Sie leben in Südamerika. Sie lieben die deutsche Sprache. Und sie sind begeisterte Lehrkräfte. Allana Priscilla Ormeño Alcarraz aus Peru, Brandon Jhesid Porras Rodríguez aus Kolumbien und Taisy Buzanello Janku aus Brasilien nutzen jede Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln – so auch das Exzellenzpraktikum Deutsch als Fremdsprache des Goethe-Instituts.
Wer sich mit Taisy und Brandon auf Deutsch unterhält, kann kaum glauben, dass diese jungen Menschen aus Südamerika im Studium zum ersten Mal in Kontakt mit der Sprache gekommen sind. Beide wollten ursprünglich einfach mal eine andere Sprache ausprobieren und fanden das Deutsche zunächst ganz schön fremd. Doch beide haben schnell eine Leidenschaft für diese vermeintlich so hart klingende Sprache entdeckt, die vielleicht erklärt, warum sie sich heute so gewandt darin ausdrücken können. Der Kolumbianer Brandon wurde von einer Studienfreundin dazu motiviert, die deutsche Sprache zu lernen und hat sich dann entschieden, Germanistik zu studieren. Ein Grund dafür waren auch die vielen Möglichkeiten, die die deutsche Sprache bietet. Brandon bekam beispielsweise ein Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, um an einer Summer School einer deutschen Universität teilzunehmen.
Die deutsche Sprache – für die eine exotisch, für die andere vertraut
Die Brasilianerin Taisy fand es in der Schule einfach, Englisch zu lernen. Es hat sie begeistert, dass sie dadurch Menschen aus anderen Teilen der Welt kennenlernen, mit ihnen kommunizieren und in ihre Kulturen eintauchen konnte. Deshalb wusste sie früh, dass sie mit Sprachen arbeiten wollten. Für das Deutsche entschied sie sich schließlich, weil es quasi die exotischste Option an ihrer Universität war: „Deutsch ist noch weiter entfernt von meiner Muttersprache Portugiesisch als Französisch. Und ich dachte gleich: Wow, das klingt anders, das ist eine Herausforderung“, erzählt sie. Ein Beispiel: Die trennbaren Verben, die die deutschen Sätze zu umarmen scheinen. Die 24-Jährige hat an der Universität selbst einen Aussprachekurs für andere Studierende gegeben, das hat ihr großen Spaß gemacht: „Es hat eine Logik, dass im Deutschen bestimmte Laute klingen, wie sie klingen. Das macht es leichter, die Sprache zu verstehen. Und der Klang hat auch eine besondere Schönheit an sich. Dieses interessante phonetische System hat mich fasziniert und die Begeisterung bzw. Faszination für die Sprache und später ihre Literatur hat mich motiviert, mich mit dem DaF-Bereich zu beschäftigen.“
Die Peruanerin Priscilla begeistert sich ebenso wie Taisy und Brandon für die deutsche Sprache. Ihre Liebe dafür hat sie aber schon zu Beginn ihrer Schulzeit entdeckt – dank ihrem Vater, der beruflich viele Kontakte zu Deutschen hatte und seine Tochter deshalb an der Humboldt-Schule in Lima anmeldete. Letztlich war es auch die deutsche Sprache, die Priscilla nach Deutschland führte, wo sie – eher zufällig – ihre Liebe für den Lehrerberuf entdeckte: „Ich wollte eigentlich Jura studieren – wie meine Mutter. Im Nebenjob habe ich dann als Spanisch- und Deutschlehrerin gearbeitet. Dabei habe ich gemerkt, dass man die Sprache nicht perfekt beherrschen muss, um als Lehrerin zu arbeiten, sondern dass man sie vor allem vermitteln können muss.“ Heute ist die 35-Jährige als Deutschlehrerin an einer Universität tätig und möchte nie mehr etwas anderes machen. „Für mich ist Deutschland wie meine zweite Heimat. Ich kenne nicht nur die Nachrichten, sondern auch die Geschichte und die Kultur. Ich fühle mich ganz locker, wenn ich Deutsch spreche. Und es ist einfach schön, etwas beizubringen“, sagt sie. Deshalb kann sie sich gut vorstellen, auch in zehn, zwanzig oder dreißig Jahren noch als Deutschlehrerin zu arbeiten: „Das macht mich glücklich!“
