Von und über Lucy Fricke
Die deutsche Schriftstellerin Lucy Fricke (geb. 1974) hat vier Romane verfasst, von denen der neueste, Töchter, im Frühjahr 2020 auch schon in der tschechischen Übersetzung von Michaela Škultéty im Verlag Akropolis erschien.
Lucy Fricke wurde 1974 in Hamburg geboren, lebt heute in Berlin und widmet sich neben dem Schreiben auch dem Film und der Organisation des literarischen Lebens, vor allem ist sie Begründerin des erfolgreichen Hamburger Festivals für eine unabhängige Literaturszene HAM.LIT (2010). Literaturschaffen studierte sie am Literaturinstitut Leipzig.
Für ihren aktuellen Roman Töchter erhielt sie 2018 den Bayerischen Buchpreis in der Kategorie Belletristik.
Lucy Fricke wurde 1974 in Hamburg geboren, lebt heute in Berlin und widmet sich neben dem Schreiben auch dem Film und der Organisation des literarischen Lebens, vor allem ist sie Begründerin des erfolgreichen Hamburger Festivals für eine unabhängige Literaturszene HAM.LIT (2010). Literaturschaffen studierte sie am Literaturinstitut Leipzig.
Für ihren aktuellen Roman Töchter erhielt sie 2018 den Bayerischen Buchpreis in der Kategorie Belletristik.
Martha hat von ihrem Vater Kurt eine Aufgabe bekommen: sie soll ihn in die Schweiz in eine Klinik bringen, wo Kurt am Euthanasieprogramm teilnehmen will. Martha weiß sich damit keinen rechten Rat und will außerdem nicht Autofahren, also bittet sie ihre Freundin Betty um Hilfe. Schließlich brechen sie zu dritt zu einem seltsamen, anfangs etwas düsteren Roadtrip durch Deutschland auf. Doch die Reise zieht sich hin und führt sie viel weiter als bis in die Schweiz, unter anderem auf eine gewisse, durch eine Krise verwüstete Mittelmeerinsel.
Lucy Fricke: Töchter | © Rowohlt Martha und Betty sind gewieft und knallhart, sie haben viel erlebt – eine schlimme Kindheit, viele Beziehungsquerelen, Scheitern verschiedenster Art. Weder Sex noch Drogen oder Rock´n´Roll sind ihnen bisher fremd, doch sie überlegen schon mehr als früher, welche Abenteuer es ihnen wert sind. Gegenwärtig beschäftigen sie sich unter anderem mit ihren nicht gerade idealen Beziehungen zu ihren Eltern: vor allem die zahlreichen Väter, die in den Leben beider Frauen aufgetaucht und wieder verschwunden sind, haben sie offensichtlich stark gezeichnet. Der Egoist Kurt bildet hier keine Ausnahme. Man hat also unterwegs einiges, woran man sich erinnern und worüber man sich aussprechen kann. Und da die Geschichte von der sarkastischen Betty erzählt wird, muss der Leser trotz der todernsten Situation bald laut lachen. Betty kombiniert in ihren Kommentaren schwarzen Humor, Ironie und eine skeptische Sicht auf die Welt, und zwar so, dass man stellenweise den Eindruck hat, eher eine Sammlung größtenteils scharfer, manchmal aber auch fast unerträglich überweiser Aphorismen zu lesen, frei verknüpft durch die Handlungslinie. Es ist etwas stilisiert, denn unter aller scheinbarer Altbackenheit verbergen sich Sensibilität, Traurigkeit, Unsicherheit und Verletzungen, die nur schwer wieder heilen.
Lucy Fricke erwähnt in einem Interview, sie habe in ihrem Buch Dinge benennen wollen, die für Frauen ihres Alters wichtig sind. Ein markantes, nicht alltäglich präsentiertes Thema ist hier die Freundschaft. Eine Freundschaft, die allen möglichen Prüfungen ausgesetzt ist, so eine, bei der man in einem kritischen Moment auf die Antwort „Wo vergraben wir ihn jetzt?“ hoffen kann. Gerade dem kommt trotz aller Verschiedenheiten, Pausen und Missverständnisse die Beziehung von Betty und Martha nahe.
