Buchkritik #4
Armin liest "Da waren Tage"

Eine Welt zwischen Traum und Wirklichkeit und ungewöhnliche Arten des Schreibens – darum geht es in Armins neuer Buchrezension für #Vorzeichen. Hier ist seine Rezension von Luna Alis Da waren Tage.

Zu sehen ist das Portrait eines jungen Mannes mit braunen kurzen Haaren, Dreitagebart und Ohrring, der auf einem Bett liegt. Oben rechts in der Ecke ist ein halbtransparentes Hashtag-Zeichen und darüber in weiß das Wort Vorzeichen zu sehen. Unten rechts in der Ecke befindet sich das Logo des Goethe-Instituts. © Armin Djamali Der 15. März wird für Aras kein normaler Tag mehr sein. In Luna Alis Debüt Da waren Tage begleiten wir einen jungen Jurastudenten Jahr für Jahr durch die Gänge seiner Stadt und seiner Fantasie – ab 2011, bis in die Zukunft. Gemeinsam mit seiner Mutter organisiert er Demos und protestiert gegen die Folter des syrischen Regimes, schreibt mit verlorenen Kindheitsfreund*innen, oder repräsentiert in skurrilen Talkshows plötzlich eine ganze Generation. Ein Jahr ergibt ein Kapitel; fast zehn Jahre begleiten wir Aras, bis zum Intermezzo, gefolgt vom träumerischen Blick in das Jahr 4020.
 


Wie der Buchtrailer verrät entwickelt sich mit Aras auch die Sprache des Romans zwischen Traum und Wirklichkeit: Vorerst unsicher, wie er seiner syrischen und kurdischen Kamerad*innen gerecht werden kann, versetzen ihn Tagträume in ihre Nähe; in Panikattacken sieht er Bombardierungen, in seiner langjährigen Freundin eine Fremde. Aras tauscht in Sätzen Subjekt und Objekt, zwingt uns in einem Kapitel, das Buch zu drehen und seine Begegnungen quer zu lesen, reiht UN-Resolutionsnummern neben die Namen von Widerstandskämpfern. Reiht Listen syrischer Offiziere zwischen die Namen ihrer Foltergefängnisse. Immer wieder kommen auch historische Kontexte hinzu, in der Ali uns Verbindungen von ranghohen Nazis in der Ausbildung des syrischen Geheimdienstes erklärt. Das Ende ergibt vielleicht den Versuch, die vielen Stimmen in Aras Kopf freizulassen, sich dem ‚Gespenst‘ der Kapitelüberschrift zu stellen. Ein Roman, der eigentlich eine Collage bildet, und ohne die vielen Abschnitte in die Fantasie für mich seinen Reiz verlieren würde.

Luna Ali begeistert besonders mit der Vielschichtigkeit ihres Debüts, die auf kluge Weise Fakten, Poesie und Prosafragmente kombiniert. Bei mir klingen vor allem die lyrischen Stellen nach, in denen Aras zugleich die Härte des syrischen Regimes und seine persönliche Suche zu verarbeiten scheint.