Gewalt gegen Tiere
Tierschutz hat in Bogotá noch einen langen Weg vor sich
In vielen lateinamerikanischen Ländern zeichnet sich in punkto Tierschutz ein ermutigendes Bild ab. In Peru, Ecuador und Uruguay gibt es Gesetze, die die Misshandlung von Tieren unter Strafe stellen, und Costa Rica liefert ein nachahmenswertes Beispiel. Auch in Kolumbien und insbesondere in Bogotá gibt es Fortschritte. Aber auch noch viele Herausforderungen.
Brother wurde im März 2014 im Tierschutzverein ADA in Bogotá aufgenommen. An seiner rechten Pfote, am Rücken und am Bauch trug er schwere Verletzungen. „Der Hund war sehr übel zugerichtet, ein unverantwortlicher Autofahrer hatte ihn angefahren“, berichtet Elisa Chávez, Leiterin eines der Aufnahmeheime des Vereins.
So wie Brother sind viele Tiere in Bogotá Misshandlungen ausgesetzt. Hundekämpfe, Stierkämpfe, Vergiftungen und physische Gewalt sind dabei die offensichtlichsten Formen, dazu kommen verbotener Tierhandel und ein untätiger Staat. Statistiken des Umweltministeriums zufolge streunen etwa 1.227.905 Tiere, darunter Hunde und Katzen, verwaist durch die Stadt.
Natalia Parra ist Direktorin der Plattform ALTO, die sich gegen die Misshandlung von Tieren einsetzt. Sie vermutet einen Zusammenhang mit der allgemeinen Gewalt in Kolumbien: „Ausgelöst durch die Migrationsbewegungen, die seit 1948 von der Gewalt verursacht werden, ist Bogotá völlig unkontrolliert gewachsen. Die Vertreibung aus den ländlichen Regionen betraf auch die Tiere, denn die Familien mussten ihre Nutztiere zurücklassen.“ Dazu komme, so Natalia, dass es zur kolumbianischen Kultur gehöre, anderen keine Rücksicht zu gewähren, am wenigsten den Verwundbarsten. „Und so“, fügt sie hinzu, „finden wir uns in einer von Schmerz und Entwurzelung gekennzeichneten Gesellschaft wieder, die den Nährboden für das Leid der Tiere liefert.“
Verantwortung für Tiere übernehmen
1984 erhob Kolumbien den Tierschutz zum Nationalstatut, um den besonderen Schutz der Tiere vor von Menschen verursachtem Leid und Schmerz zu garantieren. Darin wurden die Formen der Misshandlung, die Pflichten gegenüber den Tieren und die zuständigen Behörden festgeschrieben. Das Gesetz sah jedoch keine Bestrafung für die Misshandlung von Tieren vor. Erst 2016 wurde sie mit dem Gesetz 1774 eingeführt und den Tieren eine Behandlung als fühlende Wesen statt als Objekte zugestanden. Daneben gibt es andere institutionelle Siege zugunsten der Tiere zu feiern, wie zum Beispiel 2012 die Vorlage zum Gesetz 244, um Tiere im Zirkus zu verbieten, oder das neue Polizeigesetzbuch, das Regeln für den Besitz von Tieren und Sanktionen bei Misshandlung enthält.
Trotz dieser wichtigen Fortschritte bleibt die Schwäche der Institutionen eine der großen Herausforderungen für Bogotá – und die kolumbianische Hauptstadt steht dabei für viele Länder Lateinamerikas – um einen effektiven Tierschutz zu gewährleisten. Martha Ciro, die Vorsitzende des Vereins ADA, wendet ein, dass „in Kolumbien zwar Gesetze existieren, aber niemand sich darum kümmert, sie umzusetzen. Weder die Behörden noch die Bürger übernehmen die in den Gesetzen vorgesehene Verantwortung“.
