Welt
Ruhe und Skepsis gegenüber Umweltschutz

Rostige Metalltreppe am dicht bewachsenen Ufer einer Quelle. © Birgit Kaleva

Ilona Tamm

Es scheint, dass die Chance (und die Verantwortung), die Welt zu verändern, derzeit besonders bei jungen Menschen verortet wird. „Technologien der Zukunft erhöhen die Nachhaltigkeit.“ „Junge Menschen wissen viel mehr und können umweltfreundliche Entscheidungen treffen.“ „Alte Menschen und ihre Gewohnheiten sind zu schwer zu ändern.“ Es gibt wahrscheinlich noch einige weitere, ähnliche Aussagen. Ja, die Jugend spielt sicherlich eine wichtige Rolle. Aber junge Menschen sind keine Magier*innen, die alle Probleme verschwinden lassen. Wir sind eben auch nur Menschen.

Die größte Herausforderung ist oft eine schlechte Kommunikation. Dies gilt sowohl bei der Analyse von Umweltproblemen als auch in allen anderen Bereichen des Lebens. Wir verstehen uns teilweise nur zur Hälfte. Wir ziehen voreilige Schlussfolgerungen. Wir lassen bewusst oder unwissentlich einige wichtige Aspekte aus oder wählen schlechtere Formulierungen. Das ist alles menschlich, doch Konflikte können wir am effektivsten vermeiden, indem wir uns bewusst für eine bessere Kommunikation einsetzen.
Im Folgenden möchte ich auf einige Wörter hinweisen, deren Verwendung häufig zu Missverständnissen führt oder deren Bedeutung in gewisser Form unangenehm geworden ist. Immer wenn ein solches Wort auftaucht, welches auf eine leicht beunruhigende Weise verwendet wird, ist es sinnvoll, über dessen Gebrauch nachzudenken. Dafür kann man sich sowohl vom Wörterbuch als auch von der Kommunikation mit anderen inspirieren lassen. Es ist auch schön, selbst zu denken.

Wer ist jung?

Immer wenn das Wort „jung“ in einem Text oder Projekt fällt, runzle ich die Stirn. In einigen Projekten der Europäischen Union umfasst der Status “jung” Menschen zwischen 18 und 35 Jahren. 35 ist doch alt? Kinder sind also nicht jung? Ein extremeres Beispiel ist die Akademie für junge Wissenschaftler:innen (estn. Noorte Teaduste Akadeemias), in der Wissenschaftler:innen bis zu einem alter von 41 Jahren als jung definiert werden. Die bürokratisch festgelegte Bedeutung für „jung“ ist etwas albern, wird aber dennoch häufig verwendet. Und es kann dazu führen, dass jungen Menschen mit Trotz begegnet wird.
Aus emotionaler und sozialer Sicht könnte doch jeder, der sich selbst als solches definiert, jung sein. Das Alter der Seele kann das im Reisepass angegebene Alter auch übersteigen. Es gibt ein weit verbreitetes Sprichwort: „Männer werden nie erwachsen.“ Vielleicht sind alle Menschen jung? Und dann wären alle Menschen Umweltretter:innen? Aber wen soll man dann noch kritisieren?

Umwelt ist ein überstrapaziertes Wort

Umwelt ist so ein gutes, ein bequemes Wort. Es ist ausreichend breit gefächert und deckt alle Bereiche ab: das soziale Umfeld, die virtuelle und städtische Umgebung. Jede:r versteht dieses Wort. Aber auch im gleichen Sinne, wie es gemeint war?
Unter Umweltschutz versteht man wahrscheinlich Naturschutz. Ich weiß es aber auch nicht genau, weil es noch nie jemand spezifiziert hat. Im städtischen Umfeld steht das menschliche Wohlergehen im Vordergrund und das sonstige Wohlergehen der Natur spielt keine allzu große Rolle. Dieses unterschiedliche Verständnis der Umwelt führt zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen und Missverständnissen untereinander. In letzter Zeit haben die Begriffe Umweltveränderungen und Klimawandel zu Verwirrung geführt.
Der Klimawandel ist nur ein Teil aller Veränderungen, die um uns herum geschehen. Zu den Umweltveränderungen zählen auch Veränderungen im städtischen Raum, Veränderungen in der Landnutzung, das Erscheinen giftiger Stoffe in der Natur sowie alle anderen Veränderungen.
Gibt es eine Alternative zum Wort „Umwelt“? Hängt vom Kontext ab. Wenn man damit eher „Natur“ meint, könnte man nach passenden Wörtern aus der Ökologie suchen. Anstelle von „in die Umwelt“ wollen wir dann zum Beispiel weniger „in die natürlichen Biota“ (alle Lebewesen der Umwelt) oder „in die Biozönose“ (Gemeinschaft von Organismen in einem abgrenzbaren Lebensraum) eingreifen. In allen anderen Fällen aber, in denen du den Drang verspürst, das Wort „Umwelt“ zu verwenden, solltest du dir die Mühe machen, zu erklären, was du darunter genau verstehst.

