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Bildungssysteme während COVID-19
Die Corona-Pandemie in den USA: Lehrkräfte berichten

Klassenraum während COVID-19
Klassenraum während COVID-19 | © Adobe Stock

Die Konsequenzen der Pandemie haben die Bildungssysteme in allen Ländern der Welt vor eine noch nie dagewesene Herausforderung gestellt. In den USA, die vom Virus besonders stark betroffenen sind, trafen die Lehrkräfte und Schüler*innen die Auswirkungen hart. Wird sich der Unterricht nachhaltig verändern?

Von Andrea Pfeil

Die Krise fördert Ungleichheiten zutage

Laut einer Studie von commonsensemedia sagten 4 von 10 Teenagern in den USA, dass sie seit dem Beginn der Coronakrise nicht oder nicht regelmäßig am Online-Unterricht teilnahmen. Zwar wurden nur 800 Schüler*innen an öffentlichen Schulen befragt, aber eine Tendenz ließ sich für die USA hier trotzdem ablesen.

Alysha Holmquist Posner © Alysha Holmquist Posner So auch die Aussage von Alysha Holmquist Posner, einer Lehrkraft an der Enumclaw High School in Washington auf die Frage nach den unmittelbaren Veränderungen ihres Unterricht durch die Coronakrise.

„Diese Krise hat Ungleichheiten zutage gefördert, die wir davor womöglich nicht so leicht gesehen hätten. Schüler*innen in schwierigen Lebenssituationen haben unter Umständen nicht den nötigen Internetzugang, um weiterhin am Unterricht teilzunehmen, oder sie leben (wie das hier häufig der Fall ist) in ländlichen Gebieten ohne verlässliche Internetverbindung.“ Alysha Holmquist Posner

Elementare Funktionen der Schule sind verloren gegangen

Die Krise zeigt und verstärkt die ohnehin schon großen Herausforderungen des öffentlichen US-Bildungssystems. Wichtige außercurriculare Funktionen der Schulen können durch das "Remote Learning" nicht mehr in gleichem Maße wahrgenommen werden. So auch Melanie Mello Chandler High School, Phoenix, Arizona:

 © Melanie Mello „Die aktuelle Krise macht nur noch deutlicher, dass Hürden für gerechte Bildungschancen beseitigt werden müssen. Was sich ändern muss, ist die Finanzierung und Ausstattung öffentlicher Schulen und ihrer Schüler*innen, um sicherzustellen, dass alle Lerner*innen gleichberechtigen Zugang zu elektronischen Geräten und eine verlässliche WiFi-Verbindung haben. Technologie im Elternhaus spielte bereits vorher eine entscheidende Rolle für den schulischen Erfolg (…) Viele Schulen hatten unter ihren Schüler*innen weniger als 30% Beteiligung. Schüler*innen aus Familien, die sich Computer und Internetzugang nicht leisten können, werden beides nicht haben, wenn es ihnen nicht von einer externen Organisation zur Verfügung gestellt wird. In diesem Sinne hat es die globale Gesundheitskrise dem Großteil meiner Schüler*innen unmöglich gemacht, überhaupt irgendetwas zu tun.“ Melanie Mello

Selbst wenn die technische Infrastruktur und das familiäre Umfeld eine aktive Teilnahme am schulischen Unterricht ermöglichen, gingen in den letzten drei Monaten andere elementare Funktionen der Schule verloren.

„Ich glaube nicht, dass Online-Unterricht in Zukunft der Hauptvermittlungsweg in der Bildung sein wird, da die Kinder auch weiterhin den Großteil ihrer Bildung in der traditionellen schulischen Umgebung erhalten werden. Zumindest in den USA wir das Erfordernis, dass Kinder einen Aufenthaltsort haben, während ihre Eltern arbeiten, in absehbarer Zeit nicht verschwinden. Dazu kommt, dass die im Klassenzimmer erlernten sozialen Kompetenzen so wichtig bleiben werden wie eh und je.“ Melanie Mello

Chancen für neue Wege nach der Krise

Der soziale Kontakt ist für Schüler*innen im Alltag essentiell, der bloße digitale Austausch zum Beispiel über social media wird von den Schüler*innen häufig als nicht ausreichend empfunden. Dennoch bieten sich für den Unterricht durch die Krise auch Chancen, die gerade für den Fremdsprachenunterricht genutzt werden können.

