Drei Stadtgärten in Bogotá
Wo Großstädter gärtnern
In Bogotá wird immer mehr Gartenerde beackert. Die urbane Landwirtschaft produziert gesunde Lebensmittel und fördert das Umweltbewusstsein. Wir haben drei Stadtgärten besucht, die zeigen, wie in Bogotá auch die Natur einen Platz bekommt.
Der urbane Gartenbau dient in den modernen Städten der ökologisch nachhaltigen Lebensmittelproduktion. In Grünanlagen, auf Balkonen, Terrassen oder ungenutzten Gemeinschaftsflächen wie brachliegenden Grundstücken sprießen die Stadtgärten aus dem Boden. Die Idee der urbanen Landwirtschaft geht auf Zeiten der Wirtschaftskrise oder des Kriegs zurück, in denen die Bevölkerung dadurch ihren knappen Speiseplan ergänzte; sie ist aber auch auf das Verlangen der Zivilgesellschaft nach grüner Natur zurückzuführen, während die Städte unaufhaltsam weiter wachsen.
Im Falle Bogotás wird die urbane Landwirtschaft außer zur Lebensmittelversorgung zu Bildungs-, Umwelt-, Erholungs-, Therapie- und Gemeinschaftszwecken genutzt. Der Wunsch, einen Garten zu schaffen, hat oft auch mit der Sorge um die Qualität der Lebensmittel zu tun, die heutzutage durch Gentechnik verändert, in Massen und unter den Bedrohungen des Klimawandels produziert werden. In Bogotá gibt es bereits unzählige solcher inoffizieller Gärten, die für viele zum Treffpunkt, zu einem Ort kultureller Aktivität und der Auseinandersetzung mit Umweltfragen geworden sind. Wir haben drei dieser Gärten besucht, die jeder auf seine Art zeigen, dass in der Millionenstadt Bogotá, neben Fahrzeugen und Betonblocks auch Platz für die Begegnung mit der Natur vorhanden ist.
Ein Dach voller Gemüse
Im elften Stock des Gebäudes der nationalen polizeilichen Rentenkasse Casur befindet sich ein wahres Paradies für Salate, Koriander, Petersilie und Zwiebeln. Es ist ein Dachgarten mitten im Zentrum von Bogotá. Denn der Polizeimajor Felix Vera, Sekretär des Casur-Direktors, wollte lieber auf die urbane Landwirtschaft und Recycling setzen als auf den grauen Zement dieser Terrasse, die fast sechzig Jahre lang nackt geblieben war.257 Autoreifen sowie Styroporkisten, Farbdosen und Limonadenflaschen dienen als Blumentöpfe für die Pflanzen in diesem Garten: von Sonnenblumen und Kürbissen bis zu Erdbeeren und Küchenkräutern. Die Polizeipferde liefern den Mist für die Düngung und täglich statten Bienen von den Osthügeln der Stadt den Blüten einen Besuch ab, um so den natürlichen Kreislauf wieder zu schließen, der durch die Urbanisierung unterbrochen war.
„Wir verbessern unsere Lebensqualität, indem wir den Konsum ökologischer Lebensmittel befördern, und gleichzeitig benutzen wir Recyclingmaterial und schulen unsere Gemeinschaft“, sagt Major Vera, denn „Recycling und Gartenbau sind auch eine Form der Bildung“. Ziel des Projekts war es, durch die urbane Landwirtschaft pensionierte Polizisten mit Bürgern zusammenzubringen. Außerdem besteht die Hoffnung, dass die fast dreitausend Polizeimitglieder, die Opfer des bewaffneten Konflikts in Kolumbien geworden sind, aus diesem Garten produktive Kraft schöpfen können. Die Gartenarbeit soll als ein Mittel zu ihrer Rehabilitation eingesetzt werden, so die Idee. Das ökologische Engagement ist die Achse, an der sich dieser Garten ausrichtet. „Wenn wir das auf alle Gebäude in Bogotá ausweiten, würde das in gewisser Weise dazu beitragen, die Auswirkungen des Klimawandels zu bekämpfen“, denkt Major Vera, „und das ist unser Ziel: gemeinsam die Stadt und den Planeten so gestalten, wie wir sie uns wünschen.“
Mutis’ Garten
