Das Goethe-Institut
In der Welt

Mehr als 150 Standorte hat das Goethe-Institut weltweit; manche untergebracht in historischen Bauten, andere in temporären Pop-Up-Räumen. Sie erzählen von gelebter Geschichte: Über die Jahrzehnte haben sie politische Umbrüche, Krisen und Naturkatastrophen überstanden.

Rendering des Innenhofs des neuen Goethe-Instituts Dakar.

Die Anfänge in Deutschland

Gesucht: Deutschlands Schokoladenseiten. Doch wie gibt man sich Gästen gegenüber offen, gastfreundlich und friedfertig und zeigt die Schokoladenseiten eines Landes, das nur wenige Jahre zuvor einen Krieg gegen die halbe Welt geführt hat? Man präsentiert Idylle: Kleinstadtcharme, Landluft und Fachwerk. Und so sind es kleine, süddeutsche Orte, die das Goethe-Institut in den 1950er- und frühen 1960er-Jahren für seine ersten Standorte in Deutschland auswählt.

Das Alpenstädtchen Bad Reichenhall etwa, die Dörfer Murnau und Kochel bei Oberammergau, das Örtchen Achenmühle bei Rosenheim. Hier sind – auch das spielt eine Rolle – die Unterbringungskosten für die Schüler*innen geringer. Und wo sollten die jungen ausländischen Studierenden besser Deutsch lernen als in einer Gegend, wo außer Almwiesen und Gebirgsbächen wenig Ablenkung droht? Bis Ende der 1950er-Jahre wächst die Zahl der Institute im Inland auf zwölf; insgesamt entstehen in der Bundesrepublik Deutschland in den ersten zwei Jahrzehnten nach der Gründung der Organisation rund zwanzig Unterrichtsstätten.

Die ersten Standorte
Ein Gästebuch zeugt von Austausch und Gastfreundschaft

In Höhenmoos, nicht weit von Achenmühle, treffen sich in den 1960er-Jahren junge Leute aus Alaska, Spanien oder Singapur zum Mittagessen oder zu Musikveranstaltungen im Gasthof des Ehepaars Kreidl. Über mehrere Monate waren die Sprachschüler*innen des Goethe-Instituts zu Gast, viele persönliche Beziehungen sind entstanden. Davon zeugt ein Gästebuch, in das sich die Besucher*innen eingetragen haben. „Ich gehe fort, aber mein Herz bleibt hier“, schreibt etwa eine spanische Studentin zum Abschied. Einige ehemalige Schüler*innen des Goethe-Instituts auf Deutschlandbesuch machten noch Jahrzehnte später Halt beim Ehepaar Kreidl. Vieles hat sich verändert, das Goethe-Institut Achenmühle gibt es nicht mehr, und 2021 ist Maria Kreidl im Alter von 87 Jahren verstorben. Es bleiben: Erinnerungen. Und ein Gästebuch, das Geschichten von Zusammenkunft, Austausch und Gastfreundschaft erzählt.

Das Ehepaar Kreidl präsentiert das Gästebuch mit Grüßen aus der ganzen Welt.
Deutsch lernen in Schwäbisch Hall bedeutet auch: Im Kleinen das Große erkennen.
Institutsleiterin Sabine Haupt
Sprachschüler*innen vor dem Eingang des Goethe-Instituts Schwäbisch Hall 1975. Foto: Michael Friedel Sprachschüler*innen vor dem Eingang des Goethe-Instituts Schwäbisch Hall 1975.

In den 1970er- und 1980er-Jahren passt das Goethe-Institut sein Standort-Konzept an die veränderte Nachfrage und die größere Konkurrenz durch Sprachkursanbieter wie Universitäten und Volkshochschulen an: Die neuen Unterrichtsstätten werden bevorzugt in Groß- oder Universitätsstädten wie Göttingen oder Freiburg angesiedelt. Heute ist das 1965 gegründete Institut in Schwäbisch Hall der letzte Standort, der Student*innen nicht in eine deutsche Großstadt führt. Doch darin sieht Institutsleiterin Sabine Haupt keinen Nachteil: „Unsere Kleinstadt ist aus meiner Sicht die idealtypische deutsche Stadt“, sagt sie. Und ergänzt:  „Deutsch lernen in Schwäbisch Hall bedeutet auch: Im Kleinen das Große erkennen.”