Brandon und Taisy teilen nicht nur ihre Faszination für die deutsche Sprache mit Priscilla, sondern auch die fürs Unterrichten. „Ich habe nebenbei an einem Sprachinstitut als Deutschlehrer gearbeitet, weil ich Geld brauchte und dort Personal gesucht wurde. Dabei habe ich gemerkt, dass es mir Spaß macht, den Unterricht zu planen und mit den Lehrwerken zu arbeiten. Und jetzt finde ich den Beruf auch wichtig, weil ich als Deutschlehrer ein Botschafter der deutschen Kultur in der Welt bin“, erzählt der 22-Brandon. Auch Taisy war schon an verschiedenen Sprachschulen tätig. Aktuell gibt sie neben ihrem Studium an einem Universitätsprojekt Deutschunterricht für andere Studierende und Mitarbeitende, was ihr viel Spaß macht: „Die meisten Teilnehmer wollen einen Austausch an einer deutschen Universität machen und lernen Deutsch, um sich darauf vorzubereiten. Deshalb finde ich es toll, an so einem Projekt teilzunehmen: wir unterstützen die Studierenden dabei, ihre Träume zu verfolgen. Darüber hinaus lernen sie eine neue Kultur kennen, was ihnen auch sehr wichtig ist.“ Einigen Schüler*innen mache die deutsche Sprache ein bisschen Angst, weil sie so anders und vielleicht auch schwierig klingt: „Ich versuche, den Leuten diesen Schock ein bisschen zu nehmen und das Lernen für sie leichter zu machen.“
Die eigene Unterrichtspraxis reflektieren und verbessern
Die letzten vier Monate nun haben Priscilla, Brandon und Taisy gemeinsam mit siebzehn anderen Lehrkräften aus Südamerika eine ganz besondere Erfahrung gemacht: Sie hatten die Möglichkeit, von August bis November 2021 studienbegleitend am DaF-Exzellenz-Praktikum für Südamerika teilzunehmen. Das bedeutet: Sie haben im Online-Unterricht des Goethe-Instituts hospitiert, sich in Vor- und Nachbesprechungen mit einer qualifizierten Begleitlehrkraft dazu ausgetauscht, an einem Micro- beziehungsweise Teamteaching teilgenommen und nach intensiver Vorbereitung das Goethe-Zertifikat C1 oder C2 erworben. Während der Hospitationen haben sie ihren Blick mithilfe eines Fragebogens auf bestimmte Aspekte des Unterrichts gelenkt, etwa die Grammatikvermittlung, die Wortschatzvermittlung, die produktiven oder die rezeptiven Fertigkeiten und den Umgang mit den Lernenden. Auch ihre eigenen Unterrichtserfahrungen haben sie im Austausch reflektiert. Dank eines Stipendiums war das Angebot für sie kostenfrei und sie erhielten sogar eine Aufwandsentschädigung im Wert von 500 Euro.
Für die 35-jährige Priscilla war das Praktikum eine willkommene Möglichkeit, nach langjähriger Erfahrung als Deutschlehrkraft endlich auch eine formale Qualifikation dafür zu erwerben. Denn nachdem sie sich als 17-Jährige gegen das Studium in Deutschland entschieden hatte, war sie in ihre peruanische Heimatstadt zurückgekehrt. Da es dort kein Deutschlehramtsstudium gab, hatte sich Übersetzen und Dolmetschen studiert. „Vom Beobachten des Unterrichts einer anderen Lehrkraft bekam ich viele Anregungen, wie ich meine eigene Arbeit verbessern kann“, erzählt sie. Auch Taisy und Brandon sind begeistert von ihren Erfahrungen im Praktikum. „Ich versuche immer, meine Unterrichtspraxis zu verbessern und didaktische Angebote zu nutzen“, sagt Taisy. Besonders gut haben ihr die Reflexionsphasen gefallen: „Ich habe das Praktikum gemeinsam mit einer Partnerin gemacht, dabei wurden wir von einer Lehrkraft begleitet. Die Analyse von Unterrichtssituationen hat uns in die Lage versetzt, in die Beobachtung zu kommen und zu überlegen, wie wir auch unsere eigene Praxis verbessern können. So gestalten wir unseren Unterricht bewusst und sinnvoll“.
