Erinnerungen
Matthias Fritsch
Im Jahr 2009 gründeten wir, der Musiker Marco Brosolo, Produzent Federico Bassetti und Filmemacher Matthias Fritsch, die Plattform für zeitgenössischen Stummfilm Moving Silence. Wir wohnten damals alle in Berlin und wollten die einzigartige Poesie zurück auf die Bühne bringen, die der Stummfilm als eigene Art des Kinos besitzt und die heutzutage durch die Dominanz des Tonfilms fast komplett aus der Filmkultur verschwunden ist. Zusammen suchten wir nach Filmemachern, die entweder stumme Filme produzierten oder deren Filme so bildgewaltig waren, dass sie rein visuell für sich stehen konnten. Viele Filmkünstler ließen sich auf das Experiment ein, ihre bestehenden Soundtracks durch eine live gespielte Ton- und Musikbegleitung zu ersetzen und gaben den Musikern dabei alle Freiheiten. So entstanden ganz neue Versionen ihrer Filme, denn letztendlich geben die Livemusiker den stummen Werken mit ihrer Interpretation und Begleitung der bewegten Bilder eine ganz individuelle Klangfarbe und -stimmung.
Als ich Achilleas Kentonis, Direktor der ARTos-Stiftung (heute ARTos House) bei einem Symposium in Prag kennenlernte, wurde der Plan gefasst, Moving Silence nach Nikosia zu bringen. Mit Unterstützung durch das Goethe-Institut Zypern konnte unsere Berliner Initiative neben den international zusammen gestellten Filmprogrammen auch jedes Jahr ein oder zwei Berliner Musiker aus unterschiedlichsten Musikgenres nach Zypern bringen. Die Bandbreite ging dabei von Robert Lippoks elektronischen Klängen über Almut Kühnes Stimmakrobatik zu Frank Gratkowskis Freejazz und vielen anderen mehr. Manche der deutschen Musiker begannen auch mit Musikern aus Zypern zusammenzuarbeiten, nachdem sie sich bei den Stummfilmkonzerten kennen und schätzen gelernt hatten. Denn eines haben alle Veranstaltungen in Nikosia gemeinsam: Ein Filmabend besteht aus fast so vielen Kurzkonzerten wie Kurzfilme im Programm gezeigt werden. So vielfältig wie die Filme und Filmgenres sind, so unterschiedlich können auch die Soundtracks innerhalb eines Programms ausfallen: neben Kyriaki Iakovidou's Kinderchor Ergo Sum spielt Tasos Stylianou experimentelle Klänge, die er gefundenen Objekten entlockt und gefolgt von einer durch Andreas Moustoukis komponierten Partitur, interpretiert durch einen Musiker aus dem zypriotischen Symphonieorchester. Wir hatten sogar schon einen mittels mit Stepptanz aufgeführten Filmsoundtrack im Programm. Diese Diversität macht den Charme und auch die Einzigartigkeit der Veranstaltungen von Moving Silence im ARTos House aus und sorgt dank der guten Verbindungen von Achilleas Kentonis in die hervorragende zypriotische Musikerszene jedes Jahr aufs Neue für überraschende Höhepunkte.
An dieser Stelle möchte ich mich sehr herzlich bei Frau Varga, Herrn Dahl und Herrn Luley bedanken, denn dank ihrer langjährigen Unterstützung und der Zusammenarbeit des Goethe-Instituts Zypern mit dem ARTos House können wir inzwischen auf elf Jahre zeitgenössischen Stummfilm in Nikosia mit immer brechend vollem Theatersaal zurückblicken.