Zeit: 20.04.2019, 15:30 – 18:30
Ort: Goethe-Institut China
Gäste: Martin Valdés-Stauber (Münchner Kammerspiele, Dramaturg), Kim Jisun (Künstlerin), Li Jianjun (Theaterregisseur), Marco Donnarumma (Performancekünstler, Regisseur, Komponist), Nunu Kong (Choreografin, Produzentin, Performancekünstlerin)
Moderation: Chen Ran (Theaterregisseurin, Kritikerin)
Sprache: Chinesisch und Englisch mit simultaner Übersetzung
Eintritt frei
Der Fokus dieser am 20. April 2019 im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Staging the Digital Age – Theatre in the 21st Century“ im Goethe-Institut China stattfindenden Diskussion liegt auf dem Diskurs in der zeitgenössischen darstellenden Kunst zu Themen wie Maschinen, Körper, künstliche Intelligenz und ihre Wechselbeziehungen. Das in zwei Sessions aufgeteilte Gespräch ermöglicht es Theatermacher*innen und Künstler*innen, ihre Arbeiten sowie ihre persönlichen Beobachtungen zu dieser Thematik zu präsentieren. Der zweite Teil der Diskussion rückt das Projekt „ALIA: ZŬ TÀI“ in den Mittelpunkt und beschäftigt sich vorwiegend mit dessen Konzeption und Entwicklungsprozess.
Teilnehmende:
Martin Valdés-Stauber, geboren in Kaufbeuren, studierte Soziologie und Wirtschaftswissenschaften in München, Friedrichshafen und Berkeley. Seinen Forschungsmaster an der University of Cambridge widmete er Fragen von Flucht und Migration sowie der Stadtforschung. An den Kammerspielen arbeitete er zunächst mit Philippe Quesne („Caspar Western Friedrich“) sowie dem Regieduo Prodromos Tsinikoris/Anestis Azas („Hellas München“). In der Spielzeit 2017/18 hatte er die Produktionsleitung der Freien Gruppen inne. Gemeinsam mit Helena Eckert und Christoph Gurk kuratierte er „X Shared Spaces“ u.a. mit den Künstlern Chris Kondek/Christiane Kühl, Franz Wanner und Henrike Iglesias. Als Parcours durch drei Münchner Stadtteile erkundete „X Shared Spaces“ urbane und private Lebensräume. Dabei erforschten 24 Künstler*innen mit den Mitteln der szenischen und bildenden Künsten, wie digitale Lebensaspekte und die entsprechenden Geschäftsmodelle unseren Alltag und die Räume verändern, die wir bewohnen. Zuletzt folgten Zusammenarbeiten mit Stefan Kaegi („Unheimliches Tal“) und Rabih Mroué („Kill the Audience“). Seit der Spielzeit 2018/19 ist Martin Valdés-Stauber fester Dramaturg an den Münchner Kammerspielen.
Jisun Kim: Können wir unser System grundlegend überdenken? Diese Frage bildet den Kern von Jisun Kims Arbeiten. In einer früheren Version von „Climax of the Next Scene“ (2016) zeichnet die Künstlerin und Regisseurin die Veränderungen unsere Wahrnehmung der Welt nach, indem sie aus der Perspektive einer „Armchair Anthropology“ Online-Games und Reiseerfahrungen der realen Welt einander gegenüberstellt. Auf der Suche nach einem Ausweg aus dem System entwickelte sie eine weitere Version von „Climax on the Next Scene“, um sich eine Welt außerhalb zu denken. Noch einen Schritt weiter gehend bezeichnet „Deep Present“ (2018) Outsourcing als Antriebskraft unseres Systems und betrachtet Künstliche Intelligenz als dessen ultimatives Produkt. Diese Nachbildung unserer Intelligenz wird als Spiegel präsentiert, um uns mit grundlegenden und zugleich aktuellen Fragen zu uns selbst und der gegenwärtige Gesellschaft zu konfrontieren.
Li Jianjun, Theaterregisseur, lebt und arbeitet in Peking. Er ist Gründer des Ensembles New Youth Group (2011). In den letzten Jahren erfuhr seine künstlerische Arbeit aufgrund ihrer kritischen Positionen sowie ihrem Experiment mit der Theaterästhetik öffentliche Aufmerksamkeit und kontroverse Diskussionen. Zu seinen Arbeiten zählen „The Man Who Flies to the Sky“ (2015), „25,3 KM“ (2013), „One Fine Day“ (2013), „A Madman’s Diary” (2011) sowie „Popular Mechanics” (2018).