Es war Taisys Betreuerin an der Uni, Dr. Natalia Corrêa Porto Fadel Barcellos, die ihr das Praktikum empfohlen hat. Sie hat als Studentin selbst an der Deutschlehrer-Ausbildung des Goethe-Instituts teilgenommen und hält das Exzellenzpraktikum für eine gute Alternative: „Für mich war es damals wichtig, dass ich in Praktika und Hospitationen selbst aktiv werden konnte und dabei in Vor- und Nachbesprechungen von einer Mentorin begleitet. Für unsere Student*innen ist das auch eine tolle Möglichkeit. Denn normalerweise machen sie ihre Praktika im Bereich Fremdsprache Englisch, weil es nicht so viel Deutschunterricht gibt. Und das Goethe-Institut bietet, was die Materialien, die Lehrkräfte und den Austausch zwischen ihnen und den Studierenden angeht, die besten Bedingungen, die wir hier in Brasilien im Bereich Deutsch haben können.“
SOS – wie Deutschlerner*innen selbständig Grammatik entdecken
Pandemiebedingt fand das Praktikum online statt. Dadurch waren die Teilnehmenden flexibler und sie hatten die Möglichkeit, sich intensiv mit dieser besonderen Form des Deutschunterrichts zu befassen. Die drei Praktikant*innen hätten sich dennoch auch Präsenzphasen gewünscht – und noch mehr Zeit. „Wir haben es geschafft, uns in nur vier Monaten mit vielfältigen Aspekten des Deutschunterrichts zu beschäftigen. Aber wir hätten trotzdem gerne noch weitergelernt“, sagt etwa Taisy. Auch Brandon, der seit dem ersten coronabedingten Lockdown nur noch als Privatlehrer Deutsch unterrichtet, sieht viele Vorteile in dem Exzellenzpraktikum: „Um ehrlich zu sein, habe ich dabei zu viel gelernt, weil ich erst in diesem Moment die Möglichkeit hatte, die ganze Theorie in die Praxis umzusetzen“. Als Beispiel nennt er die Grammatikvermittlung: „Ich selbst habe Grammatik gelernt, indem ich mir angehört habe, wie meine Lehrerin*innen die Regeln erklärt haben. Anschließend wurde das dann geübt. Die Lehrkräfte am Goethe-Institut arbeiten nach dem Prinzip sammeln, ordnen und systematisieren. Das heißt, sie sprechen selbst fast gar nicht, sondern sie lassen die Lernenden die Regeln selbst entdecken und reagieren nur auf deren Vermutungen. Das finde ich unglaublich“. Dass er so sehr von dem Praktikum profitieren würde, habe er nicht zu hoffen gewagt – obwohl er wusste, dass das Goethe-Institut einen sehr guten Ruf hat und dass er dort sehr viel lernen würde. „Das Praktikum eröffnet uns vielfältige Möglichkeiten, an unterschiedlichen Sprachschulen zu arbeiten.“ Priscilla plant jetzt, in ihrer Heimatstadt eine Gruppe zu gründen, in der Deutschlernende sich gemeinsam mit Grammatik und Landeskunde beschäftigen und auch kleine Theaterübungen durchführen, um sich mit der deutschen Sprache und Kultur zu beschäftigen: „So kann ich die Erfahrungen aus dem Praktikum weitergeben“.