Ökologische und soziale Start-ups
Mal eben kurz die Welt retten
Immer mehr Gründer wollen mit ihren Unternehmen nicht nur Geld verdienen, sondern auch gesellschaftlichen und ökologischen Fortschritt erzielen. Auch in Deutschland sind Social Start-ups auf dem Vormarsch.
Von Eva-Maria Verfürth
In Deutschland ist das Bewusstsein für die Auswirkungen unseres Konsumverhaltens in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Immer weniger Menschen möchten für sich selbst noch verantworten, dass die nächste Shoppingtour Kinderarbeit in Bangladesch begünstigt, Massentierhaltung fördert oder Urwälder gefährdet. Während die einen angesichts der Missstände gegen Kapitalismus und Globalisierung wettern, finden Social Start-ups einen anderen Weg: Sozialunternehmer wollen die Mechanismen des freien Markts für soziale und ökologische Verbesserungen nutzen. Anders ausgedrückt: Wer die Produkte oder Dienstleistungen dieser Unternehmen kauft, der unterstützt damit das Gemeinwohl oder die Umwelt – und Dank der vielen sozialen Start-ups kann man das in Deutschland mittlerweile in fast allen Lebensbereichen. Diese Beispiele zeigen, wie vielfältig die Sozialunternehmer-Szene in Deutschland ist:
City Tree: Vertikale Grünfläche mit Wifi und Sitzgelegenheiten
Der „City Tree“ filtert sie so viel Schadstoffe aus der Luft wie 275 Bäume. | Foto: © City Tree Vor fast jedem größeren deutschen Hauptbahnhof kann man sie heute bewundern, aber auch in Norwegen, Frankreich, Mazedonien und Hong Kong sind sie mittlerweile angekommen: Die vier Meter hohen, mit speziellen Mooskulturen bepflanzten Wände mit dem Namen „City Tree“ reduzieren den gesundheitsschädlichen Feinstaub, Stickoxide und Kohlendioxid in Innenstädten. Laut dem Unternehmen Green City Solutions. erbringen sie dieselbe Umweltleistung wie bis zu 275 Bäume, nehmen aber 99 Prozent weniger Fläche ein. Damit das Moos wächst und gedeiht, enthält die smarte Stellwand eine Solaranlage und ein intelligentes Wassersystem, das ohne Leitungsanschlüsse auskommt. So kann der City Tree im Grunde überall aufgestellt werden. Je nach Ausstattung kann er übrigens noch einiges mehr als nur die Luft säubern: Auf dem Pflanzendisplay können Schriftzüge und Bilder – etwa zum Ausspielen von Werbung – dargestellt werden, und auch integrierte Sitzbänke, Wi-Fi-Hotspot und E-Bike-Ladestationen gehören zu den möglichen Extras.Einhorn: Kondome mit Stil
einhorn Kondome sind die ersten vegan und fair produzierten Kondome. | Foto: © einhorn Kondome einkaufen mit Stil und sogar nachhaltig: Wer sich in deutschen Drogeriemärkten in die Verhütungsmittelecke begibt, der findet dort seit einiger Zeit auch die hübschen bunten Tütchen mit dem Einhorn drauf. Darin enthalten sind die wohl ersten vegan und fair produzierten Kondome, die nicht nur ohne das aus Kuhmilch gewonnene Bindemittel Kasein auskommen, sondern auch unter fairen Arbeitsbedingungen produziert werden. Die Gründer von Bei MyMüsli kann man sich sein eigenes Müsli zusammenstellen. | Foto: © MyMüsli Waldemar Zeiler und Philip Siefer haben sich dafür mit der Universität Hohenheim zusammengetan, die sie zu ökologischem Anbau von Naturkautschuk zur Latexherstellung berät. Zudem hat das Unternehmen sich verpflichtet, die Hälfte seiner Gewinne in soziale und nachhaltige Projekte zu investieren. „Eigentlich sind Kondome da s perfekte Lifestyle-Produkt: Mehr als nur sexy, sie sind purer Sex“, heißt es auf der Webseite, „aber trotzdem haben sie bei den meisten Nutzern eher den Sexappeal von Hundefutter.“ Das wollen sie mit den mittlerweile rund 20 Mitarbeitern ändern: Einhorn-Kondome kommen in von Designern gestalteten Chipstüten daher – damit Kondome einkaufen und nutzen niemandem mehr peinlich sein muss.