Der Titel deutet an, dass ein weiteres Thema für die Autorin noch wichtiger ist: die Lücken, die die wiederholt enttäuschenden Väter im Leben beider Heldinnen hinterlassen haben. Diese werden jetzt zudem noch alt, was nicht unbedingt heißt, dass sie zu Verstand kommen oder sich weniger rücksichtslos verhalten würden. Wenn sie schon irgendeinen halbherzigen Versuch unternehmen, die Beziehungen zu richten, geht es gelinde gesagt betreten aus. Dabei ist klar, dass die Uhr unaufhaltsam tickt.
Die Schriftstellerin spricht offen darüber, dass sie in diesem Roman ihre eigene Erfahrung verarbeitet – in den siebziger und achtziger Jahren wurde ihrer Meinung nach im Unterschied zu heute zumeist nicht in Betracht gezogen, welche Auswirkungen Trennungen von Eltern auf Kinder haben. Zumindest ihre Figur Betty hat dabei den Verlust des Vaters auch als Erwachsene noch nicht verarbeitet: „Ständig kehrten dieselben Erlebnisse zurück, in veränderter Besetzung, in einer anderen Kulisse. Ich habe darunter gelitten, dass mich ständig jemand verließ, ich litt unter unterbrochenen Beziehungen und solchen, die nicht einmal richtig begonnen hatten, unter Einsamkeit, mir selbst, ich kam mir lächerlich vor und glaubte, wenn ich zu meinem absolut ersten Verlust zurückkehrte, wenn ich auf diese Basis von Erinnerungen treten oder zumindest ihre Spuren finde, dann würde ich alles wie eine Art Fluch vertreiben können.“ Damit hängt sicher auch zusammen, dass die pessimistische Betty im Unterschied zu Martha keinen Wert auf eine eigene Familie legt. Auch um diese Frage dreht sich selbstverständlich eine ganze Reihe von Diskussionen und Überlegungen.
Der Erzählerin ist es auf recht kleinem Raum gelungen, auch zahlreiche andere Themen anzuschneiden, es kommt unter anderem auch zu einer eigenwilligen Generationenaussage bezüglich des Feminismus: „Wir waren die erste Generation Frauen, die machen konnte, was sie wollte, und das wiederum bedeutete, dass wir etwas wollen mussten. Dafür hatten unsere Mütter gekämpft. Wir sollten unsere Träume verwirklichen, wir mussten welche haben, wir konnten scheitern, doch erst nachdem wir auf dem Weg zum Glück alles versucht hatten, wirklich alles, einschließlich Psychoanalyse.“
Die ernsthafte, oft melancholische und dabei frische Erzählung über das Altwerden, den Tod, Generationenwidersprüche und gebeuteltes Leben wird nicht nur von Bettys amüsanten Kommentaren, sondern auch von einer gewissen Poesie des Losertums durchzogen. Auch wenn die Dinge nicht gelingen, so kann man doch, wenn man sich ein bisschen anstrengt, ein Histörchen daraus schlagen. Oder zumindest einen gelungenen Spruch. Und wenn Sie so sind wie Betty und die Sache aus dem richtigen Blickwinkel betrachten, dann hat auch völlige Trostlosigkeit eine Art traurigen magischen Glanz.
