Deutsch-tschechische Residenz
Mit Boxhandschuhen ins Kloster
Eisenbahnstrecke in der Region Broumov, Tschechien | Colourbox, #7114
Die Schriftstellerin Ika Sperling nahm an einem tschechisch-deutschen Literaturaufenthalt im Kloster Broumov teil. Ziel des kreativen Aufenthalts war es, in der inspirierenden Umgebung von Broumov einen Raum für konzentriertes und kreatives Arbeiten zu schaffen und das kulturelle Leben in Broumov wiederzubeleben: Das gelang Ika in höchstem Maße, wobei ihr nicht nur die Tastatur ihres Laptops, sondern auch ihre Boxhandschuhe halfen. Hier finden Sie Ikas Bericht darüber, was Broumov ihr gegeben (und nicht genommen) hat.
Von Ika Sperling
Angekommen zur richtigen Zeit
Ika Sperling wurde 1996 in Mainz geboren und ist in einem kleinen Dorf in Rheinland-Pfalz in aufgewachsen. Sie hat 2016 ihr Abitur am Landeskunstgymnasium Rheinlandpfalz absolviert und danach 12 Semester an der Hochschule für angewandte Wissenschaft Hamburg Illustration studiert. Ihr selbstgewählter Fokus im Studium war seit dem zweiten Semester grafische Narration und Comic. Im September 2022 hat sie ihr Bachelor Studium erfolgreich abgeschlossen. Bisher hat sie mehrere Bücher und Zines selbst gedruckt und veröffentlicht und hat bei Anthologien mitgewirkt. Seit Juni 2022 arbeitet sie an ihrem Comic Debüt, das bei Reprodukt erscheinen wird. | © Marie Becker Ich war Ende April 2023, auf meiner Hinreise nach Broumov, überrascht davon, wie pünktlich und zuverlässig die Züge in Tschechien fahren. Ich hatte meinen Rucksack mit lediglich Zeichenbrett, Block, Aquarellfarben, einem IPad Pro und ein paar Klamotten, dafür aber meiner kompletten Muay Thai Trainings Ausrüstung, mit Boxhandschuhen, Schienbeinschoner, Bandagen und Zahnschutz, dabei. Zuvor hatte ich der Ansprechpartnerin in Broumov eine verlegene E-Mail geschrieben, ob es denn rein zufällig einen Boxsack im Kloster gäbe, da ich in meiner Freizeit gerne Thai Boxen trainiere. Darauf folgte eine enthusiastische E-Mail, in der stand, dass es gegenüber vom Kloster einen Box Club gäbe und ich dort bestimmt trainieren gehen könne.Im Kloster angekommen, habe ich erstmal eine kleine Tour und dann die Schlüssel zu den großen, schweren Toren zum Klostergarten und Haus des Kochs bekommen. Die Vorstellung, abends nach Hause zu kommen und erstmal so ein riesiges Tor auf und wieder zu verschließen, hat mich komplett umgehauen.
Das fast 200 Jahre alte Haus über dem Burg- bzw. Klostergraben, in dem die Residenz liegt, ist unfassbar schön. Das Problem, dass man in der Küche nichts anbraten darf, da sonst der Rauchmelder ausgelöst werden könnte, habe ich irgendwann dadurch gelöst, dass ich die Herdplatte mit einem Verlängerungskabel nach draußen in den Hof gestellt habe und dort dann meine Zwiebelchen angedünstet habe. Zur Belustigung der Touristen im Klostergarten.
Alltag unter den Kastanien
Mein Alltag in Broumov bestand meistens darin, bis um 8 zu schlafen, zu frühstücken, unter der Kastanie vorm Haus oder bei einem kleinen Spaziergang durch den Garten Kaffee zu trinken und dann ein bisschen zu arbeiten. Zum Mittagessen ging ich meistens in das vegane Restaurant, bei dem man sich via Facebook vorankündigen muss. Es hat mir immer sehr gut geschmeckt. Wenn ich ein kleines Päuschen gebraucht habe, habe ich meinen täglichen Spaziergang gemacht und eine Limonade im Park getrunken.Die Atmosphäre in Broumov war so ruhig, dass ich oft in Versuchung war, den ganzen Tag einfach nur irgendwo rumzuliegen oder spazieren zu gehen, die Vögel im Garten oder die kleinen Fische im Bach hinter dem Supermarkt zu beobachten oder ein bisschen zu dösen. Zum Boxclub habe ich mich dann leider nicht getraut, auch wenn ich oft genug verlegen um die Halle geschlichen bin. Dafür konnten aufmerksame Besucher*innen des Klostergartens mich abends beim Schattenboxen oben, neben dem Komposthaufen, zwischen den Apfelbäumen, entdecken.
Gegen Ende meiner Zeit im Broumov habe ich ein paar kleine Zine-Workshops am örtlichen Gymnasium gegeben und war auch einmal in einer Deutschstunde des Deutsch-Leistungskurs. Da habe ich erzählt, wie begeistert ich von der tschechischen Bahn bin und nun, nach einer positiven Erfahrung, absolutes Urvertrauen in dieses System entwickelt habe. Die Schüler*innen haben mich daraufhin ausgelacht und meinten „da hast du wohl einfach nur Glück gehabt. Sonst ist hier alles immer zu spät“. Ich glaube, den meisten der Schüler*innen ist nicht bewusst, wie viel Verspätung die deutsche Bahn hat…
Alles in allem habe ich meine Zeit, die Ruhe und die schöne Natur in Broumov sehr genossen und bin dem Goethe-Institut unfassbar dankbar für diese Möglichkeit!
Das Residenzhaus im Kloster Broumov, Tschechien | Zeichnung von Ika Sperling
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