MyMüsli: Mix dir dein eigenes Bio-Müsli
Bei MyMüsli kann man sich sein eigenes Müsli zusammenstellen. | Foto: © MyMüsli Die Deutschen lieben ihr Müsli zum Frühstück – nicht umsonst ist auch der englische Begriff „Muesli“ aus dem Deutschen entlehnt. Kein Wunder also, dass das wohl weltweit erste Angebot für individuelles Müsli aus Deutschland kommt: Auf der Webseite von Die stylischen Berliner Soulbottles machen der weit verbreiteten Plastikflasche Konkurrenz. | Foto: © Soulbottles kann man sich seit 2007 aus einer großen Palette Bio-Zutaten, die größtenteils regional direkt vom Erzeuger bezogen werden, sein eigenes Müsli zusammenstellen. Dafür hat das Unternehmen eigens eine Müsli-Mischmaschine entwickelt, die mehr als 566 Billiarden mögliche Müsli-Kombinationen zusammenstellen kann. Ein paar fertig gemischte Sorten gibt es mittlerweile auch in den großen Supermärkten und Cafés zu kaufen, und in fast allen großen Städten in Deutschland hat MyMüsli eigene Läden eröffnet. Gegründet von drei Studenten aus Passau – Hubertus Bessau, Philipp Kraiss und Max Wittrock – die das Projekt neben ihrem Studium starteten, gewann MyMüsli schon im ersten Gründungsjahr 2007 mehrere Preise, expandierte in den darauffolgenden zwei Jahren in die Schweiz, Österreich und die Niederlande, und beschäftigt heute mehr als 800 Mitarbeiter. 2013 wurde dem Start-up der Deutsche Gründerpreis verliehen. „Das Timing war bei uns perfekt“, erzählt Gründer Mark Wittrock. „Es war ein Markt, der lange keine Innovation mehr gesehen hatte und wir waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort.“
Soulbottles: Leitungswasser deluxe
Die stylischen Berliner Soulbottles machen der weit verbreiteten Plastikflasche Konkurrenz. | Foto: © Soulbottles Eine Trinkflasche aus Glas – das klingt nicht besonders innovativ? Das kommt ganz darauf an: Die stylischen Berliner Soulbottles machen der weit verbreiteten Plastikflasche Konkurrenz und werden mittlerweile in bundesweit in ganz Deutschland vertrieben. Der Clou: Das Design wurde von der „Crowd“ entworfen. In den Soulbottles-Design-Contests konnte sich jeder mit einer Gestaltungsidee bewerben oder über die Einsendungen abstimmen. Den beiden ehemaligen Studenten Paul Kupfer und Georg Tarne, die Soulbottles gründeten, geht es um mehr als nur umweltfreundliche Flaschen zu produzieren – sie möchten vor allem Bewusstsein für die Auswirkungen unseres Trinkverhaltens wecken. Zum Beispiel indem sie dazu anregen, mehr Leitungswasser zu trinken, das in Ländern wie Deutschland von viel höherer Qualität ist als abgefülltes Mineralwasser. „Wir wollen mit euch gemeinsam feiern, wie schön es ist, jederzeit Leitungswasser trinken zu können, unabhängig von den großen Mineralwasserfirmen“, schreiben sie auf ihrer Webseite. Vom Erfolg dieser Idee waren sie selbst überrascht: „Wir sind von dem Zuspruch echt überrannt worden. Wenn man bedenkt, dass die ganze Aktion Ende 2011 als Hobby begann und wir die ersten Flaschen noch in den Kunstöfen unserer Uni in Wien gebrannt haben, ging es dann doch Schlag auf Schlag“, erzählt Paul Kupfer.
Nebenan.de: Nachbarschaftshilfe 2.0
Über die App nebenan.de können sich Nachbarn vernetzen. | Foto: © nebenan.de Der Begriff Nachbarschaftshilfe mag veraltet klingen, ist aber voll im Trend: Die Anonymität in deutschen Großstädten führt mittlerweile so weit, dass man oft die Nachbarn im eigenen Haus kaum kennt. Dabei wäre so vieles einfacher, wenn man sich hin und wieder gegenseitig aushelfen würde. Dank Smartphone und der App nebenan.de geht das nun auch ohne dass man zuerst an der Tür klingeln und sich vorstellen muss: Wer sich in der App registriert, landet automatisch in einer geschlossenen Gruppe mit anderen Bewohnern der umliegenden Straßenzüge. Aufgenommen wird nur, wer hier auch wirklich wohnt. Gemeinsam können die Mitglieder dann Straßenfeste planen oder Kinderbetreuung organisieren. Die drei Gründer Till Behnke und Michael und Christian Vollmann wollen mit ihrer Netzwerk-App den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken. „Nachbarschaft wird heutzutage häufig sehr stiefmütterlich behandelt“, erklärt Michael Vollmann. „Dabei ist sie neben Familie und Freunden sowie Beruf und Arbeitsleben die dritte wichtige soziale Säule in unserem Leben.“ Auf nebenan.de begegnen ihm mittlerweile jeden Tag schöne Geschichten: „Total herzerwärmend zum Beispiel: Nachbarn, die jetzt gegenseitig füreinander Blumen auf dem Friedhof gießen, damit nicht jeder jeden Tag gehen muss.“
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