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Goethes Pfadfinder
Dirndl, Hamburger und Panzer

Deutsch-Amerikanisches Volksfest Grafenwöhr
Deutsch-Amerikanisches Volksfest Grafenwöhr | Foto: Markéta Čekanová

Ein Besuch des Deutsch-Amerikanischen Volksfestes in Grafenwöhr – auf der größten US-Militärbasis in Europa.

Von Markéta Čekanová

„Fahr mit uns am Samstag nach Grafenwöhr, wir spielen da auf dem Volksfest. Das ist so etwas zwischen dem Prager Matthiasfest und einem Bierfest. Die größte US-Militärbasis in Europa. Viele Amerikaner und amerikanisches Essen“, so lud mich meine Schwägerin zu dem Konzert der Samba-Band ein, in der sie spielt.

Riesen-Rummel machen mir irgendwie keinen Spaß. Männer in Uniformen lösen in mir Unbehagen und Beklemmung aus. Aber die Einladung der Schwägerin kann man nicht ausschlagen. Es wird ein Abenteuer: Ich besitze keinen Pass (ich hoffe, dass für das Betreten des Stützpunktes ein tschechischer Ausweis reicht), ich habe kein Navi, noch nicht einmal eine Karte und auf Deutsch kann ich mir maximal ein Wasser bestellen. Kurz vor dem Ziel stelle ich außerdem fest, dass wir in einem Funkloch stecken.

Wir fahren auf das Areal der Militärbasis. Wir passieren renovierte Fachwerkhäuser mit weißen Kunststofffenstern. Die Quintessenz Deutschlands unter der amerikanischen Flagge. Am Eingang steht eine Warteschlange derer, die mit Taschen und Rucksäcken angekommen sind. Wir, die alles in die Hosentaschen stopfen, bis uns die Hose herunterfällt, dürfen direkt durchgehen.

Hot Dog meets Blasmusik

Den Weg säumen Verkaufsstände mit Obst in Schokolade, amerikanischen Flaggen, Schals, Baseball-Kappen und es riecht nach verbranntem Fett. Hinter ihnen auf der linken Seite ragen Vergnügungsattraktionen in den Himmel, die wohl hauptsächlich Gekreische erzeugen. Es gibt ein Riesenrad, geschätzt nur eine Nummer kleiner als das London Eye. Daneben eine Art große Wippe, dessen Konstrukteur scheinbar einen mittelalterlichen Katapult mit einer Laborwaagen gekreuzt hat. Dann gibt es noch eine Schleuder, die verrückten Willigen das Gefühl der Schwerelosigkeit ermöglicht und den Inhalt des Magens an jeder Stelle des Körpers fühlbar macht. Ich drängle mich zurück auf den Weg, von dem ich kam. Ich kaufe mir eine Banane in Schokolade und genieße die Atmosphäre, die Deutschland und Amerika kombiniert.
Amerika in Bayern – oder umgekehrt Amerika in Bayern – oder umgekehrt | Foto: Markéta Čekanová
„Die besten Hot Dogs!“, schreit der Junge vor einem Militärzelt, dass Memphis heißt. Es fehlt weder an einem Porträt des King of Rock’n‘Rolls noch an aufgehängten Vinyl-LPs. „Super Hamburger!“, so konkurriert der dunkelhäutige Mann aus Hawaii von gegenüber. Ich bin aber auf der Suche nach der Samba-Band, wegen der ich eigentlich hier bin.

