Hängende Kugelgärten
In ihrem Geschäft sieht es aus wie in einem improvisierten Blumen-Dschungel. Von der Decke hängen Moos-Bälle herab, aus denen die unterschiedlichsten Pflanzen herauswachsen. An der Wand sieht man Miniaturgärten in Glasgefäßen. Die Gartenarchitektin Lenka Hrubá stellt als eine von ganz wenigen in Tschechien Kokedamas her – natürliche hängende Blumentöpfe.
„Mein erstes Kokedama bekam ich vor vier Jahren von meinem Mann. Er brachte es aus Amsterdam mit – bis dahin hatte ich noch nie etwas Ähnliches gesehen. Ich hatte überhaupt keine Ahnung, was das ist und begann zu recherchieren“, erinnert sich Lenka (31) an ihr erstes Erlebnis mit den schwebenden Naturblumentöpfen. Wenn sie darüber spricht, bekommt man geradezu das Gefühl, es gebe nichts Besseres auf der Welt. „Kokedamas stammen aus Japan, es handelt sich um eine alte Methode der Pflanzenzüchtung, die ähnlich der von Bonsais ist.
„Es gibt zwei Arten von Kokedamas – schwebende Kokedamas, die man in den Raum hängt und solche, die man beispielsweise auf einen Teller platziert. Die größte Tradition hat der Moos-Ball, den man in Japan einer hübschen Schale in die Mitte des Tisches stellt. Da die Japaner aber oft wenig Platz haben, dann werden Kokedamas auch in den Raum gehängt“, erläutert die studierte Landschaftsarchitektin Lenka. Die Technik, von der sie spricht, stammt aus dem 17. Jahrhundert, der Ursprung ist aber nicht ganz klar. Die ersten Moos-Bälle wurden aus Bonsais hergestellt. Zuerst wurden sie in ein Gefäß gestellt, wo ihr Wurzelsystem eine feste Struktur ausbilden konnte, nach dem Herausnehmen wurden dann die speziell geformten Wurzeln auf einen Untersatz gestellt, damit das feste Erde-Wurzel-Gebilde durch das Moos hindurchwachsen konnte.
„Das erinnert mich ganz stark an den kleinen Prinzen und seinen kleinen Planeten mit den Baobabs. Es fasziniert mich, dass man Kokedamas ohne Blumentopf züchten kann. Es ist aber ziemlich anspruchsvoll. Es hat lange gedauert, bis ich genau kapiert hatte, wie das genau gemacht wird und was man dazu alles braucht“, erzählt Lenka. Die Details möchte sie jedoch für sich behalten. Mit der Methode Versuch-und-Irrtum hat sie sich zwei Monate lang bemüht, einen funktionierenden schwebenden Moos-Ball herzustellen. Erst dann hatte sie den Kniff raus. „Jedes Mal habe ich was zusammengeschustert und es dann wieder auseinander genommen. Bis ich vollkommen zufrieden war, hat es ein Jahr gedauert. Bis heute probiere ich aber neue Dinge aus.“ Lenka meint, es sei praktisch, mehrere Kokedamas auf einmal herzustellen. In drei Tagen schafft sie ungefähr zehn Stück, es kommt darauf an, wie groß sie sind. Ihre andere Spezialität – ein Aerarium – schafft sie hingegen innerhalb einer halben Stunde. Ein Aerarium ist eine Art kleines Glashäuschen, in das man Blumen, Steine oder kleine Tierchen aus Glas platzieren kann.
Vom wuchernden Beet zum hängenden Ball
Lenka hatte schon als Kind ein sehr inniges Verhältnis zu Blumen. „Ich stamme aus Prag-Smíchov, aus einem Pawlatschenhaus, mit einem vollkommen zugewachsenen Innenhof, der reinste Dschungel, da gab es wilde Katzen, und meine Oma hatte da ein paar Beete. In dem Garten haben wir das versucht zu kultivieren. Schon damals hat es mir Spaß gemacht, in der Erde zu wühlen und mit der Mutter Blumen umzutopfen“, erinnert sie sich an ihre ersten botanischen Schritte. Dennoch gibt sie zu, dass unter ihrer Obhut Pflanzen auch eingegangen sind. „Eine Zeit lang hatte ich so eine Kakteen-Manie, doch habe ich die Pflege nicht so richtig hinbekommen. Man darf sich nämlich nicht allzu sehr um diese Pflanzen kümmern, ich habe mich aber einfach zu viel gekümmert“, gesteht die Floristin, die in ihrer Freizeit gerne manuellen Tätigkeiten nachgeht. „Ich liebe es einfach, mit den Händen irgendetwas herzustellen. Im Moment stehe ich gerade auf Keramik“, lacht Lenka, die sich aber auch gut beim Reisen erholen kann. Gerne macht sie Bergtouren, da bekomme man den Kopf frei, so die 31-Jährige.
Der Garten verändert sich jeden Tag
Nach dem Gymnasium besuchte Lenka die Landwirtschafts-Universität, wo sie das damals neue Fach Gartenarchitektur studierte. Es war jedoch ziemlich schwer, nach dem Abschluss eine adäquate Stelle zu finden. Kurze Zeit arbeitete sie in einem Landschaftsatelier, dann gründete sie mit einer Freundin ihr eigenes Studio. „Wir entwarfen und realisierten Gärten, und ich hatte Spaß daran zu sehen, wie Pflanzen funktionieren. Ein Garten ändert sich nämlich nicht nur mit den Jahreszeiten, sondern auch im Verlauf von mehreren Jahren. Das ist ein unendlicher Prozess, deshalb ist die Planung so wahnsinnig schwierig. Und gleichzeitig ist es eigentlich das Schönste an der Arbeit“, lacht Lenka. Ihre Freundin und Kollegin schließlich wurde schwanger und sie musste überlegen, wie es weitergeht.
Ihr Mann hat sie dann schließlich überzeugt, ein eigenes Geschäft zu eröffnen. „Ich bin zur Inspiration nach Amsterdam gefahren und habe geschaut, wie dort die Hipster-Läden aussehen. Dann fing ich an, Räume in Prag zu suchen. Ich wollte beim ‚Hänge-Konzept‘ bleiben, und überlegte deshalb, was zu Kokedamas passt, was auch grün und traditionell ist. So kam ich auf hängende Kolben-Aerarien, in die man im Grunde genommen alles hineinstellen kann“ erinnert sich Lenka an die Anfänge ihres Geschäftes, in dem früher Herren-Freizeitbekleidung verkauft wurde.
Jetzt hängen dort an die 50 Minigärten und Baobab-Planeten, die Lenka ganz ihren Vorstellungen angepasst hat. „Ich habe meine eigene Mischmethode für das Substrat ausgedacht, damit es die Form hält. Und es muss auch der konkreten Pflanze angepasst werden. Ich mache dann um die Wurzeln herum ein kugelförmiges Gebilde aus Erde und Wurzeln, verpacke dies in Moos und fixiere das Ganze mit einem Netz. Das Moos ist im Grunde genommen ein natürlicher Blumentopf.“ Zwar können Kokedamas auch für draußen hergestellt werden, aber die Designerin hat sich für die Zimmerpflanzen-Variante entschieden, dafür eignen sich vor allem tropische oder subtropische Pflanzen. „Kokedamas aus verschiedenen Bonsais oder Donnerbüschen macht Frost nichts aus, aber meistens wollen die Leute Blumen übers ganze Jahr im Haus haben“, sagt Lenka.
Übersetzung: Ivan Dramlitsch