Zeit des Aufbruchs

Bereits ein Jahr nach Gründung des Goethe-Instituts eröffnet in Athen die erste Zweigstelle im Ausland, in den 1960er-Jahren nehmen die Aktivitäten jenseits der Landesgrenzen dann rasant Fahrt auf. Die Bundesrepublik gibt sich wieder weltoffen – und das Goethe-Institut als deutsche Kulturinstitution mit ihr: Auf Initiative des damaligen Leiters der Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes, Dieter Sattler, werden ab 1959 nach und nach etwa 100 bundesdeutsche Kulturinstitute, die das Auswärtige Amt und deutsch-ausländische Gesellschaften im Ausland unterhielten, an das Goethe-Institut angegliedert. Es entsteht ein flächendeckendes Institutsnetzwerk, auch in Übersee: Zu Standorten wie Athen, Brüssel, Rom, Madrid und Paris gesellen sich über die Jahre Bangkok und Buenos Aires, Tokyo und Tel Aviv, Chicago und Córdoba.

Der deutsche Botschafter Paulus von Stolzmann und Kaiser Haile Selassie bei der Eröffnung des Goethe-Instituts Addis Abeba 1962. Foto: Goethe-Institut Archiv Der deutsche Botschafter Paulus von Stolzmann und Kaiser Haile Selassie bei der Eröffnung des Goethe-Instituts Addis Abeba 1962.

Die Welt ist indes im Umbruch: In Afrika und Asien erlangen viele Kolonien nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Unabhängigkeit, in der Folge bilden sich Mitte des 20. Jahrhunderts eine Reihe neuer Nationalstaaten heraus. Das Goethe-Institut reagiert mit der Gründung von Zweigstellen in diesen Ländern: Es entstehen unter anderem Institute in Tunesien, Marokko, Ghana sowie Togo. Überhaupt wächst das Netzwerk des Goethe-Instituts in dieser Zeit rasant, zwischen 1960 und 1962 steigt die Zahl der Zweigstellen von 31 auf 81.

Straßenbahn mit Goethe-Institut-Bedruckung vor dem Goethe-Institut Prag.

Im Osten viel Neues

Auch in den 1990er-Jahren kommt es zu einer Welle von Neugründungen, dieses Mal wegen einer weltpolitischen Zäsur: Der Eiserne Vorhang fällt. Mit dieser geschichtsträchtigen Wende endet nicht nur der Kalte Krieg, ändert sich nicht nur die bipolare politische Konstellation hin zur einer multipolaren, auch kulturell eröffnet sich eine neue Welt. Das Goethe-Institut reagiert mit Unterstützung der Bundesregierung umgehend und erweitert sein Netzwerk in Richtung Osteuropa – den Anfang macht schon 1988 das Goethe-Institut in Budapest (Ungarn). Auch in weiteren Staaten der ehemaligen Sowjetunion wie Russland, Bulgarien, Lettland oder Kasachstan werden nach und nach Goethe-Institute gegründet.

Die Institutsgründungen in den sich neu aufstellenden Staaten sind für die beteiligten Mitarbeiter*innen ganz besondere Erlebnisse, bringen Herausforderungen und Erfahrungen mit sich, wie man sie wohl nur in einer solchen Zeit des Umbruchs erleben kann. Die Institutsgebäude erzählen bis heute einen Teil dieser Geschichte – wie etwa das steinerne Gebäude in Prag, das sich gleich am Ufer der Moldau in die Höhe reckt. „Ein prächtiges Gebäude, das aber noch die Ausstattung und Atmosphäre der ehemaligen Botschaft der DDR hatte“, erinnert sich die langjährige Programmleiterin Monika Loderová an den Einzug in das prominente Haus an der Uferpromenade.

Hier walteten einst deutsch-kommunistische Botschafter*innen und Politiker*innen aus der DDR; während des Prager Frühlings im Jahr 1968 gingen Scheiben zu Bruch und Hakenkreuze wurden auf die Wände geschmiert; und im Herbst 1989 wurden in den Räumen des alten Hauses Urkunden für ausreisewillige DDR-Bürger*innen ausgestellt. Bis sich das Gebäude schließlich, in den Nachwendejahren, von einem Haus der Politik in ein Haus der Kultur, der Sprache, der Verständigung wandelte: als 1990 das Goethe-Institut einzog. Es ist dieser Zauber des Gegensatzes, der die Mitarbeiter*innen des Goethe-Instituts begeisterte — und der Zauber des Neuanfangs: Hoffnung und Euphorie lagen in der Luft, „und das Gefühl, dass jetzt alles möglich ist“, so Loderová.