In Bogotás Botanischem Garten José Celestino Mutis (JBB) gedeiht ein so vielfältiger und prächtiger Garten, dass, hätte er ihn gekannt, derselbe José Celestino Mutis – spanischer Priester und Botaniker, der 1783 eine botanische Expedition durch Kolumbien antrat – ihn in seine wissenschaftlichen Erkundungsreisen aufgenommen hätte. Dieser Teil des Botanischen Gartens ist ein weitläufiges Terrain, das von zahlreichen Pfaden aus den Blick auf die Vielfalt der über hundert Arten von Kräutern, Heilpflanzen, Gemüse und Früchte freigibt. Wer hier spazieren geht, kann das Leben aufkeimender Samen spüren und den Duft der reifen Ernte erschnuppern.Seit 2004 leitet der JBB das Programm zur urbanen Landwirtschaft in der kolumbianischen Hauptstadt an. Wer wissen möchte, wie zu Hause und auf gemeinschaftlichen Flächen gesät werden kann, dem werden hier kostenlose Workshops und Fortbildungen angeboten. „Die Teilnehmer lernen den Boden vorzubereiten, organischen Dünger herzustellen, sich um die Pflanzen zu kümmern und ihnen schließlich beim Wachsen zuzusehen, sie zu ernten und zu verzehren“, erklärt der Koordinator des Stadtgartenprojekts des JBB, Diego Gutiérrez, und fügt hinzu: „Bei so viel Umweltverschmutzung in der Stadt interessiert es uns, wie die Menschen den ökologischen Anbau zum Vorteil für ihre Gesundheit nutzen können.“
Ein Haus zum Säen
In einem angesehenen Stadtteil im Norden Bogotás befindet sich an der Straßenecke Calle 82/Carrera 7 ein von Bäumen umsäumtes weißes Haus. In seinem Garten organisiert das Goethe-Institut die gemeinschaftliche Gartenarbeit, um den Bogotanern und Nachbarn aus dem Viertel beizubringen, wie man seine eigenen Lebensmittel erzeugen kann, alles im Hinblick auf ein ökologisches Bewusstsein.Das Haus, das an den Bauhaus-Stil erinnert, hat eine lange Geschichte. Mitte des 20. Jahrhunderts erbaut, war es zunächst ein Wohngebäude, später die Botschaft der ehemaligen DDR in Kolumbien und bis vor Kurzem der Sitz des Goethe-Instituts in Bogotá. Im Augenblick wird es renoviert und steht Nachbarn und Bürgern im Allgemeinen offen, um mitten in der Stadt ein wenig frische Luft zu atmen und den Gärtner in sich aufzuspüren.
Zu konsumieren, was wir säen, „ist, zur Erde zurückzukehren, auf dem Weg innezuhalten und aufzuhören wie ein Automat zu denken, um zu verstehen, woher unser Essen kommt“, erklärt Diana Lara, Forstingenieurin und Freiwillige des Projekts. Gewürz- und Heilpflanzen, Erdbeeren, die der Maracuja verwandten Curubas, Paprika, Kopfsalat und Brokkoli sind nur einige der Pflanzen, die hier angebaut werden. Der Garten ist kreisförmig angelegt, es gibt einen Bereich zur Wurmkompostierung, ein Saatbeet und eine Kompostanlage. Die Direktorin des Goethe-Instituts, Katja Kessing, erklärt, dass dieser Raum allen Menschen in Bogotá offensteht, „es braucht nichts als die Bereitschaft, dieser Gemeinschaft beizutreten. Alle, die etwas beitragen oder lernen wollen, sind willkommen.“
Yoga und nachhaltige Märkte gehören zu den Angeboten des „Bildungs- und Gemeinschaftsgartens Casa 82“. Ricardo Guzmán, ein Nachbar, bestätigt: „Gesündere Lebensmittel auf den Tisch zu legen, zu wissen, woher sie kommen und die Möglichkeit zu haben, das gesamte Stadtklima zu verbessern, ist fantastisch.“
Die Ernte
Die urbane Landwirtschaft bietet nicht nur Unabhängigkeit, was Lebensmittel angeht, sondern sie fördert auch das Wohlbefinden des Individuums und lässt das soziale Netz neu zusammenwachsen. In Bogotá gibt es viel Erfahrung mit Stadtgärten, sie integrieren Bevölkerungsteile wie Mütter, die für ihre Familien sorgen, studentische Gemeinschaften, Menschen mit Behinderung und Jugendliche mit Drogenproblemen.Am 27. August des letzten Jahres wurde mit dem Abkommen 605 ein Dokument unterschrieben, das die Grundlagen schafft, um das Programm für urbane und preisgaben agrarökologische Landwirtschaft in Bogotá zu institutionalisieren. Es ist der bislang größte Beitrag von juristischer Seite zu diesem Thema. Die Einwohner Bogotás säen und ernten bereits ihre Früchte: gesunde Lebensmittel, Umweltbewusstsein und ihre neu entdeckten bäuerlichen Wurzeln.