Ein schwieriger Fall: die Stierkämpfe
So ist beispielsweise die Stierkampftradition in Bogotá ein kompliziertes Thema. Im Senat wurde ein Gesetzentwurf vorgestellt, um das Stierkampf-Fest zu verbieten. Doch es wurde nicht angenommen, da das nationale Gesetz die Stierkämpfe als „kulturelles Gut“ unter Schutz stellt. Immerhin wurden die Finanzierung der sogenannten Fiesta Brava aus öffentlichen Geldern sowie der Zutritt Minderjähriger zur „Show“ verboten. Ein Verbot der Stierkämpfe hingegen konnte laut Tierschutzaktivisten deswegen nicht erreicht werden, weil deren Profiteure mehrheitlich Bürger sind, die einer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Elite angehören.
Natalia Parra erklärt, dass, genauso wie in den Randbereichen der Gesellschaft Tiere misshandelt würden, auch „in den höheren Gesellschaftsschichten dieses Bollwerk der Stärkeren besteht, die Stierkämpfe unterstützen; viele wollen sie nicht abschaffen, weil sie sich der Machtsymbolik bewusst sind, die dahinter steht. Der Stierkampf steht für den Mann, der den Anderen bezwingt.“
Die Stierkampfarena La Santamaría in Bogotá ist geschlossen, seit 2012 der ehemalige Bürgermeister Gustavo Petro diese Art von Shows verbot. 2014 entschied jedoch das kolumbianische Verfassungsgericht, dass es dem Distrikt nicht zustehe, das Stierkampffest abzuschaffen, und ordnete für 2017 die Wiedereröffnung an. Clara Sandoval, die Leiterin der Tierschutzbehörde des Distrikts Bogotá erklärt, dass eine Wiedereröffnung der Arena auf Anordnung des Gerichts nicht dazu verpflichte, mit dem Stierkampf einverstanden zu sein. „Wir werden alles Nötige tun, um die Menschen vom Besuch und der Teilnahme an den Stierkämpfen abzubringen“, bekräftigte sie.
Ein neues Bewusstsein?
Wie Sandoval erklärt, gehöre es zu den politischen Absichten der neuen Regierung von Bogotá, das Zentrum für Wildtiere Centro de Fauna Silvestre neu zu errichten sowie das Tierheim Casa de los Animales nach den Plänen der Vorgängerregierung zu bauen. Man hoffe Bildungskampagnen zum Tierschutz durchführen zu können und mindestens 320.000 Tiere zu sterilisieren. Außerdem soll der Handel mit Tieren in der Stadt gesetzlich geregelt werden. Neben diesen Initiativen ist es allerdings besorgniserregend, dass der neue Bürgermeister von Bogotá, Enrique Peñalosa, im Waldschutzgebiet Thomas van der Hammen Wohnhäuser bauen möchte. Sollte der Plan gebilligt werden, wäre der Lebensraum der Wildtiere dort beeinträchtigt.
All das bereitet vielen Bürgern Sorge. Und so scheint es, dass in Bogotá ein neues Bewusstsein für den Tierschutz aufkeimt. Martha Ciro beobachtet, dass „die große Mehrheit der neuen Generationen versucht, rücksichtsvoll mit der Umwelt umzugehen. Die Sensibilität für das Schmerzempfinden und das Mitgefühl gegenüber Tieren ist größer geworden.“ Wegen dieses neuen Bewusstseins bekommen Lebewesen wie Brother eine zweite Chance. Nach einem Jahr der Genesung sind die Wunden des Hundes verheilt. Er wurde adoptiert und hat bereits seit einem Jahr ein neues Zuhause. Zwischen 2012 und 2015 wurden in Bogotá über 5.000 Tiere zur Adoption freigegeben.
In der kolumbianischen Hauptstadt genauso wie in einem großen Teil Lateinamerikas, ist es noch ein langer Weg, bis Tiere ausreichend respektiert und geschützt werden, aber auch bis das Bewusstsein dafür groß genug ist, wie Natalia Parra von der Plattform ALTO betont: „Wenn wir uns zu einer würdigen Spezies entwickeln wollen, müssen wir das zusammen mit den Tieren tun.“ Aber es gibt schon wichtige Anzeichen dafür, dass viele Bewohner der Region verstanden haben, dass der Respekt gegenüber anderen Lebewesen unsere Würde als Menschen ausmacht.