Marco Donnarumma (*1984 in Neapel) arbeitet als Performance-Künstler, Regisseur, Komponist und Wissenschaftler. Seit Anfang der 2000er Jahre verbindet er zeitgenössische Performance, Medienkunst und elektronische Musik, um den menschlichen Körper zu erforschen. Er ist bekannt für performative Arbeiten, in denen der Körper zum Experimentierfeld wird, und anhand von Sound, eigens für die Stücke entwickelte KI-Robotik, Tanz und Bewegungsabläufen untersucht wird. Einzigartig und kompromisslos, sinnlich und konfrontativ, entwickelt Donnarumma seine Ausdrucksweise, indem er Rituale, Schockzustände sowie physische, psychische und kulturelle Zwänge und die damit verbundenen Machthierarchien erforscht. Mit seinem Repertoire tritt er regelmäßig in Konzertsälen, Theatern, bei Festivals und in Museen auf und seine Werke wurden bisher in 65 Ländern weltweit aufgeführt. Gewalt – wie sie der Mensch durch unmittelbares Eingreifen und technische Entwicklungen gegen seine Art und Umwelt ausübt – und dessen Sezierung stehen im Mittelpunkt der neuen Produktion. Das Stück ist eine Auftragsarbeit des Centre des Arts (FR) und des Romaeuropa Festivals (IT) und entsteht in Zusammenarbeit mit Margherita Pevere für eine Uraufführung im Oktober 2019 in Rom. Der jüngste Zyklus von Performances und Installationen mit dem Titel „7 Configurations“ konzentrierte sich auf die konfliktreichen Beziehungen zwischen künstlicher Intelligenz und Körperpolitik. Koproduziert vom CTM Festival und dem Chronus Art Center mit Unterstützung des Goethe-Instituts und der Universität der Künste Berlin werden die Arbeiten des Zyklus derzeit in Europa und Asien aufgeführt. Donnarumma erhielt zahlreiche Auszeichnungen, zuletzt den Digital Award beim Romaeuropa Festival 2018 für die Performance Eingeweide sowie bei der Bains Numériques Biennale 2018 (Performing Arts and Press Award). 2017 wurde Corpus Nil in der Sektion Digital Musics & Sound Art des Prix Ars Electronica mit einem Award of Distinction (2nd Prize) ausgezeichnet. Die Arbeit Amygdala gewann 2018 den Kunstpreis des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Rahmen des Wissenschaftsjahres 2018. Donnarumma promovierte in „performing arts, computing and body theory“ an der Goldsmiths University of London und war von 2016 bis 2018, zusammen mit dem Neurorobotics Research Lab Berlin, Research Fellow an der Universität der Künste Berlin. Seine Schriften werden bei MIT Press, Oxford University Press, Routledge, ACM und Springer veröffentlicht.
Nunu Kong begann ihre choreografische Karriere in Shanghai im Jahr 2005. Sie gründete ihr eigenes, unabhängiges Tanzprojekt „BrandNuDance“, das zu einer der innovativsten experimentellen „Performing Arts Exchange“-Plattformen Chinas geworden ist. Sie fördert den experimentellen Tanz als neues und vitales Medium in der zeitgenössischen Kunst und produziert zahlreiche internationale Tanzproduktionen, Workshops und Vorträge. Durch ihre Arbeiten entwickelt Nunu Kong eine charakteristische Ausdrucksform, indem sie mit Zeit und Raum in sowohl poetischen und illusionären Dimensionen als auch auf visueller und dramaturgischer Ebene spielt. Sie wurde mehrfach für ihre Arbeiten international ausgezeichnet, darunter von der niederländischen Doen Stiftung „Young Choreographer Project“ (NL, 2007), der Theater Talent Shanghai Cultural Development Stiftung (CN, 2008), von zwei Gluck Art Foundation Grants (2011 und 2012, US) und von dem Asian Cultural Council Fellowship (2015-2016).
http://nunu.we23.org
Chen Ran, 1987 in Fuzhou in der Provinz Fujian geboren, ist Theaterregisseurin und Kritikerin. Seit 2010 schreibt sie Artikel für zahlreiche Medien, in denen sie Kunst vorstellt und rezensiert. Im Jahr 2014 gründete sie die
Stage No More Art Group. Ihre Arbeiten als Regisseurin und Kuratorin konzentrieren sich auf Dramaturgie im Umfeld der neuen Medien. Ihre Produktion „The Moments When We Chat“ (2014) wurde von Time Out Beijing zum Stück des Jahres 2014 gewählt. Das Online-Projekt „Dee & D-1“ (2017) erhielt den Creative Award des Beijing Fringe Festivals als bestes 48 Hours V Drama.
Zurück