Wir sind nicht alle Gretas…

Was passiert, wenn man die Wörter Umwelt und Jugend gleichzeitig verwendet? Vielen kommt das Bild von Greta Thunberg in den Sinn, die emotional und lautstark über die Zerstörung der Natur spricht. Danke liebe Massenmedien, dass ihr diese Verbindung in unseren Köpfen gefestigt habt.
Sicherlich spielten Greta und andere jüngere Menschen, die ähnlich agieren, eine wichtige Rolle beim Naturschutz. Und tun es immer noch. Dank ihnen wurden diese Themen populär und es wurden Schritte in Richtung nachhaltigerem Lebensstil unternommen. Aber sie lösten auch viele Zweifel, Meinungsverschiedenheiten und andere negative Rückmeldungen aus, da ihre Aktionen extrem wirkten.
Es entsteht der Eindruck, dass sich alle jungen Menschen große Sorgen um Natur und Klima machen. Und dass alle, denen die Umwelt am Herzen liegt, sofort beginnen, sie bis zum Äußersten zu schützen. Wenn man in Ruhe darüber nachdenkt, ist das gar nicht der Fall.

Vielleicht gibt es heute ein allgemein größeres Bewusstsein unter jungen Menschen, aber das bedeutet nicht, dass alle zu Umweltexpert:innen werden. In jedem Gebiet sollte es Personen geben, die mehr über ein Thema wissen. Und die unterschiedliche Herangehensweisen haben. Es lohnt sich auf jeden Fall, eine Person oder Organisation zu finden, der man vertrauen und der man folgen kann.
Auch das Thema Klimawandel selbst war ein recht neues Phänomen und stach aus anderen Themen heraus. Neue Technologien und die heutigen leistungsstarken Computer ermöglichten es, wissenschaftlich fundierte Vorhersagen über das zukünftige Klima zu treffen, die vorher nicht möglich waren. Dennoch wirken Klimaprognosen auf den ersten Blick wie Zukunftsvorhersagen, die viele Menschen nicht ernst nehmen. Hier kommt die Notwendigkeit einer Analyse der gegebenen Informationen ins Spiel. Skepsis gibt den ersten Anstoß, Informationen kritisch zu betrachten, aber wenn darauf eine Analyse der Informationen folgt, eröffnet sich die Möglichkeit, die Informationen wirklich zu verstehen.

Bürokratische Sprache

Es scheint, dass das Problem auch an der bürokratischen Sprache liegt. Wir verwenden sie automatisch überall. Worte, die eine weitreichende Bedeutung haben, deren Bedeutung aber gleichzeitig künstlich begrenzt wird. Zum Beispiel das Wort „grüne Wende“, Nachhaltigkeit. Je mehr die künstlich zugewiesene Bedeutung dem widerspricht, was die Menschen selbst mit dem Wort verstehen, desto aufgeladener ist das Wort. Man will noch schneller, noch höher, noch weiter. Oft werden diese Begriffe aus dem Englischen übersetzt, weshalb sie im Englischen auch etwas natürlicher zu klingen scheinen. Allerdings versteht die ältere Generation nicht so gut Englisch, was wiederum zu Missverständnissen führt. Ich denke, dass ich wieder anfangen muss, mehr alte estnische Bücher zu lesen, um zu lernen, wie man estnische Wörter bedeutungsvoller verwendet.

Immer wieder Ruhe bewahren

Spannungen in der Kommunikation entstehen durch Emotionen und Wortwahl. Wir können versuchen, unsere Worte sorgfältiger zu wählen, aber wir sollten auch unsere Reaktionen trainieren. Höflich sein und Probleme lösen. Ich empfehle, skeptisch zu sein. Nimm dir Zeit über deine eigene Skepsis nachzudenken. Lasst uns über Informationen nachdenken und uns gegenseitig unterstützen mit positiver und auch konstruktiver Kritik.

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