© Suhrkamp Verlag, Berlin, 2018
Die Essaysammlung Eiscafé Europa der Autorin Enis Maci bietet den Leser*innen in acht fragmentarischen Essays frische, scharfsinnige und vor allem äußerst geistreich und humorvoll geschriebene Reflexionen über die Welt, in der wir leben. In dieser Welt werden Menschen über ihre nationale Herkunft definiert, sind patriarchale und faschistische Strukturen noch immer allgegenwärtig und gewinnen reaktionäre Ideologien und identitäre politische Bewegungen an Aufschwung.
Schon der Titel der Sammlung ist doppeldeutig und weist auf die ironische Wahrnehmung Europas durch die Autorin hin – Restaurants und Konditoreien mit dem Namen Europa sind auf dem alten Kontinent äußerst beliebt, fast jede größere Stadt hat eine, und gleichzeitig weckt die Eisdiele Assoziationen von einem leckeren Dessert, suggeriert einen hohen Lebensstandard, die Möglichkeit, sich etwas Zusätzliches zu gönnen, was eine weitverbreitete Vorstellung vom Leben in Europa (oder der Europäischen Union) ist, wo angeblich Milch und Honig fließen und praktisch alle Menschen in den Genuss von allerlei Privilegien kommen sollen.
Durch eine Verflechtung von eigenen Erfahrungen, Beobachtungen, Instagram-Trends und Beispielen aus dem literarischen Kanon stellt Maci die Mechanismen der Gegenwartsgesellschaft treffend genau dar. Diese werden noch deutlicher herausgearbeitet durch Zitate aus Songs von Britney Spears – das am häufigsten auftauchende I'm not a girl, not yet a woman gibt das wohl plastischste Beispiel für den Einfluss des Patriarchats auf eine junge Frau ab – und durch Online-Kommentare sowie Abschnitte aus Wikipedia (wo die Informationen je nach Land variieren und somit die vorherrschenden Ideologien innerhalb der verschiedenen Länder klar hervortreten). Mit kühnen und präzisen, teils aber auch der assoziativen Stream-of-Consciousness-Erzähltechnik entspringenden Gedanken lässt Maci das Bild unserer heutigen Gesellschaft vorm inneren Auge der Leser*innen entstehen.
Suhrkamp Verlag