© S. Fischer-Verlage, Berlin, 2020
Peter Stamm, der vielfach preisgekrönte Schweizer Autor, hat mit Wenn es dunkel wird einen neuen Erzählband vorgelegt, der in elf Kurzgeschichten von Einbrüchen in die Welt des Verstehbaren und Gewohnten, wundersamen Begegnungen und dem Verlust von Gewissheiten erzählt. Wie aus Raum und Zeit gefallen begeben sich die Protagonisten mit schlafwandlerischer Sicherheit hinein in eine Anderswelt, in der ihr Handeln nicht mehr von Rationalität geleitet ist. Meist kommt der Zufall ins Spiel. So löst etwa Die Frau im grünen Mantel bei einem pensionierten Chefarzt ein Déjà-vu aus, das ihn mit seiner eigenen Gebrechlichkeit konfrontiert. In Dietrichs Knie wird von einem Paar erzählt, dem die Leidenschaft abhandengekommen ist. Da entdeckt der Mann eine frivole E-Mail auf dem Computer seiner Frau. Neugierde, Eifersucht und Rückerinnerungen an den Beginn ihrer Liebe überblenden sich und schon beginnt ein riskantes Spiel.
Die Geschichten erzählen von Grenzüberschreitungen und der Macht der Fantasie, die ihre eigenen, mitunter gespenstischen Bilder erschafft. Ausweglosigkeit ist indes keine Option – auch wenn es dunkel wird. Denn jede Bruchstelle birgt in sich einen Perspektivwechsel und eröffnet einen neuen Horizont.
Kurzgeschichten wie sie besser nicht sein könnten: pointiert, berührend und tiefgründig. Ein vortreffliches Spiel mit Genres und Erwartungen, die Peter Stamm meisterhaft zu jonglieren weiß. Die Geschichten lesen sich leicht und sind zugleich anspruchsvoll und voller Überraschungen. Lange Nachwirkzeit inbegriffen. Unbedingt empfehlenswert!
S. Fischer-Verlage