Buchkritik #9
Charlott liest "Gedichte einer schönen Frau"
40 Jahre nach Erscheinen liest Charlott für #Vorzeichen Guy St. Louis' Gedichte einer schönen Frau und erhält nicht nur einen faszinierenden Einblick in einen Ausschnitt Schwarzer, queerer, lesbischer Geschichte.
Das erste Mal kennengelernt habe ich Gedichte einer schönen Frau von Guy St. Louis in einer Diskussion über die ersten verlegten Bücher Schwarzer Frauen in Deutschland. Ich bin froh, das Buch für mich gefunden zu haben, aber frage mich seitdem, was die punktuelle Festlegung auf „das Erste“ bringt? Es suggeriert fälschlicherweise eine Knappheit am literarischen Schaffen, an den Ressourcen und Aufmerksamkeiten. Der Fokus auf „das Erste“ findet insbesondere für Literaturen marginalisierter Autor*innen statt. So werden dann zum einen in der Geschichte Einzelwerke herausgegriffen, oftmals aus einer Bewegungsgeschichte gelöst und diese alleinig anerkannt oder das Label „das Erste“ wird bis heute als Marketingtool eingesetzt, um ein Werk hervorzuheben (wo sich dann die Frage anschließt, ob nicht, das zweite, dritte, vierte Werk einer bestimmten Gruppe genauso Potential hat spannende Literatur zu sein).
In ihrem Aufsatz Schwarzes feministisches Denken und Handeln in Deutschland schreiben Maisha M. Auma und Sabine Mohamed auch gegen Vereinzelung an und positionieren Guy St. Louis inmitten breiterer Bewegungen und Communitys, wenn sie herausheben: „die frühen anti-heteronormativen Positionierungen in den lyrischen und performativen Arbeiten von Guy Nzingha St. Louis sind kennzeichnend für die feministische Strukturierung der Schwarzen rassismuskritischen Bewegung in Deutschland“. Die (Re-)Lektüre dieses Werkes, aber auch anderer älteren Bücher, verspricht auf vielen Ebenen gewinnbringend zu sein.
Eindrücklich beginnt direkt die Kollektion Gedichte einer schönen Frau: „sabotöre“, „redner“, „ämter“ und „arbeit“ benennt Guy St. Louis als Faktoren, die das Leben sabotieren, zerreden, verwalten und „zum ghetto machen“, dem gegenüber aber stellt die Autorin das lyrische Ich: „und ich/ geb. 31.7.57/ guy st.louis“. Mit diesem Gedicht (welches keinen Namen trägt) werden zugleich Ton, Stil, sowie einige der inhaltlichen Komponenten gesetzt. Es geht um die Selbstbehauptung und -erfahrung eines lyrischen Ichs entgegen einigen Widerständen.
Erschienen ist das Buch erstmals 1983 im Verlag Gudula Lorez, welcher erotische und feministische Literatur verlegte. Die Kollektion umfasst Gedichte auf Deutsch und einige wenige auf Englisch. Guy St. Louis widmet sich in den Gedichten Begehren und Erotik und BDSM, aber auch immer wieder Angst und Einsamkeit und ihrer Arbeit im pflegenden Bereich oftmals mit Sterbenden. Unterdrückungserlebnisse scheinen durchgehend durch, auch wenn sie selten das explizite Thema der Gedichte sind, bilden sie einen Teil des Rahmens für das Erleben des lyrischen Ichs.
Die Sprache ist oft brutal und direkt. Gewaltvolle Phantasien werden ausbuchstabiert. Dazwischen finden sich aber auch immer wieder zärtliche Töne. Die einzelnen Zeilen der Verse enthalten oft nur wenige Wort und Guy St. Louis arbeitet mit strukturellen und Wort-Wiederholungen. So entsteht ein treibender Rhythmus. Insgesamt gelingt es Guy St. Louis, durch die gesamte Kollektion ein komplexes, auch widersprüchliches Leben zu zeichnen und dafür eine eigene, eingängliche Sprache zu finden.
Gedichte einer schönen Frau über 40 Jahren nach dem ersten Erscheinen zu lesen, erlaubt einen faszinierenden Einblick in einen Ausschnitt Schwarzer, queerer, lesbischer Geschichte, aber auch Gedichte, die heute noch ansprechen, bewegen und zu Diskussionen über Gewalt, Begehren und Sprachfindungen anregen.
In ihrem Aufsatz Schwarzes feministisches Denken und Handeln in Deutschland schreiben Maisha M. Auma und Sabine Mohamed auch gegen Vereinzelung an und positionieren Guy St. Louis inmitten breiterer Bewegungen und Communitys, wenn sie herausheben: „die frühen anti-heteronormativen Positionierungen in den lyrischen und performativen Arbeiten von Guy Nzingha St. Louis sind kennzeichnend für die feministische Strukturierung der Schwarzen rassismuskritischen Bewegung in Deutschland“. Die (Re-)Lektüre dieses Werkes, aber auch anderer älteren Bücher, verspricht auf vielen Ebenen gewinnbringend zu sein.
Eindrücklich beginnt direkt die Kollektion Gedichte einer schönen Frau: „sabotöre“, „redner“, „ämter“ und „arbeit“ benennt Guy St. Louis als Faktoren, die das Leben sabotieren, zerreden, verwalten und „zum ghetto machen“, dem gegenüber aber stellt die Autorin das lyrische Ich: „und ich/ geb. 31.7.57/ guy st.louis“. Mit diesem Gedicht (welches keinen Namen trägt) werden zugleich Ton, Stil, sowie einige der inhaltlichen Komponenten gesetzt. Es geht um die Selbstbehauptung und -erfahrung eines lyrischen Ichs entgegen einigen Widerständen.
© Charlott Schönwetter
Die Sprache ist oft brutal und direkt. Gewaltvolle Phantasien werden ausbuchstabiert. Dazwischen finden sich aber auch immer wieder zärtliche Töne. Die einzelnen Zeilen der Verse enthalten oft nur wenige Wort und Guy St. Louis arbeitet mit strukturellen und Wort-Wiederholungen. So entsteht ein treibender Rhythmus. Insgesamt gelingt es Guy St. Louis, durch die gesamte Kollektion ein komplexes, auch widersprüchliches Leben zu zeichnen und dafür eine eigene, eingängliche Sprache zu finden.
Gedichte einer schönen Frau über 40 Jahren nach dem ersten Erscheinen zu lesen, erlaubt einen faszinierenden Einblick in einen Ausschnitt Schwarzer, queerer, lesbischer Geschichte, aber auch Gedichte, die heute noch ansprechen, bewegen und zu Diskussionen über Gewalt, Begehren und Sprachfindungen anregen.