Eröffnung des Goethe-Instituts Prag
„Wir waren Hausbesetzer.“

„Warum gehen wir nicht in die DDR-Botschaft?“, fragte ihn seine Frau, als er auf der Suche nach einem passenden Gebäude für das neue tschechische Goethe-Institut in Prag war. „Die DDR hatte die Miete bereits bis zum 31. Dezember bezahlt, erhob aber im Grunde keinen Anspruch drauf.“ Jochen Bloss, Gründungsleiter des Instituts, überlegte nicht lange und zog mit seiner Frau in den vierten Stock des alten Hauses, in eine ehemalige Funkerwohnung; die Räumlichkeiten des Goethe-Instituts richtete er ein Stockwerk tiefer ein. „Wir waren Hausbesetzer“, so Jochen Bloss. Der Einzug kam einer Reise in die DDR gleich: Die für das Land so typischen Plastikmöbel, das DDR-Geschirr und Bleistifte, frisch angespitzt, so, als wären die Vormieter*innen eben erst aufgebrochen – das bildete die Szenerie für ihren Neuanfang.

Die Zitate stammen aus dem Buch „Das Goethe-Institut. Eine Geschichte von 1951 bis heute“ von Carola Lentz und Marie-Christin Gabriel, das im November 2021 im Klett-Cotta Verlag erscheint.

Jochen Bloss, Gründungsleiter des Goethe-Instituts Prag, im Jahr 1996.

In der Welt präsent zu sein, rund um den Globus Kultur- und Spracharbeit zu betreiben, beinhaltet immer auch das Risiko, in den Strudel politischer Umbrüche und Krisen zu geraten. Das haben nicht nur die Institute in den osteuropäischen Staaten erlebt, die sich mitten in der Wendezeit gründeten. Andere Standorte haben Bombenanschläge überstanden, wie in den 1970er-Jahren die Standorte in Paris und Madrid, die Zielscheibe linksextremistischen Terrors wurden, oder Naturkatastrophen wie das Erbeben in Chile 2010, bei dem das Institutsgebäude stark beschädigt wurde. Einige Institute mussten ihre Tätigkeit einstellen, wenn Bürgerkriege ausbrachen, wie 2012 in Damaskus (Syrien), oder 2018 in Kabul (Afghanistan), als auf die Deutsche Botschaft ein Anschlag verübt wurde. Andere konnten dagegen trotz zuweilen kriegsähnlicher Zustände weiterhin geöffnet bleiben, wie das Goethe-Institut Beirut während des Libanonkonflikts.

Eine kleine Heldengeschichte

„Die Geschichte jedes Menschen, den ich im Libanon treffe, ist die Geschichte dieses Krieges“, schreibt der Schriftsteller Michael Kleeberg in seinem libanesischen Reisetagebuch „Das Tier, das weint“. Es sind schlimme Jahre, die das kleine, zwischen Syrien und Israel gelegene Land ab 1975 erlebt, Bürgerkriegsjahre. Fast alle ausländischen Kulturinstitute schließen nach und nach ihre libanesischen Außenstellen, auch die Zentrale des Goethe-Instituts zieht ihre deutschen Mitarbeiter*innen aus Sicherheitsgründen aus der Region ab.

Doch das Goethe-Institut Beirut hält seine Türen offen – dank Simon Yussuf Assaf. Der libanesische Theologe war gerade von seinen Promotions- und Lehrjahren in Straßburg und Freiburg zurückgekehrt und hatte Verantwortung für das kulturelle Programm des Goethe-Instituts in der Park Street übernommen, als der Krieg ausbricht. Unbeirrt und trotz des großen Risikos hält er das Büro geöffnet, lädt weiter zu Veranstaltungen, bietet weiter Kulturaustausch an. „Ein Muster an Zivilcourage und Anstand”, beschreibt Kleeberg den Mitarbeiter, nachdem er ihn 2003 bei einem Besuch in Beirut kennengelernt hat. In einem Panzerwagen sei Assaf täglich über die Frontlinie, die sogenannte „Greenline“, gebracht worden, berichtet Kleeberg, auch in den heißen Phasen des Krieges, hinüber in den muslimischen Westen der Stadt, wo das Institut bis heute beheimatet ist.