„Die globale Gesundheitskrise hat sich auf meine Lehrtätigkeit in Form von virtuellem Unterricht ausgewirkt. Beispielsweise konnte ich per Videokonferenz Unterrichtsstunden mit „Gastredner*innen“ direkt und live aus Deutschland präsentieren, was von meinen Schüler*innen mit Begeisterung aufgenommen wurde.“ Christine Conz Moll, Fleetwood Area School District, in Fleetwood, Pennsylvania

Die Möglichkeit Muttersprachler*innen in den Klassenraum zu holen und sich mit ihnen auszutauschen, war zwar auch vor Coronazeiten schon möglich. Die Notwendigkeit mehr Vielfalt und Anreize in den Unterricht zu bringen, wurde durch die Krise notwendiger und lässt neue innovative Programme entstehen, wie zum Beispiel das virtuellen Austauschprogramm GAVE des German American Partnership Programms (GAPP), das normalerweise nur präsentische interkulturelle Austausche zwischen zwei Partnerschulen unterstützt.

Heike Wrenn © Heike Wrenn „Nie dagewesene Ereignisse und Zeiten lassen uns nach nie dagewesenen Möglichkeiten suchen. Während einem virtuellen Austausch viele der fantastischen Aspekte fehlen, die einen Schüler*innenaustausch so spannend und wertvoll machen, bietet er auch zahlreiche Vorteile, an die ich zuvor so nicht gedacht hatte…. Zudem hatten Schüler*innen, denen nicht ganz wohl dabei war, sich dazu zu verpflichten, zwei Wochen lang bei „fremden Leuten“ zu wohnen, kein Problem damit, die „fremden Leute“ in ihr Wohnzimmer zu lassen, stellten sie ihrer Familie vor und freundeten sich schnell mit ihnen an.“ Heike Wrenn, Boiling Springs High School, Boiling Springs, South Carolina

Ein wichtiger Aspekt für den Lernerfolg und die Beteiligung der Schüler*innen ist die Aufbereitung der Lernmaterialien. Weg von Übungen und Arbeitsblättern hin zu einem projektorientierten und fächerübergreifenden Unterricht, der den Schüler*innen mehrere Lernwege ermöglicht und ihnen das Lernziel transparent aufzeigt. Noch entscheidender als die Lernmaterialien ist die Betreuung durch die Lehrkraft, die kontinuierliche Unterstützung im Lernprozess, die Rückmeldung zu den bearbeiteten Aufgaben und die gemeinsame Reflexion über die Lernerfahrungen alleine oder im Klassenverband. In der virtuellen Lernumgebung wird die Funktion der Lehrkraft noch wesentlicher, ihre Aufgaben dagegen differenzierter und schüler*innenzentrierter.

Die richtige Mischung finden

Ein pädagogischer Ansatz, der diese Aspekte integriert und die Kombination aus Präsenzunterricht und virtuellem Unterricht darstellt, ist das Blended Learning oder Hybride Lernen. Schüler*innen werden online nicht alleine gelassen, eine Verzahnung der beiden Lernformen durch die Lehrkraft ermöglicht die Vorteile des Präsenzunterrichts mit den digitalen Chancen zu vereinen.

„Ich würde sagen, dass ich mich auf einen Online/Offline-Lehrplan oder einen A/B-Stundenplan freue. Ich denke, wenn die Zahl der Schüler*innen im Klassenzimmer geringer ist, ist das eine großartige Möglichkeit für mehr positives Engagement, und ich freue mich darauf, dass die anderen Schüler*innen von zuhause lernen und dadurch dieses Engagement unterstützen werden.“ Heike Wrenn

Das zweite Schulhalbjahr war für Schüler*innen und Lehrkräfte und für das gesamte Bildungssystem in den USA sehr schwierig. Auch im Herbst wird voraussichtlich kein regulärer Präsenzunterricht mit allen Schüler*innen stattfinden können, so dass neue Inhalte und vor allem auch methodische Konzepte gefordert sind, die das Lernen im Klassenverband mit dem Online-Lernen kombinieren und den Schüler*innen die Chance bieten, sich Wissen selbstständiger aber mit Anleitung und Betreuung in einem sozialen Umfeld zu erarbeiten.

„Ja, ich glaube, dass sich das Bildungswesen für immer verändert hat. Ich denke, diese Situation erlaubt uns, Möglichkeiten für das Lernen mit umgedrehtem Unterricht und neue Einsatzmöglichkeiten von Technologie in unseren Klassenzimmern zu sehen. Ich gehe davon aus, dass uns der Blended-Learning-Ansatz erhalten bleiben wird, wenn wir im Herbst in die Schulen zurückkehren.“ Alysha Holmquist Posner

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