Lucy Fricke macht sich im Roman nach eigenen Aussagen über sich selbst lustig und amüsiert sich beim Schreiben. Ein autobiografisches Motiv ist beispielsweise die einleitende Beschreibung der Gentrifizierung von Berlin-Kreuzberg aus der Sicht der Bewohnerin einer kleinen Wohnung, die sich durch gelegentliche Vermietung an partysüchtige Touristen etwas hinzuverdient. Für den Plot hat die Episode keinen sonderlichen Sinn, es ist eigentlich verwunderlich, dass in dem dünnen Buch Platz dafür war, doch sie bringt den Leser zum Lachen und hilft bei der Charakterisierung der Erzählerin. Wie von ungefähr gelangen gerade in solchen Abschweifungen auch soziale Fragen ins Buch, die Verfasserin sympathisiert eindeutig mit denjenigen, denen ein gutes Hinterland oder scharfe Ellenbogen zum Erfolg fehlen und die sich durchschlagen, wie sie nur können. Die Handlung des Buches hat die Schriftstellerin – wie sie selbst zugibt – vorher nicht besonders durchdacht, und das merkt man. Andererseits verfügt auch das Leben nicht immer über einen erkennbaren Handlungsbogen. Ein Vorteil ist die Unvorhersehbarkeit der Wendungen: wenn man diesem Buch etwas nicht vorwerfen kann, so sind das Handlungsklischees.
Der große Erfolg von Töchter in Deutschland, wo das Buch bereits in mehreren Auflagen erschienen ist, belegt, dass Humor und das Nachdenken über den Tod eigentlich ganz gut miteinander harmonieren; nun können sich dank der lebendigen Übersetzung von Michaela Škultéty auch die tschechischen Leser davon überzeugen. Schließlich, und das wissen die Protagonistinnen nur allzu gut – ist auch das Leben kein Ponyhof.
© Marie Voslářová
Die Autorin ist Übersetzerin, Redakteurin, Dolmetscherin und Publizistin.
Die Buchbesprechung ist in Zusammenhang mit dem digitalen Literaturmagazin iLiteratura entstanden.
Lucy Fricke: Töchter | © Rowohlt Martha und Betty sind gewieft und knallhart, sie haben viel erlebt – eine schlimme Kindheit, viele Beziehungsquerelen, Scheitern verschiedenster Art. Weder Sex noch Drogen oder Rock´n´Roll sind ihnen bisher fremd, doch sie überlegen schon mehr als früher, welche Abenteuer es ihnen wert sind. Gegenwärtig beschäftigen sie sich unter anderem mit ihren nicht gerade idealen Beziehungen zu ihren Eltern: vor allem die zahlreichen Väter, die in den Leben beider Frauen aufgetaucht und wieder verschwunden sind, haben sie offensichtlich stark gezeichnet. Der Egoist Kurt bildet hier keine Ausnahme. Man hat also unterwegs einiges, woran man sich erinnern und worüber man sich aussprechen kann. Und da die Geschichte von der sarkastischen Betty erzählt wird, muss der Leser trotz der todernsten Situation bald laut lachen. Betty kombiniert in ihren Kommentaren schwarzen Humor, Ironie und eine skeptische Sicht auf die Welt, und zwar so, dass man stellenweise den Eindruck hat, eher eine Sammlung größtenteils scharfer, manchmal aber auch fast unerträglich überweiser Aphorismen zu lesen, frei verknüpft durch die Handlungslinie. Es ist etwas stilisiert, denn unter aller scheinbarer Altbackenheit verbergen sich Sensibilität, Traurigkeit, Unsicherheit und Verletzungen, die nur schwer wieder heilen.
Lucy Fricke erwähnt in einem Interview, sie habe in ihrem Buch Dinge benennen wollen, die für Frauen ihres Alters wichtig sind. Ein markantes, nicht alltäglich präsentiertes Thema ist hier die Freundschaft. Eine Freundschaft, die allen möglichen Prüfungen ausgesetzt ist, so eine, bei der man in einem kritischen Moment auf die Antwort „Wo vergraben wir ihn jetzt?“ hoffen kann. Gerade dem kommt trotz aller Verschiedenheiten, Pausen und Missverständnisse die Beziehung von Betty und Martha nahe.
Der Titel deutet an, dass ein weiteres Thema für die Autorin noch wichtiger ist: die Lücken, die die wiederholt enttäuschenden Väter im Leben beider Heldinnen hinterlassen haben. Diese werden jetzt zudem noch alt, was nicht unbedingt heißt, dass sie zu Verstand kommen oder sich weniger rücksichtslos verhalten würden. Wenn sie schon irgendeinen halbherzigen Versuch unternehmen, die Beziehungen zu richten, geht es gelinde gesagt betreten aus. Dabei ist klar, dass die Uhr unaufhaltsam tickt.
