Marcin Wilk empfiehlt
Rückkehr nach Polen
Für die Reporterin Emilia Smechowski ist ihr einjähriger Aufenthalt in Polen nicht einfach nur eine weitere journalistische Hausaufgabe. Es ist vor allem eine Reise in ein Land, das sie einst verlassen musste und das sie heute aufs Neue erfahren will. Smechowski, Jahrgang 1983, verließ Polen mit ihren Eltern, als sie erst sechs Jahre alt war. Die meisten Erinnerungen an jene Zeit hat sie in ihrem Buch Wir Streberemigranten festgehalten. Der persönliche Blickwinkel des nach Deutschland verschlagenen Mädchens verflocht sich dort mit Reflexionen über das Leben von Menschen mit Migrationshintergrund.
In Smechowskis neuestem Reportageprojekt ist das etwas anders. Hauptthema ist hier Polen, gesehen durch das Prisma der Erfahrungen einer aus Deutschland hierhergekommenen Frau und Mutter. Die Erzählerin lässt sich Anfang 2018 zusammen mit ihrer Tochter in Danzig nieder, um – so die Idee der Reporterin von Anfang an – in das Alltagsleben der Polen einzutauchen. Smechowski lässt ihre Tochter den Kindergarten besuchen, vor allem aber betrachtet sie das Leben des polnischen Normalbürgers. Ob am Ostseestrand oder im Einkaufszentrum – überall konfrontiert sie ihr Wissen über Kultur, Politik, Gesellschaft mit der Wirklichkeit. Das führt sie zu Erkenntnissen über die Kommunikation in den sozialen Netzwerken oder die Bedeutung des Kapitalismus im heutigen Polen. Wichtige Themen sind natürlich auch die regierende PiS-Partei, das Klischee der Mutter Polin[AI1] oder die – in das alltägliche Erleben eingebetteten – Spannungen zwischen Polen und Deutschen.
Smechowski nimmt hier den Blickwinkel einer aufgeschlossenen und engagierten Beobachterin ein. Wenn sie sich dazu entscheidet, ein Interview mit Lech Wałęsa zu führen (zu dem es kommt) oder mit Jarosław Kaczyński (zu dem es nicht kommt), ist sie stets eine Reporterin, die nicht nur die Worte ihrer Gesprächspartner*innen wiedergibt, sondern die Leser*innen zugleich auch in eine Aura der Begegnung versetzt. Ähnlich verhält es sich mit dem Zusammentreffen mit der Schriftstellerin Dorota Masłowska. Dieser Star der polnischen Literatur ist eine ehemalige Nachbarin von Smechowska, diese aber hat – möglicherweise in einem Verdrängungsprozess – ihre einstige Freundin fast völlig vergessen. Ein Treffen bei einem Glas Wein bietet nicht nur Gelegenheit zur Erneuerung der Bekanntschaft, sondern auch zu Gesprächen über das, was sich in den vergangenen Jahrzehnten abgespielt hat.
Rückkehr nach Polen ist vor allem als zur Diskussion anregende Reportage über das Polen von heute zu lesen. Insofern stellt es ein starkes Angebot zu einem kritischen Blick auf Patriotismus, Kapitalismus, gesellschaftliches Engagement dar, eine bravouröse, leidenschaftliche, von wachem Denken durchdrungene und in lebendiger Sprache verfasste Auseinandersetzung mit der sozialen und politische Transformation in diesem Teil Europas – für deutsche, polnische und alle anderen Leser*innen.
Carl Hanser Verlag
In Smechowskis neuestem Reportageprojekt ist das etwas anders. Hauptthema ist hier Polen, gesehen durch das Prisma der Erfahrungen einer aus Deutschland hierhergekommenen Frau und Mutter. Die Erzählerin lässt sich Anfang 2018 zusammen mit ihrer Tochter in Danzig nieder, um – so die Idee der Reporterin von Anfang an – in das Alltagsleben der Polen einzutauchen. Smechowski lässt ihre Tochter den Kindergarten besuchen, vor allem aber betrachtet sie das Leben des polnischen Normalbürgers. Ob am Ostseestrand oder im Einkaufszentrum – überall konfrontiert sie ihr Wissen über Kultur, Politik, Gesellschaft mit der Wirklichkeit. Das führt sie zu Erkenntnissen über die Kommunikation in den sozialen Netzwerken oder die Bedeutung des Kapitalismus im heutigen Polen. Wichtige Themen sind natürlich auch die regierende PiS-Partei, das Klischee der Mutter Polin[AI1] oder die – in das alltägliche Erleben eingebetteten – Spannungen zwischen Polen und Deutschen.
Smechowski nimmt hier den Blickwinkel einer aufgeschlossenen und engagierten Beobachterin ein. Wenn sie sich dazu entscheidet, ein Interview mit Lech Wałęsa zu führen (zu dem es kommt) oder mit Jarosław Kaczyński (zu dem es nicht kommt), ist sie stets eine Reporterin, die nicht nur die Worte ihrer Gesprächspartner*innen wiedergibt, sondern die Leser*innen zugleich auch in eine Aura der Begegnung versetzt. Ähnlich verhält es sich mit dem Zusammentreffen mit der Schriftstellerin Dorota Masłowska. Dieser Star der polnischen Literatur ist eine ehemalige Nachbarin von Smechowska, diese aber hat – möglicherweise in einem Verdrängungsprozess – ihre einstige Freundin fast völlig vergessen. Ein Treffen bei einem Glas Wein bietet nicht nur Gelegenheit zur Erneuerung der Bekanntschaft, sondern auch zu Gesprächen über das, was sich in den vergangenen Jahrzehnten abgespielt hat.
Rückkehr nach Polen ist vor allem als zur Diskussion anregende Reportage über das Polen von heute zu lesen. Insofern stellt es ein starkes Angebot zu einem kritischen Blick auf Patriotismus, Kapitalismus, gesellschaftliches Engagement dar, eine bravouröse, leidenschaftliche, von wachem Denken durchdrungene und in lebendiger Sprache verfasste Auseinandersetzung mit der sozialen und politische Transformation in diesem Teil Europas – für deutsche, polnische und alle anderen Leser*innen.
Carl Hanser Verlag
Emilia Smechowski
Rückkehr nach Polen
Carl Hanser Verlag, München, 2019
ISBN 978-3-446-26418-2
256 Seiten
E-Book in der Onleihe des Goethe-Instituts ausleihen
Rezensionen in den deutschen Medien:
Perlentaucher
Cicero