Hier wird Assaf auch Zeuge davon, wie 1980, fünf Jahre nach Kriegsbeginn, ein Filmteam sein Equipment aufbaut: Volker Schlöndorff, der gerade den Oscar für seinen Film „Die Blechtrommel“ erhalten hat, wagt sich an die Verfilmung des Romans „Die Fälschung“ von Nicolas Born (1979), der in Beirut zu Zeiten des Krieges spielt. Schlöndorff wird sich später daran erinnern, wie verängstigt das Filmteam im Land ankam: die vielen Waffen, Flüchtlingslager am Straßenrand, Barrikaden auf der Autobahn, „riesige Erdwälle zwischen enthaupteten Palmen“. Doch die Räume des Goethe-Instituts gewährten ihm für einige Zeit einen Arbeitsunterschlupf: Mehrere Tage lang dreht er hier mit Bruno Ganz und Hannah Schygulla eine Szene, die nach Drehbuch in der deutschen Botschaft spielt.

Volker Schlöndorff im Interview
„So ein Thema kann man schlecht zu Hause behandeln“

Für Maren Niemeyers Film „Planet Goethe – 60 Jahre Goethe-Institut“ erinnert sich Volker Schlöndorff vor zehn Jahren an die Dreharbeiten in Beirut im Jahr 1980.

Volker Schlöndorff im Interview

Doch auch der beständigste und widerstandsfähigste Ort ist nicht unverwundbar: Die verheerende Explosion im Hafen von Beirut im Sommer 2020 richtet am Gebäude des Goethe-Instituts große Schäden an, eine Mitarbeiterin wird verwundet. Mittlerweile ist die Kollegin wieder genesen, die Suche nach einer Neuunterbringung des Instituts läuft auf Hochtouren, die Belegschaft ist temporär in ein nahegelegenes Co-Working-Space umgezogen und organisiert von hier aus Veranstaltungen und Sprachkurse – unbeirrt wie einst Simon Yussuf Assaf.

Auch viele andere Standorte hatten in der Vergangenheit das Glück, auf den Mut und die Beherztheit loyaler Mitarbeiter*innen zählen zu können. Nicht immer geht es dabei um politische Krisensituationen, sondern auch um Naturkatastrophen oder schwierige infrastrukturelle Rahmenbedingungen. So etwa 2020, als der Super-Zyklon Amphan in Indien und Bangladesch mit Windgeschwindigkeiten bis zu 185 km/h wütet, doch der Wachmann Narayan Muhuri das Goethe-Institut Kolkata vor größeren Schäden schützt. 2020 wird er für seinen Einsatz mit dem Klaus-von-Bismarck-Preis ausgezeichnet.

Pop-Up – ein Goethe-Institut zum Anfassen

Blick von der Galerie in den Innenhof des Pop Up Seattle. Foto: Goethe-Institut Blick von der Galerie in den Innenhof des Pop Up Seattle.


So wie im Goethe-Institut Prag hat man in vielen Gebäuden des Kultur- und Sprachinstituts das Gefühl, Geschichte geradezu atmen zu können. Dass sich Historie aber auch exzellent mit Modernität verträgt, lässt sich heute beispielsweise am Goethe-Institut Riga ablesen: Die 1993 gegründete lettische Niederlassung des Kulturinstituts befindet sich seit ihrem Umzug am 15. März 2021 im eleganten Hofkomplex Bergs Basar (Berga Bazārs), einer historischen Fußgängerpassage, die von 1887 bis 1900 erbaut wurde und heute zu einem der beliebtesten Einkaufsorte in Riga zählt. Doch so sehr die Umgebung auch an vergangene Tage erinnert – in den Räumlichkeiten des Instituts geht es sehr zeitgemäß zu: Die Arbeitsplätze sind flexibel gestaltet, in Kreativbüros entspinnen sich Ideen und Projekte, und Angestellte wie Studierende haben die Möglichkeit, mobil zu arbeiten und zu lernen.

