Musik
E. T. A. Hoffmann und die Musik
Musik spielte bei E. T. A. Hoffmann eine überaus wichtige Rolle; dies lässt sich nicht zuletzt daran ermessen, dass das „A“ in seinem Namen für „Amadeus“ steht. Doch über die Verbindung zwischen Hoffmann und den Musikwelten lässt sich noch viel mehr erzählen.
Von Siawasch Aeenechi
Der in Königsberg geborene E. T. A. Hoffmann (1776—1822) ist dem heutigen Publikum beinahe nur noch als Schriftsteller von phantastischen und unheimlichen Geschichten bekannt. Doch bevor er Schriftsteller wurde, hatte Hoffmann eher die Ambition, Komponist und Musiker zu werden, ja Zeit seines Lebens sah er sich in erster Linie als Musiker und erst dann als Schriftsteller.
Wie auch andere Künstler der Romantik, war Hoffmann hin- und hergerissen zwischen der Literatur und der Musik. Erinnern wir uns nur an Robert Schumann, der ursprünglich Dichter werden wollte, ehe er sich auf das Komponieren fokussierte. E. T. A. Hoffmann war dabei sein erklärter Lieblingsschriftsteller und er ließ sich von ihm zu vielen Kompositionen inspirieren. Darunter zählt der berühmte Klavierzyklus Kreisleriana op. 16, der als ein Schlüsselwerk der romantischen Klavierliteratur gilt und nach einer Figur in Hoffmanns Werken, dem Kapellmeister Johannes Kreisler, benannt wurde. Kreisler im Übrigen taucht in verschiedenen seiner Werke immer wieder auf und gibt meist seine oft provokanten Gedanken über die Künste, v.a. über die Musik, zum Besten. Von einigen Interpreten wird er dabei als ein literarisches Alter Ego Hoffmanns bezeichnet.
E. T. A. Hoffmann als Musiker und Komponist
Der Kapellmeister Johannes Kreisler als Selbstbildnis von E. T. A. Hoffmann gezeichnet | © Staatsbibliothek Bamberg Hoffmann selbst komponierte vor allem Vokalmusik, aber auch einige Symphonien, klavier- und kammermusikalischen Werke sind von ihm überliefert, wenngleich sie heute kaum noch gespielt und aufgeführt werden. Es sind von ihm zwölf Bühnenwerke erhalten geblieben, darunter die Melodramen Dirna und Saul, König von Israel, das Ballett Arlequin, die Oper Aurora und die Märchenoper Undine, welche heute als sein bekanntestes und wirkmächtigstes musikalisches Werk gilt.Seine ersten bedeutenderen Kompositionen entstanden in Warschau, wo er von 1804—1807 lebte. 1808 wurde er Musikdirektor am Bamberger Theater, die Tätigkeit erfüllte ihn aber nicht, da er sich immer wieder mit den unprofessionell arbeitenden Orchestermusikern verwarf und daher nach nur wenigen Wochen die Stelle enttäuscht wieder aufgab. Er führte einige Zeit ein unstetes Wanderleben, ehe er aus Geldmangel eine Stelle als Kapellmeister für eine in Dresden und Leipzig aufspielende Theater- und Operntruppe annahm. Während seiner sechsmonatigen Zeit als Kapellmeister studierte Hoffmann unermüdlich arbeitend 36 Opern mit seinen Musikerkollegen ein und dirigierte 80 Vorstellungen, ehe er aus Krankheitsgründen im Sommer 1816 die Stelle aufgeben musste.
Daraufhin arbeitete er, enttäuscht darüber, dass er als Musiker gescheitert war und nicht als solcher sein Brot verdienen konnte, bis zu seinem Tod hauptberuflich als Kammergerichtsrat in Berlin; eine Tätigkeit, die ihn nicht erfüllte. Ein letzter musikalischer Triumph sollte ihm allerdings noch beschieden sein: Die Oper Undine.
Undine, ein Lebenserfolg
Die Titelseite des handschriftlichen Textbuches von E. T. A. Hoffmanns Oper Undine (Libretto von Friedrich de la Motte Fouqué) | © Staatsbibliothek zu Berlin Hoffmann begriff sich in seinem Sein als Musiker in erster Linie als Opernkomponist und daher überrascht es nicht, dass das bekannteste und einflussreichste musikalische Werk von ihm die romantische Oper, genauer Zauberoper, Undine ist.Undine ist ein weiblicher Wassergeist, deren Ursprung aus einer Sage des oberrheinischen Rittergeschlechts der Staufenbergs stammt. Darin geht es um eine Wassernymphe, die auf der Suche nach einer Seele ist, die sie nur dann bekommt, wenn sie einen Menschen zum Gatten nimmt. Um dies zu erreichen, kann sie schön singen, womit es ihr schließlich gelingt, einen Mann zu finden, mit dem sie fortan als Mensch mit einer Seele zusammenlebt. Die Sage endet aber natürlich tragisch, denn sobald ein Mann ihr untreu wird, muss er zur Strafe sterben, sie verliert ihrerseits ihre Seele und muss wieder als Nymphe unter Wasser leben.
