Mitteleuropa ist bekannt für prächtige alte Bibliotheken in Klöstern und Universitäten, die oft aus der Barockzeit oder sogar dem Mittelalter stammen. Dass die öffentliche Lesetradition aber weiter lebt und sogar immer mehr Menschen für sich vereinnahmt, zeigen die vielen hochaktuellen Neubauten, die die Institution Bibliothek für das 21. Jahrhundert neu interpretieren. Entdeckt in unserer Ausstellung zehn der interessantesten Bibliotheksgebäude in Tschechien von Deutschland - sowohl von damals, als auch von heute.
Die Südböhmische Wissenschaftliche Bibliothek geht auf das Jahr 1885 zurück, als in Budweis eine Vereinsbibliothek tschechischer Verbände gegründet wurde. Diese wurde stetig erweitert, zog häufig um und vergrößerte ihren Leserkreis. 1945 wurde sie in eine Forschungsbibliothek umgewandelt. 2020 eröffnete der neue Bibliotheks-Pavillon, der sich durch seine klare geometrische Formsprache auszeichnet.
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Foto (Ausschnitt) © Pavel Dolejší
Die Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften setzt sich aus der Bibliothek der ehemaligen Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften von 1779 und der 1727 nach Görlitz gelangten privaten Milichschen Bibliothek zusammen. Es handelt sich um eine klassische Kulissenbibliothek, die sich an barocker Theaterarchitektur orientiert – mit Triumphbögen des Wissens, die wie Kulissen den Saal gliedern. Im deutsch-tschechisch-polnischen Grenzgebiet gelegen, ist ein inhaltlicher Schwerpunkt der Bibliothek die Slawistik: unter anderem finden sich historische Schriften zur sorbischen Sprache und zur slawischen Altertumskunde.
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© Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften
Das Prager Klementinum, ein früheres Jesuitenkloster, dient schon seit 1930 als Sitz der Tschechischen Nationalbibliothek. Doch viele Teile des Gebäudes und seine Sammlungen sind viel älter. Die prächtige Barockbibliothek wurde 1722 von den Jesuiten eröffnet und gehörte zu der von ihnen gegründeten Universität, die später mit der Karls-Universität vereinigt wurde. 1781 begründete ihr damalige Rektor Karel Ungar eine Sammlung tschechischer Literatur, die sogenannte Bibliotheca Nationalis. Dies war der Beginn der heutigen Nationalbibliothek.
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© Bruno Delzant
Die 2018 neu eröffnete Stadtteilbibliothek Kalk in Köln hat neben dem klassischen Büchereisortiment viele neuartige Angebote im Programm. Dazu gehören beispielsweise ein 3D-Drucker, programmierbare Roboter für alle Altersstufen, eine aktuelle Virtual Reality- und Gaming-Ausstattung sowie ein eigens entwickelter interaktiver Großbildschirm. Diese elektronische Tagtool-Wand ermöglicht es den Nutzer*innen, gleichzeitig und gemeinsam an großflächigen Grafiken, Graffitis und Animationen arbeiten.
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© Marco Heyda/includi
Die Geschichte der tschechischen Nationalbibliothek der Technik geht auf das Jahr 1718 zurück. In seiner 300-jährigen Geschichte zog die Bibliothek mehrmals um: im 18. Jahrhundert befand sie sich zeitweise im Klementinum, später im St. Wenzel-Seminar und ab den 1920er-Jahren wieder im Klementinum. 2009 wurde im Zentrum des Campus der Tschechischen Technischen Universität in Dejvice der heutige Standort eröffnet. Das Gebäude zeichnet seine besondere Umweltfreundlichkeit und seine künstlerische Gestaltung aus: über 200 Comic-artige Zeichnungen des bekannten Künstlers Dan Perjovschi dekorieren das Atrium.
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© Anna Weber
1691 gegründet, erlebte die frühere „Herzogliche Bibliothek“ in Weimar zwei Blütezeiten: zuerst unter der Herzogin Anna Amalia, später unter dem deutschen Nationaldichter Johann Wolfgang von Goethe, der ihr ab 1797 als leitender Bibliothekar vorstand. Fast genau zweihundert Jahre später wurde die Bibliothek in das Weltkulturerbe der UNESCO aufgenommen. Tragischerweise brach 2004 ein Feuer im Gebäude aus, das sich zum größten Bibliotheksbrand in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg entwickelte. Zahlreiche Manuskripte und Unikate verbrannten, doch ein Großteil der Sammlung – wie etwa Nietzsches Privatbibliothek – konnten gerettet werden. 2007 wurde die Bibliothek wiedereröffnet.
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© Hannes Bertram/Klassik Stiftung Weimar
Die Bibliothek der Prämonstratenser vom Strahov besteht aus zwei Teilen: dem hier abgebildeten Theologischen Saal vom Ende des 17. Jahrhunderts im Stil des italienischen Barock, und dem Philosophischen Saal vom Ende des 18. Jahrhunderts im Stil des frühen Klassizismus. Ab dem 19. Jahrhundert besuchten viele bekannte Persönlichkeiten die immer berühmter werdende Bibliothek, zum Beispiel der britische Admiral Nelson und die Frau des französischen Kaisers Napoleon Bonaparte. Zu den größten Kostbarkeiten der Bibliothek zählt das „Evangeliar von Strahov“, eine Handschrift aus dem 9./10. Jahrhundert.
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© Prague City Tourism
Die 2019 eröffnete Stadtteilbibliothek am Hubland in Würzburg findet sich in einem ungewöhnlichen Gebäude – einem früheren Flughafentower. Doch sie ist auch in anderer Hinsicht innovativ. Dem Konzept einer „open library“ folgend waren Bürger*innen an der Planung beteiligt und gestalteten einen Ort, der vor allem der Begegnung dient: als Wohnzimmer für den gesamten Stadtteil. Ungewöhnliche Sitzgelegenheiten wie eine Straßenbaumaschine, ein Ufo oder auch ein Heißluftballon laden zum anregenden Austausch ein.
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© Marco Heyda/includi
Die Benediktinerbibliothek Rajhrad ist eine der größten und ältesten Klosterbibliotheken in der Tschechischen Republik. Die Sammlung umfasst über 65.000 Bänden, von denen etwa ein Drittel vor dem Jahr 1800 verfasst wurde. Seit 2005 ist die Bibliothek Teil des Museums des Schrifttums in Mähren.
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© Jan Zavadil/Muzeum Brněnska
Seit ihrer Gründung 1901 belegte die Stadtbibliothek Stuttgart unterschiedliche Räumlichkeiten, zwischen 1965 und 2011 etwa das vormals königliche Wilhelmspalais. Ihr jetziger Standort wurde architektonisch vom römischen Pantheon sowie der französischen Nationalbibliothek inspiriert. 11 Stockwerke ergeben zusammen einen streng quadratischen Würfel, der innovative Abteilungen wie die rund um die Uhr geöffnete „Bibliothek der Schlaflosen“, die „Graphotek“ (mit Kunst zum Ausleihen) und das „Klangstudio“ (mit Musikinstrumenten zur Benutzung vor Ort) beherbergt.
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© Stadtbibliothek Stuttgart / yi architects / martinlorenz.net