Die Schriftstellerin spricht offen darüber, dass sie in diesem Roman ihre eigene Erfahrung verarbeitet – in den siebziger und achtziger Jahren wurde ihrer Meinung nach im Unterschied zu heute zumeist nicht in Betracht gezogen, welche Auswirkungen Trennungen von Eltern auf Kinder haben. Zumindest ihre Figur Betty hat dabei den Verlust des Vaters auch als Erwachsene noch nicht verarbeitet: „Ständig kehrten dieselben Erlebnisse zurück, in veränderter Besetzung, in einer anderen Kulisse. Ich habe darunter gelitten, dass mich ständig jemand verließ, ich litt unter unterbrochenen Beziehungen und solchen, die nicht einmal richtig begonnen hatten, unter Einsamkeit, mir selbst, ich kam mir lächerlich vor und glaubte, wenn ich zu meinem absolut ersten Verlust zurückkehrte, wenn ich auf diese Basis von Erinnerungen treten oder zumindest ihre Spuren finde, dann würde ich alles wie eine Art Fluch vertreiben können.“ Damit hängt sicher auch zusammen, dass die pessimistische Betty im Unterschied zu Martha keinen Wert auf eine eigene Familie legt. Auch um diese Frage dreht sich selbstverständlich eine ganze Reihe von Diskussionen und Überlegungen.
Der Erzählerin ist es auf recht kleinem Raum gelungen, auch zahlreiche andere Themen anzuschneiden, es kommt unter anderem auch zu einer eigenwilligen Generationenaussage bezüglich des Feminismus: „Wir waren die erste Generation Frauen, die machen konnte, was sie wollte, und das wiederum bedeutete, dass wir etwas wollen mussten. Dafür hatten unsere Mütter gekämpft. Wir sollten unsere Träume verwirklichen, wir mussten welche haben, wir konnten scheitern, doch erst nachdem wir auf dem Weg zum Glück alles versucht hatten, wirklich alles, einschließlich Psychoanalyse.“
Die ernsthafte, oft melancholische und dabei frische Erzählung über das Altwerden, den Tod, Generationenwidersprüche und gebeuteltes Leben wird nicht nur von Bettys amüsanten Kommentaren, sondern auch von einer gewissen Poesie des Losertums durchzogen. Auch wenn die Dinge nicht gelingen, so kann man doch, wenn man sich ein bisschen anstrengt, ein Histörchen daraus schlagen. Oder zumindest einen gelungenen Spruch. Und wenn Sie so sind wie Betty und die Sache aus dem richtigen Blickwinkel betrachten, dann hat auch völlige Trostlosigkeit eine Art traurigen magischen Glanz.
Lucy Fricke macht sich im Roman nach eigenen Aussagen über sich selbst lustig und amüsiert sich beim Schreiben. Ein autobiografisches Motiv ist beispielsweise die einleitende Beschreibung der Gentrifizierung von Berlin-Kreuzberg aus der Sicht der Bewohnerin einer kleinen Wohnung, die sich durch gelegentliche Vermietung an partysüchtige Touristen etwas hinzuverdient. Für den Plot hat die Episode keinen sonderlichen Sinn, es ist eigentlich verwunderlich, dass in dem dünnen Buch Platz dafür war, doch sie bringt den Leser zum Lachen und hilft bei der Charakterisierung der Erzählerin. Wie von ungefähr gelangen gerade in solchen Abschweifungen auch soziale Fragen ins Buch, die Verfasserin sympathisiert eindeutig mit denjenigen, denen ein gutes Hinterland oder scharfe Ellenbogen zum Erfolg fehlen und die sich durchschlagen, wie sie nur können. Die Handlung des Buches hat die Schriftstellerin – wie sie selbst zugibt – vorher nicht besonders durchdacht, und das merkt man. Andererseits verfügt auch das Leben nicht immer über einen erkennbaren Handlungsbogen. Ein Vorteil ist die Unvorhersehbarkeit der Wendungen: wenn man diesem Buch etwas nicht vorwerfen kann, so sind das Handlungsklischees.
