biennale von Venedig angepasste Version der Performance Sulle sponde del lago – Am Ufer des Sees, die wir im vergangenen Jahr zwischen Basel und Leipzig entwickelt haben,“ erzählt der in Neapel geborene Choreograf.
Neue Ästhetiken
Das Stück wirft einen kritischen Blick auf den Ballett-Klassiker Schwanensee und fordert alte Schönheitsnormen heraus. „Wir greifen Anhaltspunkte aus der gesamten Geschichte von Schwanensee auf, angefangen bei den klassischen bis hin zu den zeitgenössischen Versionen des Balletts,“ sagt Schiattarella. „Wir versuchen, sie auseinanderzunehmen und neu zusammenzusetzen, um eine größere Vielfalt widerzuspiegeln, insbesondere im Hinblick auf die Darsteller. So können Bewegungen, Situationen oder Ästhetiken neu interpretiert werden, die bisher noch nicht in einer so zugänglichen Form zu sehen waren.“Schiattarella sieht in dem 1877 uraufgeführte Tschaikowsky-Ballett ein Symbol für elitäre Schönheitsideale und Ableismus. Der Begriff Ableismus beschreibt die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen aufgrund ihrer vermeintlich unzureichenden Leistungsfähigkeit. „Schon allein beim Hören der Musik dieses ikonischen Balletts erwartet man körperliche und technische Perfektion“, erklärt Schiattarella. Die Auseinandersetzung mit einem Klassiker wie Schwanensee sei für ihn eine Form des Widerstands gegen diese ableistische Perspektiven.
„Mir ist es wichtig zu vermitteln, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, Tanz, Kunst und Ästhetik zu denken, und dass diese Möglichkeiten sehr unterschiedliche Körper und Erfahrungen einschließen können.“
Barrieren in Venedig
Die Forward Dance Company des Leipziger Bühnenhauses Lofft – Das Theater besteht aus sechs Tänzer*innen mit und ohne Beeinträchtigungen aus fünf verschiedenen Ländern. Es handelt sich um das erste feste Ensemble dieser Art an einem freien Produktionshaus im deutschsprachigen Raum.Das Stück Sulle Sponde und seine Tänzer*innen nach Venedig zu bringen, erwies sich als keine einfache Aufgabe. Nicht nur die Beschaffenheit der Stadt mit ihren rund 120 Inseln, 350 Brücken und einem Wirrwarr aus Kanälen stellte die Tanzkompanie vor Herausforderungen. Ursprünglich war geplant, das Stück nicht nur im Deutschen Pavillon, sondern auch in einem anderen Theater der Stadt aufzuführen. Es ließ sich jedoch kein einziges Theater in der Stadt finden, das den Tänzer*innen einen barrierefreien Zugang zur Bühne ermöglicht hätte.
Problematisch gestaltete sich ebenfalls die Suche nach einem barrierefreien Proberaum und Hotel. Selbst das Biennale-Ausstellungsgelände Giardini ist mit seinen Kieswegen nicht rollstuhltauglich. „Dass sogar eine Institution wie die Biennale nicht vollständig zugänglich ist, ist sicherlich erstaunlich. Es spiegelt jedoch unsere Gesellschaft wider und zeigt auf, dass das Thema Behinderung immer noch an letzter Stelle steht,“ sagt Schiattarella.
Strukturelle Probleme
Die Lagunenstadt mag im Bezug auf Barrierefreiheit als besonders schwierig gelten. Allein stehe sie damit jedoch nicht da: „Fast überall, wo ich hinkomme, stoße ich auf unzureichendes Wissen oder auf strukturelle Probleme wie architektonische Barrieren,“ erzählt Schiattarella, der hauptsächlich an Bühnen in der Schweiz und Deutschland arbeitet. „Theater, die zwar für ein Publikum mit Behinderungen zugänglich sind, sind oft nicht für Künstler*innen mit Behinderungen zugänglich, weil es keinen Zugang zur Bühne, keine Aufzüge oder Rampen gibt. Diese Zustände gibt es überall.“Alessandro Schiattarella betont, dass selbst große Kunst- und Kulturinstitutionen immer noch nicht wissen, was Inklusion tatsächlich bedeutet. „Auch deshalb halte ich es für wichtig, dass wir unsere Arbeit machen, um diese Mängel aufzuzeigen und möglicherweise in Zukunft dazu beizutragen, dass diese Institutionen bewusster mit dem Thema umgehen.“