Ich höre allerdings etwas anderes. Blasmusik. Genauer gesagt: bayerische Blasmusik. Ich teile Musik in drei Kategorien ein: 1) heiß geliebt, 2) ich habe nichts dagegen, 3) kann gerne verboten werden. Blasmusik gehört zur dritten Kategorie, der bayrische Ausläufer in die Kategorie 4+. Ich gehe in ein riesiges Zelt und überschreite damit plötzlich die Grenze von Amerika zu Bayern. Auf den Tischen stehen die Maß Biere und Bratwürste, dazugehörend Frauen im Dirndl und Männer in Lederhose mit Hosenträgern und Zugbrücken-Hosenschlitzen. Meine Güte, sie tragen das wirklich ganz normal in der Öffentlichkeit! Die Band ist natürlich auch kostümiert. Sie spielen etwas wie „Dort im Böhmerwald liegt die ewige Wiege meiner Heimat begraben.“ Dann lassen zwei Fünfzigjährige in kurzen Hosen mit Hosenträgern ein Lied laufen, das ich mit ein wenig Fantasie als eine Art Pop-Gassenhauer aus den achtziger Jahren identifiziere.

Panzer zum Anfassen

Ich gehe lieber weg. Ich bin auf einer Militärbasis, habe aber noch nichts Militärisches gesehen. Wo ist das denn? Ein Stück hinter der Blasmusik sehe ich glänzende Motorräder. Eine weitere Sache, die mich kalt lässt. Der ältere Besitzer einer Maschine grinst mich an und winkt, dass ich näher kommen soll. Trotz des Regens nimmt er die Jacke vom Sitz und signalisiert, dass ich mich hinsetzen soll, damit er ein Bild von mir machen kann. Vom nassen Sitz der schweren Maschine sehe ich dann auch endlich militärische Kampffahrzeuge.

Wie kann man sie am besten beschreiben? Sie sind riesig, grün und auf allen Seiten sind Menschen, die sich um sie herum tummeln, sie sich ansehen, hineinkriechen, sich fotografieren und sie erkunden. Auf dem Dach des Hubschraubers steht ein Soldat. Beim Umdrehen stellt sich heraus, dass es ein Mädchen ist. Sie holt ihr Handy heraus und fotografiert all die Menschenmassen aus dieser Höhe.
Altes Schild Altes Schild | Foto: Markéta Čekanová
Ich meide Soldaten, die Spaß am Hufeisenwerfen auf Ziele haben. Ich fotografiere das Schild, das amerikanische Soldaten davor warnt, dass sie einen Kilometer von der Grenze mit der Tschechoslowakei entfernt sind, Einreise nur mit Erlaubnis. Hamburger, Hot Dogs, amerikanisches Bier, blooming onions. Ich treffe drei Figuren aus Star Wars. Ein Stück weiter fotografiert sich Spiderman mit ein paar Kindern. Auf einem anderen Weg drängeln sich alle Piraten aus Fluch der Karibik und ein Ninja Turtle.

Ich finde mich neben einer Bühne wieder, auf der Country Dance getanzt wird. Ich bin bereit zuzugeben, dass das, was auf der Bühne geschieht, Tanz ist. Ein Bewegungskampf, in irgendeiner Weise ekstatisch, völlig frei von Choreografie. Aber warum schauen die Tänzer um Himmels Willen so unglaublich genervt? Warum tanzen sie, wenn es ihnen keinen Spaß macht?

Ich kaufe mir einen Hamburger (wenn schon Amerika, denn schon Amerika) und begebe mich zur Hauptbühne. Ich esse einen Bissen - und wenn er nicht drei Euro fünfzig gekostet hätte, wäre er im Müll gelandet. Entweder habe ich das falsche Zelt gewählt, oder die echten amerikanischen Hamburger sind ziemlich eklig. Um meine Geschmacksnerven zu beruhigen, esse ich Obst. Als ich das erste Stück Ananas zum Mund führe, entdecke ich ein T-Shirt mit dem Logo der gesuchten Samba-Band. Und nach einer Weile höre ich auch den typischen Klang der Trommeln.

Dann fahre ich zurück. Auf dem Rückweg fährt uns nicht Opa Helmut, sondern ein langhaariger Fahrer. Der Verkehr rund um die Basis hat sich verdichtet. Tausende Autos und Menschen in allen Richtungen. Es war ein schönes Erlebnis, auf Facebook kommt es bestimmt gut an. Aber ich weiß, dass ich kein zweites Mal zum Volksfest nach Grafenwöhr fahren werde. Ich sehe einfach keinen Grund dazu.

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