Die Uraufführung der Oper fand am 3. August 1816 im Königlichen Schauspielhaus am Gendarmenmarkt zu Berlin statt und kann als der größte künstlerische Erfolg Hoffmanns zu seinen Lebzeiten bezeichnet werden. Es kam innerhalb eines Jahres zu insgesamt dreizehn Aufführungen, was für die damalige Zeit eine beträchtliche Anzahl war. Der Grund, dass es nicht zu noch mehr Vorstellungen kam, war nicht fehlendes Interesse, sondern ein katastrophaler Brand, dem das Schauspielhaus zum Opfer fiel und weitere Aufführungen verunmöglichte. 1821 wurde die Oper auch einige Male in Prag aufgeführt. Obgleich die Uraufführung ein Erfolg war, ist die Oper heutzutage kaum noch bekannt und wird selten aufgeführt, ja es existieren überhaupt nur sehr wenige Einspielungen.
Mozart und Beethoven als Inspirationsquellen
Hoffmann schätzte Wolfgang Amadeus Mozarts (1756—1791) Musik derart, dass er seinen dritten Vornamen „Wilhelm“ aus Verehrung für ihn zu „Amadeus“ umändern ließ. Hoffmanns Bewunderung galt vor allem Mozarts Opern, hierbei im Besonderen für Don Giovanni, das als ein Höhepunkt der Opernmusik überhaupt gilt. Hoffmann selbst bezeichnet sie in seiner Erzählsammlung Fantasie- und Nachstücken als „Oper aller Opern“.Was Hoffmann vor allem an der Oper faszinierte, war, wie Mozart es zustande gebracht hatte, für das seiner Meinung nach eher mittelmäßige Libretto eine derart vollkommene Musik zu komponieren. Hierzu schreibt Hoffmann: „Betrachtet man das Gedicht, ohne ihm eine tiefere Bedeutung zu geben, so dass man nur das Geschichtliche in Anspruch nimmt, so ist es kaum zu begreifen, wie Mozart eine solche Musik dazu denken und dichten konnte.“
Von dieser Oper, die am 29. Oktober 1787 im Prager Gräflich Nostitzschen Nationaltheater, dem heutigen Ständetheater, uraufgeführt wurde, ließ sich Hoffmann zu der frühen, kurzen Künstlernovelle Don Juan inspirieren, die zunächst 1813 in der Allgemeinen musikalischen Zeitung in Leipzig und ein Jahr darauf im ersten Band der Fantasiestücke in Callot`s Manier, Hoffmanns erster und erfolgreichster Buchveröffentlichung, erschien.
Auch Beethovens (1770—1827) Musik war für Hoffmann eine der wichtigen Inspirationsquellen. Laut Hoffmann ruft sie nämlich bei den Zuhörern genau das hervor, was er durch sein eigenes Schreiben in den Lesern hervorzurufen erhofft: Eine unheimliche, irrationale, dunkle Geisterwelt, die sich hinter unserer realen Welt verbirgt und anderen, nur dem Unbewussten zugänglichen Gesetzen gehorcht. Sigmund Freud wird diesen Gedanken Hoffmanns später in seiner Schrift Das Unheimliche aufgreifen, worin er sich intensiv mit dem Werk Hoffmanns, zumal der Erzählung Der Sandmann, auseinandersetzt.
Hoffmanns musikalischer Nachlass
Autograph des Harfenquintetts in c-Moll von E. T. A. Hoffmann | © Staatsbibliothek zu Berlin Was wir über E. T. A. Hoffmann 200 Jahre nach seinem Tod sagen können? Dass er eine künstlerische Multibegabung der Romantik par excellence war. Sein musikalisches Werk heute allerdings, im Gegensatz zu seinem literarischen, das zum Kanon der Weltliteratur gezählt wird, weitgehend vergessen ist.Dies hat sicherlich auch mit den nicht zu leugnenden mangelnden Qualitäten seiner Kompositionen zu tun, welche heutigen Zuhörern kein besonderes Hörerlebnis mehr bieten können. Dennoch kann sich für Interessierte eine Auseinandersetzung mit Hoffmanns musikalischen Werk lohnen, zumal es heute einige verfügbare Einspielungen gibt, die einen Einstieg ermöglichen, was bis vor kurzem noch nicht möglich war, da sein Werk erst seit einigen Jahrzehnten wieder entdeckt wurde.
Sein Werk steht, wie die Werke Beethovens und Franz Schuberts, deren Qualität er freilich nicht erreicht, am Anfang der musikalischen Epoche der Romantik. Hoffmann hat zwar mit seiner Oper Undine das Genre der romantischen Zauberoper (mit)begründet, was auf Webers Der Freischütz und Wagners Opern, zumal dem epochalen Ring des Nibelungen, maßgebliche Einflüsse hinterließ. Dennoch konnte sich die Undine in den Spielplänen der Opernhäuser nicht durchsetzen und sie fristet, wie auch Hoffmanns andere Kompositionen, heute ein Dasein im Schatten anderer musikalischer Werke.