Ein neues stilles Zuhause
Wie die Gehörlose Karolína Hyklová in Guatemala ein neues Zuhause fand
Anfang September 2012 machte sich die 24-jährige Karolína Hyklová im Rahmen des Europäischen Freiwilligendienstes (EFD) nach Guatemala auf, um den Menschen dort zu helfen. Zum ersten Mal in ihrem Leben verließ sie Europa. Fast jeder wäre vor einer solchen Reise aufgeregt. Für Karolína gilt das umso mehr, denn sie ist von Geburt an gehörlos.
Sie hatte drei Wochen Bedenkzeit, ob sie dieses Abenteuer wagen solle. Ihr nahestehende Menschen unterstützten sie und rieten ihr, diese Möglichkeit zu nutzen, gleichzeitig hatten sie jedoch Angst um sie. Je näher das Datum der Abreise rückte, desto nervöser wurde Karolína. Nach einer zweitägigen Reise landete sie endlich in Quetzaltenango. Von dort ging es weiter in die kleine Stadt Xele, ihrem Einsatzort.
Außer ihr waren noch drei weitere Freiwillige vor Ort, die hier ihren EFD versahen. Das gesamte Team einschließlich der Koordinatoren bestand aus Leuten, die bis dahin noch keinen Kontakt mit Gehörlosen hatten. Deshalb dauerte es eine Weile, bis man einen Weg fand, wie man am besten miteinander kommuniziert. Am Anfang machte man das über kurze englische Notizen auf Papier oder im Handy. Zu der Zeit machte Karolína die erste Krise durch. „Ich war isoliert, wie beiseitegeschoben“, erzählt sie. In dem Moment war sie drauf und dran ihre Sachen zu packen und abzureisen. Nach zwei Tagen ist der örtliche Koordinator Pedro auf die Situation aufmerksam geworden. Er berief die Freiwilligen in den Clubraum; alle sollten ihr Notebook mitbringen. Gemeinsam kommunizierten sie dann über Skype und kamen zu dem Ergebnis, dass Karolína den anderen Teilnehmerinnen die Zeichensprache beibringt. Die jungen Frauen waren anscheinend talentiert und hatten große Lust zu lernen, und so waren sie am Ende ihres Aufenthaltes in der Lage, sich in Zeichensprache problemlos über jedes Thema auszutauschen. Die erste Krise, die durch die Kommunikationsbarriere hervorgerufen wurde, war damit gemeistert. Karolínas Hauptmotivation war dabei der Wille sich selbst und den anderen zu zeigen, dass sie das packt.
Vertrauen gewinnen
Karolína absolvierte ihren Europäischen Freiwilligendienst in einer Gehörlosenschule. Dort musste sie die guatemaltekische Zeichensprache unterrichten. Diese kannte sie aber vor ihrer Ankunft in Guatemala überhaupt nicht, nur die englische. Mit ihren Schülern hatte sie zu Beginn also große Verständigungsprobleme. „Alle sprachen nur spanisch, englisch überhaupt nicht. Mich rettete eine dort lebende amerikanische Lehrerin. Sie brachte mir die guatemaltekische Zeichensprache bei“, so Karolína. Die Schule, an der Karolína arbeitete, wurde von Schülern aus sozial schwächeren Familien besucht. Zu Beginn waren die Kinder ihrer neuen Lehrerin gegenüber misstrauisch. Karolína musste also zunächst das Vertrauen ihrer Schüler gewinnen. „Schließlich ist mir das unter anderem dadurch gelungen, dass ich ihnen das Fotografieren beigebracht habe“, erzählt die 24-jährige Tschechin. Was für europäische Kinder vielleicht eher eine langweilige Angelegenheit wäre, stieß bei den guatemaltekischen Schülern auf große Freude und Begeisterung. Mit der Zeit sind ihr viele der Kinder ans Herz gewachsen und mit einigen ist sie bis heute im Kontakt.
Karolína hat in Guatemala vieles gefallen. „Mich begeisterte die dortige Kultur, die allgegenwärtige Farbenpracht der Kleidung, der Gebäude, der Souvenirs – und auch die Liebenswürdigkeit der Menschen“, schwärmt sie. „Als ich einmal um halb sieben abends mit dem letzten Bus ins Hotel zurückfuhr, bestand der Busfahrer darauf, dass es für mich zu gefährlich sei, alleine zu gehen. Er begleitete mich also bis zum Hotel.“ Zudem erntete sie als Blondine – in Guatemala eine einzigartige Erscheinung – zahlreiche bewundernde Blicke. Je näher der Termin der Abreise rückte, desto klarer wurde ihr, dass sie ihren Aufenthalt am liebsten verlängern würde.
Ankommen und sich mitteilen
„Nach meiner Rückkehr nach Hause war ich voller Eindrücke, die ich natürlich unbedingt mitteilen wollte“, so Karolína. „Ich habe deshalb einen Vortrag vorbereitet, in dem ich meine Erlebnisse präsentierte und dazu gab es noch eine Ausstellung mit Fotos aus Guatemala.“ Eine von Karolínas Freundinnen, Lenka, war von dem Geschilderten derart begeistert, dass sie sich entschloss, einen Europäischen Freiwilligendienst am selben Ort zu absolvieren. „Die Zeit in Guatemala hat meine Sicht auf die Welt verändert“, schildert sie ihre Eindrücke. „Das Leben dort ist langsamer, die Menschen sind nicht so hochmütig wie die Europäer wenn man Hilfe braucht, die gegenseitige Hilfsbereitschaft ist ausgeprägter.“ Für Karolína ist Xele innerhalb kurzer Zeit zur zweiten Heimat geworden. „Ich kenne ganz Guatemala und würde gerne noch einmal hinfahren und länger bleiben“, sagt Karolína und schaut ein wenig verträumt, wenn sie sich an das Land erinnert, das ihr so ans Herz gewachsen ist.
Übersetzung: Ivan Dramlitsch