Es ist unser kleines Goethe-Institut zum Anfassen.
Arabelle Liepold, Leiterin des Goethe Pop Up Seattle

Zukunftsgewandt und flexibel ist auch das Konzept, wie es derzeit unter anderem in den USA vorangetrieben wird: Wie kann man in einem Flächenland wirkungsvoll präsent sein? Macht es Sinn, sich ausschließlich auf die klassischen Metropolen wie New York, Washington oder San Francisco zu konzentrieren? Mit den Pop-Up-Instituten erprobt das Goethe-Institut eine neue Form der Präsenz, so etwa in Kansas City, Atlanta oder Seattle. Kleine, temporäre Außenstellen, die ähnlich einem Pop-Up-Store in Ladenlokalen untergebracht sind und von dort aus ein vielfältiges Programm ausarbeiten, eine kulturelle Vernetzung mit Deutschland herstellen — und in die Gesellschaft ihres Landes und ihrer Stadt hineinwirken.

Innenhof des Pop Up Seattle. Foto: Goethe-Institut Innenhof des Pop Up Seattle.

Dass es sich bei den Pop-Ups um temporäre Projekträume handelt, tue dem Erfolg keinen Abbruch, sagt Arabelle Liepold, Leiterin des Goethe Pop Up Seattle. Im Gegenteil: „Das Angebot wird durchgehend positiv aufgenommen, und unsere Besucher*innenzahlen steigen kontinuierlich.“

Das Pop-Up-Konzept hat aus ihrer Sicht viele Vorteile: So könne über die nächsten Jahre und Jahrzehnte ein flächendeckendes Netzwerk auch abseits der festen Standorte und Metropolen gespannt werden. Und auch für das Publikum sei das Konzept eine spannende Ergänzung in Seattles Kulturleben: „Das offene Raumkonzept des Pop-Ups und die Verschmelzung von Ausstellungsfläche und Arbeitsplatz löst die traditionelle Barriere zwischen Besucher*innen und Mitarbeiter*innen auf.“ Auch Besucher*innen, die vorher keinen Bezug zu Deutschland hatten, schauten neugierig vorbei und lernten mehr über die Arbeit des Goethe-Instituts. „Es gibt durch die Kulturvertretungen anderer Länder in Seattle kein vergleichbares Konzept, das die Berührungsängste dermaßen aufhebt“, ist Liepold überzeugt. Das Pop Up Seattle sei im Laufe des fast dreijährigen Bestehens zur Hauptanlaufstelle für deutsche Kultur und deutsch-amerikanische Beziehungen in der Stadt geworden.

Wirkung mit Nachhall

 

Das Goethe-Institut Kairo mit Goethe-Garten.

Nachhaltigkeit vorleben

Anders als das Goethe Pop Up Seattle ist das Goethe-Institut in Mexiko-Stadt lange etabliert. Gegründet im Jahr 1966, liegt es mitten im Zentrum der stetig wachsenden Millionenstadt. Dass auch hier kreativ gearbeitet wird und man sich den wichtigen Zukunftsfragen stellt, können Besucher*innen schon von außen erkennen: Das Goethe-Institut in Mexiko-Stadt umgibt eine Greenwall – statt Betonmauer viel Moos und Farne, ein Hauch Frischluft umweht Passant*innen in der stickigen Stadt.

Viele der Instituts-Standorte wollen schon an ihren Gebäuden zeigen, dass Nachhaltigkeit und Klima für die Goethe-Institute zentrale Themen darstellen. Kaum ein Anliegen ist gerade dringlicher als jenes, über eine Welt nachzudenken, die auch in Jahrzehnten noch lebenswert ist. Viele Standorte wie beispielsweise Alexandria (Ägypten), Bukarest (Rumänien), Bogotá (Kolumbien) oder Mumbai (Indien) betreiben unter dem Projektnamen „Goethe-Garten“ eigene kleine Naturparzellen. Hier werden Ginkgobäume gepflegt, Erdbeeren geerntet, Bienen und andere Insekten angelockt und in Vorträgen und Workshops Wissen über Gartenarbeit vermittelt. Auch Ausstellungen und Kunstprojekte finden in den Gärten statt.

