Verkehrsfunk für die Schifffahrt Anker mit Kette verloren

Anker mit Kette verloren
Anker mit Kette verloren | © Mike Enerio / Unsplash

Das Radio meldet südwestliche Winde in der Deutschen Bucht: Wie Rundfunkstationen mit Seewetterberichten und Nautischen Warnmeldungen Seeleute informierten.

Ich bin mitten in Schleswig-Holstein aufgewachsen. Obwohl ich mich nie als typischer Küstenbewohner empfand, war das Meer in Norddeutschland nicht weit entfernt. Die Schifffahrt spielte in meinem Leben daher stets eine Rolle. Während des Wetterberichts wurden im Radio auch Meldungen zu den Seegebieten vor den norddeutschen Küsten übermittelt: Deutsche Bucht, westliche Ostsee und – nach der deutschen Wiedervereinigung – auch zur südlichen Ostsee. Neben der aktuellen Wetterlage und Vorhersagen gab es manchmal sogar Sturm- oder Sturmflutwarnungen.

In den regulären Radioprogrammen des Norddeutschen Rundfunks waren diese Informationen genauso regelmäßig zu hören wie Nachrichten und Verkehrsmeldungen. Darüber hinaus erinnere ich mich an sehr spezialisierte Sendungen, zum Beispiel in den frühen Morgenstunden: Seewetterbericht und Nautische Warnmeldungen. Der Seewetterbericht unterschied sich deutlich vom regulären Wetterbericht, er wurde in äußerst knapper Fachsprache präsentiert und enthielt spezifische Bezeichnungen und Werte:
 
Deutsche Bucht: Nordteil anfangs Südost um drei, sonst südwestliche Winde um drei, etwas zunehmend, zeitweise diesig, später Gewitterböen, See ein Meter.

Oder
 
Dogger: Süd bis Südwest um drei, etwas zunehmend, vorübergehend Gewitterböen, See ein Meter.

Den bestimmten Seegebieten zugeordnet, enthielt der Bericht Angaben zu Windrichtungen und -stärken, Sichtverhältnissen und Seegang.

An den Seewetterbericht schlossen sich die nautischen Warnmeldungen an. Diese wurden ebenfalls in präziser Form vorgestellt, indem zuerst das Seegebiet genannt wurde, gefolgt von der Ursache der Warnung. Anschließend folgten die genauen Angaben von Längen- und Breitengrad sowie eine Beschreibung der dort platzierten Warnsignalanlage und ein Verhaltenshinweis:
 
Deutsche Bucht: Nordfriesische Inseln. Messgerät ausgelegt auf 54 Grad 51 Minuten 18,0 Sekunden Nord, 7 Grad 19 Minuten Ost bezeichnet durch gelbe Leuchttonne mit der Aufschrift „ODAS“, Kennung Blitz 5, gelb 20 Sekunden und liegendes gelbes Kreuz als Toppzeichen. Ausreichender Abstand erforderlich.

Die knappe und präzise Form ermöglichte es den Schiffsbesatzungen, sich auf See optimal auf mögliche Gefahren vorzubereiten und angemessen zu reagieren. In günstigen Fällen konnten dadurch Komplikationen und Ärger vermieden werden, im schlimmsten Fall konnten diese Informationen sogar lebenswichtig sein.

Besonders faszinierend waren für mich Meldungen wie „Container verloren“ oder „Anker mit Kette verloren“. Diese kamen gar nicht selten vor. In meiner Fantasie malte ich mir dazu Szenarien mit Orkanen, dichtem Regen und schwerer See aus.

Auch heute noch werden Radiowellen zur Übertragung von Seewetterberichten und Nautischen Warnmeldungen genutzt. Der Deutsche Wetterdienst betreibt in Pinneberg bei Hamburg einen Wetterfunksender, der rund um die Uhr nach einem festgelegten Schema Seewetterberichte und Warnmeldungen sendet. Anhören kann man sich diese Meldungen jedoch nicht – sie werden per Funkfernschreiben (Textübertragung) übermittelt – oder mit einem Datenübertragungsverfahren für Seekarten, das dem Fax vergleichbar ist.