Kunst und Geschichte
Geschichte eines Goethe-Denkmals
Das Karlsbader Goethe-Denkmal von 1883 hat eine spannende Geschichte: Verehrt, verhasst, niedergerissen und verloren war das Kunstwerk, das einmal im Zentrum des weltbekannten Kurortes stand. Im Jahr 2015 ließ sich der berühmte tschechische Künstler Jiří David davon inspirieren und schuf ein darauf basierendes Werk, Das Goethe Nicht-Denkmal (Nepomník), das sich im Goethe-Institut in Prag befindet. Der Torso des Originaldenkmals ist seit 2018 auf dem Goetheweg in Karlsbad zu finden.
Johann Wolfgang von Goethe besuchte Karlsbad ganze 13 Mal: „Auf der Welt gibt es nur drei Orte, an denen ich leben möchte: Weimar, Rom und Karlsbad”. Um an Goethes Liebe zu diesem Kurort und seine Reisen dorthin zu erinnern, wurde 1883 ein Denkmal, bestehend aus einem weißen Marmorsockel und einer Büste, für ihn errichtet. Die Büste fertigte der Stuttgarter Bildhauer Prof. Adolf von Donndorf, der sie allerdings selbst stets für misslungen hielt.
Der vertriebene Goethe
Das Goethe-Denkmal stand vor dem prestigeträchtigen Grandhotel „Pupp“ bis 1946. Von den Bombenangriffen auf Karlsbad, Ende des Zweiten Weltkrieges, blieb es zwar verschont, fiel aber nach Kriegsende den Säuberungsaktionen zum Opfer und teilt damit das Schicksal der Sudetendeutschen: Auch das Denkmal wurde „vertrieben“. Der von der Stadt ernannte „Lokale Rat für Aufklärung“ bestimmte, dass das Denkmal zunächst mit Holzbrettern vernagelt und später ganz abgerissen werden solle.Der Vorsitzende des Karlsbader Bauamtes, Ladislav Kozák, begründete die Entscheidung wie folgt: „Goethes Genialität und sein weltweiter Ruhm müssen nicht diskutiert werden. Seine Bedeutung für die Stadt Karlsbad, die er so mochte und oft beschrieben hat, und was er für die Stadt mit seinen geologischen Forschungen, die er als einer der ersten durchführte, geleistet hat, lassen sich nicht bestreiten. Man muss allerdings bedenken, dass er auch als typischer Vertreter des Deutschen wahrgenommen wird. Wohlbekannt ist seine Achtung, ja sogar Servilität gegenüber dem deutschen Adel […]. Auch wenn er einer der Großen in der Literaturwelt war, so war seine Persönlichkeit doch klein. Sein menschliches Profil ist uns fremd und nicht besonders sympathisch.“ *
1946 wird dann der Plan in die Tat umgesetzt: Während die Büste immerhin noch einen Platz im Museum findet, wird der Sockel zu Baumaterial, mit dem ein Bombenkrater gefüllt wird und gerät dann ins Vergessen. Erst im Winter 2014 stößt man bei Bauarbeiten zufällig auf den alten Marmorsockel. Auf Anfrage des Goethe-Instituts hat die Stadt Karlsbad die gefundenen Teile des Sockels anschließend großzügig nach Prag verliehen, um sie dort auszustellen.
Hin und zurück
So fanden die beiden, durch ihre Geschichte beträchtlich gezeichneten, tonnenschweren Bruchstücke im Herbst 2015 ihren Weg nach Prag. Vor dem Goethe-Institut wurde der Sockel zum ersten Mal seit 70 Jahren aufgestellt. Damit wurde er nicht nur zum Höhepunkt der 25. Jubiläums-Feier des Prager Goethe-Instituts, sondern bot außerdem die perfekte Ausstellungmöglichkeit für die die eigens für ihn angefertigte Installation Jiří Davids namens Nicht-Denkmal, die sich als sehr populär und ziemlich kontrovers erwiesen hat – soweit die Pressestimmen.Auf die Reste des historischen Sockels setzte Jiří David ein Gartenrad, das er mit Symbolen füllte, die auf die Vergänglichkeit der Kultur hinweisen. Im Vordergrund stand dabei die Frage: Vor wem und was verneigen wir uns und wie gehen wir mit dem kulturellen Erbe unserer Vorfahren um?
Im Winter 2015 dann die Überraschung: In einem offiziellen Brief forderten die Stadtbehörden des Bezirks die sofortige Beseitigung des Kunstwerks. Auf dem Gehweg vor dem Institut stehend, würde es die Fußgänger gefährden. Auch schien man wenig begeistert über die Vorstellung eines permanenten Karlsbader Denkmals mitten in Prag.
Zwei Jahre lang bemühte sich das Goethe-Institut, die Meinung der Prager Behörden zu ändern, doch am Ende stand ein endgültiges „Nein“ für den Goethe-Sockel in Prag. Kurz vor Weihnachten 2017 hieß es, das Denkmal musste sich wieder auf die Reise „nach Hause“ nach Karlsbad machen.
Der zerstückelte Zeuge
In seiner Heimatstadt Karlsbad wurde der in Prag abgelehnte Goethe-Sockel nun herzlich begrüßt. Die städtischen Behörden waren sich einig: Nun solle er an einem neuen Platz wiederaufgestellt werden, als Zeuge und Dokument der besonderen und wechselhaften Geschichte der deutsch-tschechischen Kulturbegegnung.Am 16. September 2018 wurde der historische Sockel auf dem Goethe-Weg enthüllt, unweit des Ortes, an dem das Denkmal von 1883 bis 1946 stand. Neben ihm, auf einem neueren Sockel aus den 1950er-Jahren, wird auch die ursprüngliche Goethe-Büste präsentiert.
Ob die turbulenten Zeiten des Karlsbader Goethe-Denkmals damit ihr Ende finden, wird sich zeigen. Nun möchte man gerne eine Informationstafel zusammenstellen. Auch eine App soll Interessierte auf den Spuren Goethes in Karlsbad begleiten. Spuren aus der Vergangenheit, die es sich auch in der heutigen Zeit zu entdecken lohnt.
* Quelle: Osudy karlovarských soch a pamětních desek po roce 1945. IN: XV. Historický seminář Karla Nejdla, Karlovy Vary 2006)