Ende der Staumeldungen
Stillstand in Lederhose

In Deutschland herrscht Föderalismus. Das heißt, dass die einzelnen Bundesländer in vielen Belangen eigene Entscheidungen treffen. Die Schüler*innen in Deutschland haben zu unterschiedlichen Zeiten Ferien, je nachdem, in welchem Bundesland sie leben. Und es gibt eine regionale Vielzahl öffentlich‑rechtlicher Rundfunkanstalten, zum Beispiel den Bayerischen Rundfunk, den Westdeutschen Rundfunk oder den Norddeutschen Rundfunk.

Einen landesweiten Sender gibt es auch, das ist der Deutschlandfunk. Er ging aus dem Sender RIAS hervor, dem „Rundfunk im amerikanischen Sektor“, den die US‑amerikanische Militärverwaltung nach dem Zweiten Weltkrieg in West-Berlin gegründet hatte, weil die sowjetische Seite der westlichen keine Sendezeit im zur DDR gehörenden Berliner Rundfunk einräumen wollte.

Fun fact: RIAS hieß zunächst DIAS: Drahtfunk statt Rundfunk. Aus diesem Drahtfunk also entstand der Deutschlandfunk, und am 1. Februar 2020 schaffte der Deutschlandfunk die Staumeldungen ab. Das ist an dieser Stelle relevant, weil dieses Magazin dem Stillstand gewidmet und Stau in dem Zusammenhang ein wichtiges Thema ist. Außerdem ist seit dem 1. Februar 2020 eine ganze Menge Mist passiert, und man muss sich die Frage stellen, ob das Abschaffen der Staumeldungen damit zu tun hat.

Nur die Längsten schafften es ins Programm

Die Staumeldungen, sie liefen seit 1964 vor jedem Nachrichtenblock zur vollen Stunde. Sie waren maximal 120 Sekunden lang. Da der Deutschlandfunk die Autobahnen in ganz Deutschland abdecken musste, schafften es nur die längsten Staus ins Programm. Bei Autofahrer*innen, die gerade im Norden Deutschlands unterwegs waren, lösten Nachrichten über kilometerlange Staus auf süddeutschen Autobahnen zwar schadenfreudiges Grinsen hervor, hatten ansonsten aber keinen Informationswert. Darum stuften im Sommer 2019 zwei Drittel der vom Deutschlandfunk befragten 5.328 Hörer*innen die Staumeldungen als nicht wichtig oder weniger wichtig ein. Und weg waren sie.

Auf nach Lederhose!

Wir haben sie nicht vermisst, werden sich einige jetzt sagen. Aber sie vergessen dabei, dass nicht nur die Staumeldungen verschwunden sind, sondern mit ihnen auch die Orte, die es niemals in die Nachrichten schaffen außer als Staumeldung. Hier werden nun diese Orte nochmals genannt und gewürdigt. Und unsere Leser*innen, die nicht in Deutschland leben, und die von diesen Orten noch nie gehört haben, sind aufgerufen, bei ihrer nächsten Europareise eben nicht nach Neuschwanstein, Berlin oder aufs Oktoberfest, sondern nach Wandersleben, Hannoversch Münden‑Hedemünden oder Lederhose zu fahren.

Ja, es gibt einen Ort namens Lederhose, er liegt in Thüringen und zählt 264 Einwohner. Und wenn sie ehrlich sind, müssen sich viele Staumeldungsfans eingestehen, dass sie die Meldungen vor allem so gern mochten wegen der gespannten Vorfreude, ob wohl Lederhose, die lustigste Autobahnabfahrt der Welt, dabei sein würde. Der deutsche Komiker und Musiker Helge Schneider hat den Staumeldungen ein Video gewidmet, darin würdigt er auch Lederhose. Man kann es auf der Website des Deutschlandfunks anschauen.

Und hier ist die Liste der wundervollen Orte, die mit den Staumeldungen aus den Medien verschwunden sind: