© Aufbau Verlag, Berlin, 2020
Im letzten Roman Olga Grjasnowas begleiten wir Jammaludin – den Sohn des mächtigen Imams Schamil aus dem Nordkaukasus, den man mitten im kaukasischen Krieg aber als Geisel an den russischen Zar übergibt. Jammaludin entdeckt in Russland eine neue Welt, Kultur, Sprache und plötzlich steht er zwischen zwei völlig unterschiedlichen Welten und Religionen und muss nicht nur mit dem Heranwachsen, ständiger Zerrissenheit, Sehnsucht und Liebe kämpfen, sondern wird auch in einen nicht lösbaren Identitätskonflikt gestürzt.
Olga Grjasnowa greift in ihrem Roman souverän einem historischen Stoff auf, der wirklich eine gründliche und fundierte Recherche verdiente und den die Autorin zu einer brillanten fiktiven Geschichte verarbeitet. Dabei beschäftigt sich die Autorin mit der Zwischen-Welten-Existenz und der Frage „Was ist eigentlich Heimat?“, was auch die zentralen Themen Grjasnowas früherer Romane sind.
Was mir an diesem historischen Roman Freude bereitete, war die Möglichkeit mich in eine unbekannte Welt und ihre (auch) schmerzhafte und traurige Geschichte entführen zu lassen, die Grjasnowa faszinierend bildreich und detailliert skizziert, ohne pathetisch oder nostalgisch zu sein. Obwohl es sich mehrheitlich um einen historischen Stoff handelt, werden die Themen während des Lesens immer wieder aktualisiert und vergegenwärtigt, was auch der lebendigen Sprache und Perspektive zu verdanken ist. Grjasnowas Roman Der verlorene Sohn schenkt den Leser*innen ein höchst spannendes und emotional bewegendes Lesererlebnis.
Aufbau Verlag