Gespräch
Verschoben: Tod der Kunst, es lebe die Kunst!

19. Biennale Pančevo
© Kulturzentrum Pančevo

Kunstcafé

 

VERSCHOBEN AUF 2021

Rundtisch und Vorstellung des Katalogs anlässlich der 19. Biennale der Kunst in Pančevo
 
Mit:
Zita Oberwalder, Künstlerin (Österreich)
Prof. Dr. Jerko Ješa Denegri, Kunsthistoriker
Prof. Emeritus Irina Subotić
Prof. Dr. Sabine Hänsgen, Künstlerin (Deutschland)
Dr. Seraina Renz, Kunsthistorikerin (Die Schweiz)
 
Autorenteam der 19. Biennale der Kunst in Pančevo:
Dr. Ivana Bašičević Antić, Stevan Vuković, Sanja Latinović, Dr. Selman Trtovac
 
Moderiert von:
Ivana Markez Filipović, Programmleiterin und Kuratorin


Die Texte von Prof. Dr. Sabine Hänsgen und Dr. Seraina Renz, die im Katalog der 19. Biennale der Kunst in Pančevo erschienen sind, stellen bestimmte Prozesse in der Kunstgeschichte Serbiens dar, und zwar aus der Perspektive der Menschen, die diese Prozesse „von der Seite“ beobachten.
 
Seraina Renz
© Seraina Renz
Seraina Renz schreibt in ihrem Text Folgendes:
In meinem Buch geht es um Performancekunst und Konzeptkunst, die in Belgrad (Jugoslawien) in den 1970er Jahren im Studentischen Kulturzentrum (Studentski kulturni centar, SKC) entstanden ist. Drei Ansprüche liegen dem Text zugrunde: Der erste ist die (Re-)Konstruktion einer dichten Folge von künstlerischen Ereignissen in einem kulturell peripheren Gebiet Europas, die nichtsdestotrotz einen Höhepunkt in der Ära der Performancekunst darstellen. Eine zweite Aufgabe, die ich mir in meiner Forschungsarbeit gestellt hatte, war es zu untersuchen, warum welche kunsthistorischen Werte, Kategorien und Mechanismen dazu führen, dass bestimmte Praktiken den Kanon aufgenommen werden oder nicht. Der dritte Anspruch liegt darin, einen Rahmen für die Interpretation der Performances zu schaffen, der spezifisch für den von mir untersuchten Ort und Zeitraum ist.
 
Seraina Renz ist Kunsthistorikerin und Kuratorin, die sich speziell mit der modernen und Gegenwartskunst in Zentraleuropa. Sie unterrichtet an der Universität in Fribourg (Die Schweiz). Im Jahr 2018 wurde ihr Buch zum Thema Performance und Konzeptkunst in den 1970er Jahren Studentischen Kulturzentrum Belgrad. Sie promovierte an der Universität Zürich mit der Thesis „Kunst als Entscheidung. Performancekunst der siebziger Jahre am Studentischen Kulturzentrum Belgrad“, wo sie auch als Dozentin arbeitete (2016-2019).


Sabine Hänsgen
© Yuri Albert
Sabine Hänsgen schreibt in ihrem Text Folgendes:
Im Jahr 2011 war die Moskauer Gruppe Kollektive Aktionen zu Gast in der Galerie des Dritten Belgrad. Die beiden Gruppen, die in unterschiedlichen historischen Kontexten entstanden, verbindet das Interesse an der gemeinschaftlichen künstlerischen Tätigkeit. Die Kollektiven Aktionen gründeten sich in der späten Sowjetära und spielten seit den 1970er Jahren eine wichtige Rolle bei der Selbstorganisation einer alternativen Kulturszene jenseits des staatlichen Kulturbetriebs, aber auch jenseits der Marktökonomie. Das Dritte Belgrad formierte sich in einer Aufbruchssituation nach den Kriegen in Jugoslawien und war wesentlich am Wiederaufbau und an der Schaffung einer kulturellen Infrastruktur von unten, von Seiten der Künstler beteiligt. Bemerkenswerterweise entdeckten beide Gruppen Räume jenseits des Zentrums für ihre Aktivitäten. Die Kollektiven Aktionen organisierten „Reisen aus der Stadt“ in die ländliche Umgebung Moskaus – meistens auf ein leeres, weites Feld. Häufig bildete ein unberührtes Schneefeld die Bühne für minimale Handlungen, die elementare raum-zeitliche Strukturen der Wahrnehmung thematisierten und auf diese Weise die Selbstbeobachtung der Teilnehmer im Zustand der Erwartung eines Ereignisses simulierten. Das Dritte Belgrad griff zu seiner Selbstbezeichnung auf einen architektonischen Begriff zurück und baute seine Galerie nicht im historischen Zentrum (Erstes Belgrad), nicht in der sozialistischen Neustadt (Zweites Belgrad),  sondern in dem weniger entwickelten Raum am linken Ufer der Donau. Bei der Ausstellung einer Installation der Kollektiven Aktionen in der Galerie des Dritten Belgrad kam es zur Kooperation der beiden Gruppen. Die aus Texten, Fotografien und Videos bestehende Installation ermöglichte es den Ausstellungsbesuchern, sich auf eine „sekundäre" Reise durch verschiedene Schichten der Dokumentation zu begeben. Die Mitglieder der Gruppe Drittes Belgrad selbst verbrachten für ihre Aktion „Kollektiver Traum“ eine ganze Nacht im Raum der Installation. Sie wendeten die für die Kollektiven Aktionen kennzeichnende Methode der Entleerung von äusseren Zeichenwelten („leere Handlung“) auf deren eigene Dokumentation an. Dabei ging es um die Suche nach alternativen Formen der Gemeinschaftlichkeit und Einsichten in mögliche, zukünftige Perspektiven.
 
Sabine Hänsgen (1955, Düsseldorf) ist Slawistin, Medientheoretikerin, Konzeptkünstlerin, Übersetzerin und Kuratorin. Dank einem Stipendium von DAAD verbrachte sie das Jahr 1984 an der Filmakademie VGIK in Moskau. Als Forscherin und Dozentin arbeitete sie an den Universitäten in Bochum, Bielefeld, Bremen, Köln und Basel und als Gastprofesorin an der Humboldt-Universität Berlin und Universität Bremen. Seit 1984 ist sie an der Arbeit der Gruppe „Kollektive Aktionen“ sowie am Aufbau des audiovisuellen Archivs des Moskauer Konzeptualismus beteiligt. Sie ist Mitglied des Forschungsteams „Performance Art in Eastern Europe“ an der Universität Zürich.

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+381 11 4427 104 selman.trtovac@goethe.de

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