Der große Erfolg von Töchter in Deutschland, wo das Buch bereits in mehreren Auflagen erschienen ist, belegt, dass Humor und das Nachdenken über den Tod eigentlich ganz gut miteinander harmonieren; nun können sich dank der lebendigen Übersetzung von Michaela Škultéty auch die tschechischen Leser davon überzeugen. Schließlich, und das wissen die Protagonistinnen nur allzu gut – ist auch das Leben kein Ponyhof.
© Marie Voslářová
Die Autorin ist Übersetzerin, Redakteurin, Dolmetscherin und Publizistin.
Die Buchbesprechung ist in Zusammenhang mit dem digitalen Literaturmagazin iLiteratura entstanden.
- Durst ist schlimmer als Heimweh. Piper 2007.
- Ich habe Freunde mitgebracht. Rowohlt 2010.
- Takeshis Haut. Rowohlt 2014.
- Töchter. Rowohlt 2018. Tschechisch: Dcery. Übersetzt von Michaela Škultéty. Akropolis 2020.
Der Roman Töchter ist Ihr viertes Buch. Kann man sagen, dass es auch das (bisher) erfolgreichste ist? Soviel ich weiß, wurde es "simultan" ins Englische, Französische und Spanische übersetzt und jetzt, nach der erzwungenen Corona-Pause, wird weiterhin ein Film nach dem Buch gedreht.
Es ist mit Abstand mein erfolgreichstes Buch, fast 100.000 verkaufte Exemplare in Deutschland, Übersetzungen in acht Sprachen und jetzt auch noch die Verfilmung, eine europäische Co-Produktion fürs Kino. Mit der Regisseurin Nana Neul habe ich auch das Drehbuch gemeinsam geschrieben und vor ein paar Tagen sah ich die ersten Bilder. Ich glaube, das wird ein wirklich schöner, witziger, trauriger und schräger Film, der seine ganz eigene Sprache hat.
Wenn man, wie ich, seit über zehn Jahren schreibt und veröffentlicht und immer so gerade eben klargekommen ist, immer unter dem Radar war, dann ist das zum einen sehr irritierend und zum anderen sehr befreiend. Wenn man nicht zu viel darüber nachdenkt, kann Erfolg wirklich entspannend sein.
Töchter seien "Unterhaltungsroman mit Biss", habe ich gelesen. Der Roadtrip zweier Freundinnen, die den krebskranken Vater der einen zum Sterben in die Schweiz chauffieren, befinde sich "immer am Rand eines richtig bösen Buches". Wollten Sie ein richtig böses Buch schreiben?
Ich würde es nicht als „böses“ Buch beschreiben. Für mich ist es ein gnadenlos ehrliches Buch, es legt den Finger in Wunden, die nicht nur meine sind. Wie wir leiden unter Vätern, die nie für uns da waren, wie schmerzhaft Abschiede sind, wie zäh die Trauer sein kann, wie schwer Einsamkeit wiegt. Ich glaube, das sind Gefühle, die universell sind. Ich schreibe darüber mit einem sarkastischen, selbstironischen Ton, weil ich Humor als rettend empfinde. Für mich gibt es nichts besseres als über das Unglück zu lachen und ich bevorzuge sicher den schwarzen Humor, den ich aber nicht böse nennen würde, sondern aufrichtig und wahr.
In dem Roman geht es um Väter bzw. um die Leerstelle, die durch Vaterlosigkeit entsteht. Beide Hauptfiguren, Betty und Martha, sind ohne Vater aufgewachsen. Sie selbst haben gesagt, das sei "eine Lücke im Leben, die gewaltige Ausmaße annehmen kann." Betty und Martha scheinen aber auch keine besonders gute Beziehungen mit ihren Müttern zu haben. War das Ihre Motivation Töchter zu schreiben, dieses Gefühl der Haltlosigkeit, das wir um die vierzig besonders empfinden, da die eigenen Eltern krank werden oder sterben?
