Monaliesa Leipzig
„Diese Bibliothek ist für mich ein politischer Ort“
Alexandra nutzt regelmäßig die feministische Bibliothek Monaliesa im Leipziger Süden. Die Übersetzerin und Autorin hat dort einen Leseklub gegründet: Wegen ihrer Geschichte sei diese Bibliothek dafür bestens geeignet.
Ein Leseklub, in dem Romane von Frauen aus der DDR besprochen werden – die Idee dazu kam mir bei einem von der Monaliesa organisierten Ausflug nach Chemnitz. Wir waren auf den Spuren der Schriftstellerin Irmtraud Morgner unterwegs. Es stellte sich aber heraus, dass kaum jemand von uns etwas von ihr gelesen hatte. Da dachte ich, man sollte einen Leseklub gründen, der sich den bisweilen sperrigen, stark vernachlässigten Romanen von DDR-Autorinnen wie Morgner widmet.
Die Monaliesa verteilt sich auf mehrerer Räume unterm Dach.
| Foto (Ausschnitt) | © Privat
Das Bibliotheksteam der Monaliesa nahm den Vorschlag sofort begeistert auf und stellte mir nicht nur deren Räumlichkeiten, sondern auch ihre Medienkanäle zur Verfügung. Trotzdem war ich überrascht, als zum ersten Treffen rund 20 Interessierte kamen! Mittlerweile sind wir ein fester Kern von etwa 15 Frauen und Männern, Anfang 20 bis Mitte 70 Jahre alt, mit unterschiedlichsten Hintergründen. Gerade lesen wir Brigitte Reimanns Roman Franziska Linkerhand, pro zweiwöchentlicher Sitzung ein Kapitel. In den Diskussionen können sich alle mit Fragen und Thesen einbringen, und immer wieder lesen wir auch Passagen laut vor, um möglichst nah am Text zu bleiben. Dann debattieren wir über Geschlechterverhältnisse in der frühen DDR, Plattenbauarchitektur oder Authentizität als Kriterium.
Der Leseklub beschäftigt sich mit DDR-Autorinnen.
| Foto (Ausschnitt) | © Privat
Dass die Monaliesa in meinen Augen der perfekte Ort für den Leseklub ist, ergibt sich aus ihrer Geschichte als feministischer Bibliothek. Sie wurde ursprünglich 1990 gegründet, im Zuge der Bürgerbewegung zu Zeiten des Mauerfalls. Mir ist wichtig, dass es sich um eine Bibliothek von unten handelt, um eine Bewegungsbibliothek – der feministischen Bewegung und der Bewegung, die die DDR verändern wollte. Als solche hat sie für mich den emanzipatorischen Anspruch, Kämpfe sozialer Bewegungen in Literatur und Dokumenten zu wahren: Von Anfang an wurde hier auch „graue Literatur“ gesammelt, also Aufrufe, Handzettel, Protokolle von Sitzungen verschiedener DDR-Frauengruppen und vielerlei mehr. Bald steht dieses politische Archiv in digitaler Form der Öffentlichkeit zur Verfügung.
Verborgene Schätze: Das Archiv der „Grauen Literatur“ umfasst bisher unveröffentlichte Dokumente zur Frauenbewegung in der DDR.
| Foto (Ausschnitt) | © Privat
Dabei sah es schon einmal düster aus – die Monaliesa war ein Dreivierteljahr geschlossen. Doch 2014 fand sich mit dem neuen Trägerverein Lotta e.V. wieder eine Gruppe engagierter Frauen, die bei der Stadt Leipzig sogar erreichten, dass die Bibliothek nun institutionell gefördert wird. Mein erster Besuch in der Monaliesa war zur feierlichen Neueröffnung.
In die Monaliesa komme ich nicht nur zum Lesen oder Ausleihen, sondern auch, um mich auszutauschen und zu vernetzen. Das Bibliotheksteam organisiert Vorträge, Lesungen, Ausstellungen oder Tagesausflüge. Neben feministischer wissenschaftlicher Literatur, Belletristik und Zeitschriften gibt es Kinder- und Jungendbücher und Filme mit starken Heldinnen. Auch Kinder und Jugendliche sind also in der Bibliothek willkommen. Das wird zwar manchmal laut, aber ich freue mich, dass sie da sind. Diese Bibliothek ist für mich ein politischer Ort, und das heißt, sich mit Widersprüchen und unterschiedlichen Bedürfnissen auseinanderzusetzen. Das darf laut sein.
Nicht nur für Erwachsene: Die Monaliesa hat auch Kinder- und Jugendliteratur und Filme mit starken Heldinnen.
| Foto (Ausschnitt): Privat