Weitere Institute, die weitsichtig vorangehen, sind die Niederlassung in Bangkok (Thailand), die sich – in einem Land, dessen Strände von kilometerlangen Plastikmüllteppichen bedroht sind –, der Kein-Plastik-Maxime verschrieben hat, und das Goethe-Institut in Amman (Jordanien), das seinen Strom fast komplett aus Solarenergie bezieht. Dank der vielen Sonnenstunden im Jahr kann es mit seiner mobilen Solaranlage auf dem Dach 95 Prozent des Stromverbrauchs decken – und so Stromkosten einsparen. Auch die Standorte Accra (Ghana), Seoul (Korea), Bangalore und Chennai (Indien) produzieren eigenen Solarstrom, Helsinki (Finnland) nutzt ausschließlich Windkraft für den hauseigenen Energieverbrauch.

Weltweit setzt sich das Goethe-Institut in zahlreichen Sprach-, Kultur-, Bildungs- und Informationsprojekten mit den Themen Klima und Umwelt auseinander, diskutiert in Veranstaltungen über die Entwicklung nachhaltiger Städte und klimafreundlicher Architektur. Nun hat das Institut mit seinen Mitarbeiter*innen weltweit einen Aktionsplan erarbeitet, der Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit aufführt. „Damit bauen wir bisherige Maßnahmen im Bereich der institutionellen Nachhaltigkeit aus“, erklärt Daniela Gollob, Referentin für Nachhaltigkeit am Goethe-Institut. „Ziel ist es, das Goethe-Institut klimapositiv zu gestalten sowie Nachhaltigkeit umfassend – ausgehend von den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals, SDGs) – im Innen und Außen zu leben.“

Mit den Vereinten Nationen für ein besseres Klima
Recyclingschmuck am Weihnachtsbaum

Das Goethe-Institut Bangkok begann 2018 nicht nur damit, Einwegverpackungen aus seinem Büro zu verbannen (oder da, wo gar nicht zu vermeiden, dieses zumindest kreativ wiederzuverwenden, etwa als Schmuck am Weihnachtsbaum) und Nachhaltigkeit und Umweltschutz im schulischen Deutschunterricht zu vermitteln. Thailand wird auch – sobald die dortigen Goethe-Institute nach Corona-bedingter Schließung wieder öffnen können – gemeinsam mit dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen federführend eine umfassende Nachhaltigkeitsmanagement-Strategie erarbeiten. Das Ziel: Für alle Institute der Region Südostasien, Australien und Neuseeland sollen weitere Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen umgesetzt werden.

Der Weihnachtsbaum aus alten Plastikverpackungen auf dem Weihnachtsmarkt des Goethe-Instituts Bangkok 2019.

Besonders eindrucksvoll wird sich der nachhaltige Ansatz bald im senegalesischen Dakar zeigen, wo der Architekt Francis Kéré aus Berlin das neue Gebäude für das Goethe-Institut entworfen hat – aus den Baumaterialien, aus denen Afrikas traditionelle Architektur weitgehend schon immer besteht: Lehm, Pflanzenfasern, Holz, Steine, Stroh. Jahrhundertelang wurden auf dem afrikanischen Kontinent Gebäude aus Naturmaterialien gebaut, das Problem nur: Sie halten oft weder Regen noch Wind stand. Blech und Zement konnten sich daher in den vergangenen Jahren durchsetzen, doch sind diese Baustoffe nicht klimagerecht. „Lehm ist sehr wohl ein beständiger Baustoff, man muss ihn nur richtig einzusetzen wissen“, sagt Francis Kéré. In Burkina Faso, seinem Geburtsland, hat er bereits gezeigt, wie sich aus gepressten Lehmplatten, sogenannten BTC (Brique de Terre Comprimée), ökologische Gebäude errichten lassen. Nun wird er diese Philosophie beim Bau des neuen Goethe-Instituts in Dakar umsetzen.

Das Goethe-Institut und er teilten in Sachen Klimaschutz und Nachhaltigkeit die gleichen Werte, sagt der preisgekrönte Architekt. Das Institutsgebäude soll nicht nur mit lokal verfügbaren Baustoffen hergestellt werden, es wird auch zeitgemäß und technologisch hochwertig ausgestattet sein und Platz für rund 600 Student*innen bieten. Der Plan des Architekten überzeugt auch Nachhaltigkeitsreferentin Daniela Gollob: „Es wird ein moderner Bau, der aber von lokalen Bautraditionen inspiriert ist und zugleich eine hohe Energieeffizienz aufweisen wird – das nenne ich ein zukunftsweisendes Konzept.“ Die Zukunft – in Dakar beginnt sie schon jetzt.

Autorin: Romy König