Ich wollte einen Roman schreiben über Frauen, die um die Vierzig sind und habe darüber nachgedacht, was alles wichtig ist in dieser Zeit. Interessanterweise wird das Thema Männer zum Beispiel immer unwichtiger, es geht mehr um die eigenen Ziele. Bei mir und den meisten meiner Freundinnen waren die Eltern in den letzten zwanzig Jahren kein großes Thema, aber sie werden es jetzt wieder. Das Verhältnis kehrt sich um, sie brauchen jetzt unsere Hilfe. Wenn man mit seinen Eltern noch etwas erleben möchte, noch bestimmte Gespräche führen möchte, dann sollte man das jetzt tun, die Zeit läuft uns davon. Das sollte natürlich auch den Eltern klar sein. Es ist seltsam, aber ich habe wirklich von vielen Frauen gehört, wie sehr sie sich, besonders von ihrem Vater, gewünscht haben, dass er einmal sagt, dass er stolz auf sie ist, dass sie einmal Anerkennung bekommen, es einmal ausgesprochen wird. Dass diese Väter dann ohne ein Wort sterben, das ist nicht fair.
Eine Freundin von mir, der ich das Buch geschenkt habe, rief mich von ein paar Tagen an, da war sie im Urlaub, und meinte: "Ich habe Töchter zu Ende gelesen und jetzt fühle ich mich so miserabel und melancholisch und traurig!" Ich wusste nicht, was ich sagen soll, wollte mich entschuldigen, aber dann fuhr sie fort: "Es ist schon ein gutes Buch, weil es mich nicht gleichgültig lässt, obwohl ich es mir wünsche." Das fand ich sehr gut. Was denken Sie?
Die Traurigkeit nach dem Lesen hängt sicher mit dem Ende des Romans zusammen. Ich habe von manchen gehört, sie hätten geweint. Natürlich möchte ich die Leser und Leserinnen berühren, das wäre ja wirklich schlimm, wenn es die Leute gleichgültig zur Seite legen würden. Neben dieser Melancholie gibt es in dem Roman aber auch vieles andere, vor allem die Freundschaft der beiden Frauen und die groteske Reise durch Südeuropa, die ganz und gar nicht traurig ist.
Woran arbeiten Sie jetzt, wann erscheint Ihr nächstes Buch?
Wenn alles nach Plan läuft, erscheint der nächste Roman im Frühjahr 2022. Ich arbeite daran, aber es ist leider noch zu früh, um davon zu erzählen.
Das Interview führte Michaela Škultéty, tschechische Übersetzerin.
Es ist mit Abstand mein erfolgreichstes Buch, fast 100.000 verkaufte Exemplare in Deutschland, Übersetzungen in acht Sprachen und jetzt auch noch die Verfilmung, eine europäische Co-Produktion fürs Kino. Mit der Regisseurin Nana Neul habe ich auch das Drehbuch gemeinsam geschrieben und vor ein paar Tagen sah ich die ersten Bilder. Ich glaube, das wird ein wirklich schöner, witziger, trauriger und schräger Film, der seine ganz eigene Sprache hat.
Wenn man, wie ich, seit über zehn Jahren schreibt und veröffentlicht und immer so gerade eben klargekommen ist, immer unter dem Radar war, dann ist das zum einen sehr irritierend und zum anderen sehr befreiend. Wenn man nicht zu viel darüber nachdenkt, kann Erfolg wirklich entspannend sein.
Töchter seien "Unterhaltungsroman mit Biss", habe ich gelesen. Der Roadtrip zweier Freundinnen, die den krebskranken Vater der einen zum Sterben in die Schweiz chauffieren, befinde sich "immer am Rand eines richtig bösen Buches". Wollten Sie ein richtig böses Buch schreiben?
