Initiative „Kommen und Bleiben“
Berliner Designer unterstützen Flüchtlinge
Teppiche knüpfen, Apps programmieren, Perspektiven schaffen: Die Berliner Initiative „Kommen und Bleiben“ unterstützt Flüchtlinge mit Mitteln von Designern und Künstlern. Sie gestaltet damit nicht nur Deutschlands Willkommenskultur, sondern belebt auch die Idee politscher Kunst neu.
kommen&bleiben, Co-Design workshop
| Foto: kommen&bleiben, 2014
Kriege, Terror, Verfolgung und Not in der Welt führen dazu, dass mehr und mehr Menschen auch in Deutschland Zuflucht suchen. Für Rik Watkinson, Student an der Kunsthochschule Weißensee in Berlin, ist das Thema aktueller denn je. „Da liegt die Frage nah, was wir als Designer tun können, jenseits von Demonstrationen und politischen Aktionen.“ Die Antwort: Unterstützt von ihren Professoren gründeten Studierende der Fächer Visuelle Kommunikation, Produkt-, Mode- und Textildesign 2013 die Initiative „Kommen und Bleiben“. „Als Künstler und Designer wollen wir Deutschlands Kultur des Willkommens gestalten, zusammen mit Geflüchteten“, sagt Watkinson und erläutert die Prinzipien: „Wir sind keine Helfer. Und Geflüchtete keine Opfer. Wir laden sie auf den Campus ein, damit wir voneinander lernen können.“
kommen&bleiben, Bermudagarten-Kickoff
| Foto: kommen&bleiben, 2015
Ob nun Produkte oder soziale Prozesse gestaltet werden – in jedem Fall ist das richtige Handwerkszeug wichtig. Das mussten die Studierenden angesichts von Sprachbarrieren und Kommunikationsschwierigkeiten sowie bürokratischer und rechtlicher Hürden erst entwickeln – und sich klar machen, dass die Lebensrealitäten von Flüchtlingen aus Syrien und dem Iran, aus afrikanischen Staaten oder Balkanländern jeweils ganz unterschiedlich sind. „Wir haben gelernt, Rollen und Aufgaben zu verteilen, uns Knowhow von außen zu holen und verbindliche Entscheidungen zu treffen“, sagt Florian Huss, einer der Initiatoren von „Kommen und Bleiben“.
Eine App für Neuberliner
kommen&bleiben, Webplattform | Foto: kommen&bleiben, 2015 Inzwischen arbeitet die Initiative an drei konkreten Projekten, eines davon ist eine Smartphone-App für Neuberliner, die praktische Antworten gibt: Wie gestaltet sich der Asylprozess? Wie eröffne ich ein Bankkonto? Wie finde ich eine Wohnung? Florian Huss hat viele Tage in einer Flüchtlingsunterkunft verbracht, um mit Hilfe der Bewohner relevante Fragen zu benennen. Seine Masterarbeit im Fach Visuelle Kommunikation will der Student über die Koordination und Finanzierung der App schreiben.Im Aufbau befindet sich außerdem das Webportal „Kommen und Bleiben“. In acht Sprachen soll die Projektplattform Berliner Flüchtlingsinitiativen vernetzen und den direkten Kontakt zueinander erleichtern. Man kann Mitstreiter und Materialien für laufende Projekte suchen oder neue Initiativen starten. Für die Programmierung ist ein Experte aus Syrien im Gespräch.
Teppiche knüpfen und Möbel bauen
CUCULA, Libreira | © Verena Bruening Erfolgreich gestartet ist die Veranstaltungsreihe SeeGewohnheiten von Geflüchteten für Studierende. Eine Iranerin, Lehrerin für Handwerkstechniken, gab zum Beispiel einen Knüpfworkshop und zeigte, wie man mit wenig Geld Teppiche von Hand herstellt.CUCULA, Gruppen-Werk | © Verena Bruening Geplant ist auch ein Workshop mit Cucula, einem Start-up für Möbeldesign. Berliner Künstler und Designer haben die Manufaktur 2013 zusammen mit fünf Flüchtlingen aus Westafrika gegründet. Die handgefertigten Stühle und Tische finden großen Anklang. Cucula stellte schon auf der Mailänder Möbelmesse, beim DMY Design Festival Berlin und im Berliner „Museum der Dinge“ aus. Die Werkstücke von Cucula beziehen sich auf das Konzept des italienischen Designers Enzo Mari, der 1974 eine für jede Person zugängliche Anleitung für Selbstbau-Möbel veröffentlichte – „soziales Design für eine bessere Gesellschaft“.
Die Berliner Möbelbauer haben die Idee zu einem neuen Modell der Integration weiterentwickelt. Es beruht darauf, Fähigkeiten und Talente produktiv einzusetzen, statt Flüchtlinge nur zu „verwalten“ und sie zur Passivität zu zwingen. Das Ziel von Cucula: Durch den Erlös aus dem Möbelverkauf und in Kombination mit Bildungsstipendien sollen die Flüchtlinge ihren Lebensunterhalt künftig selber bestreiten können.