Ich würde es nicht als „böses“ Buch beschreiben. Für mich ist es ein gnadenlos ehrliches Buch, es legt den Finger in Wunden, die nicht nur meine sind. Wie wir leiden unter Vätern, die nie für uns da waren, wie schmerzhaft Abschiede sind, wie zäh die Trauer sein kann, wie schwer Einsamkeit wiegt. Ich glaube, das sind Gefühle, die universell sind. Ich schreibe darüber mit einem sarkastischen, selbstironischen Ton, weil ich Humor als rettend empfinde. Für mich gibt es nichts besseres als über das Unglück zu lachen und ich bevorzuge sicher den schwarzen Humor, den ich aber nicht böse nennen würde, sondern aufrichtig und wahr.
In dem Roman geht es um Väter bzw. um die Leerstelle, die durch Vaterlosigkeit entsteht. Beide Hauptfiguren, Betty und Martha, sind ohne Vater aufgewachsen. Sie selbst haben gesagt, das sei "eine Lücke im Leben, die gewaltige Ausmaße annehmen kann." Betty und Martha scheinen aber auch keine besonders gute Beziehungen mit ihren Müttern zu haben. War das Ihre Motivation Töchter zu schreiben, dieses Gefühl der Haltlosigkeit, das wir um die vierzig besonders empfinden, da die eigenen Eltern krank werden oder sterben?
Ich wollte einen Roman schreiben über Frauen, die um die Vierzig sind und habe darüber nachgedacht, was alles wichtig ist in dieser Zeit. Interessanterweise wird das Thema Männer zum Beispiel immer unwichtiger, es geht mehr um die eigenen Ziele. Bei mir und den meisten meiner Freundinnen waren die Eltern in den letzten zwanzig Jahren kein großes Thema, aber sie werden es jetzt wieder. Das Verhältnis kehrt sich um, sie brauchen jetzt unsere Hilfe. Wenn man mit seinen Eltern noch etwas erleben möchte, noch bestimmte Gespräche führen möchte, dann sollte man das jetzt tun, die Zeit läuft uns davon. Das sollte natürlich auch den Eltern klar sein. Es ist seltsam, aber ich habe wirklich von vielen Frauen gehört, wie sehr sie sich, besonders von ihrem Vater, gewünscht haben, dass er einmal sagt, dass er stolz auf sie ist, dass sie einmal Anerkennung bekommen, es einmal ausgesprochen wird. Dass diese Väter dann ohne ein Wort sterben, das ist nicht fair.
Eine Freundin von mir, der ich das Buch geschenkt habe, rief mich von ein paar Tagen an, da war sie im Urlaub, und meinte: "Ich habe Töchter zu Ende gelesen und jetzt fühle ich mich so miserabel und melancholisch und traurig!" Ich wusste nicht, was ich sagen soll, wollte mich entschuldigen, aber dann fuhr sie fort: "Es ist schon ein gutes Buch, weil es mich nicht gleichgültig lässt, obwohl ich es mir wünsche." Das fand ich sehr gut. Was denken Sie?
Die Traurigkeit nach dem Lesen hängt sicher mit dem Ende des Romans zusammen. Ich habe von manchen gehört, sie hätten geweint. Natürlich möchte ich die Leser und Leserinnen berühren, das wäre ja wirklich schlimm, wenn es die Leute gleichgültig zur Seite legen würden. Neben dieser Melancholie gibt es in dem Roman aber auch vieles andere, vor allem die Freundschaft der beiden Frauen und die groteske Reise durch Südeuropa, die ganz und gar nicht traurig ist.
Woran arbeiten Sie jetzt, wann erscheint Ihr nächstes Buch?
Wenn alles nach Plan läuft, erscheint der nächste Roman im Frühjahr 2022. Ich arbeite daran, aber es ist leider noch zu früh, um davon zu erzählen.
Das Interview führte Michaela Škultéty, tschechische Übersetzerin.