„Lovetrotter“ – Wie liebt die Welt?
Die Geschichte vom Fernweh ist nicht neu. Dem Fernweh zu folgen und hinterher eine Geschichte darüber zu schreiben, ebenso wenig. Die junge Journalistin und Autorin Wlada Kolosowa (27) stellte ihre Weltreise von vornherein unter ein Motto. Sie wollte auf fünf Kontinenten Liebesgeschichten sammeln. Herausgekommen ist „Lovetrotter – Eine Weltreise rund um die Liebe“.
„Ich hatte schon seit dem Abi den Wunsch, eine Weltreise zu machen“, erzählt Wlada Kolosowa. Einmal ausbrechen, einmal von Hostel zu Hostel reisen und sich dabei die Welt anzusehen, diesen Traum hegte sie heimlich – und verschob ihn von Jahr zu Jahr. Entweder fehlte es an der Zeit, oder es fehlte am Geld. Als sie dann schließlich genug gespart hatte, kam es ihr plötzlich nicht mehr richtig vor, einfach so draufloszufahren. Also suchte Wlada nach einer Projektidee: „Man lernt ein Land nur dann wirklich kennen, wenn man mit der Bevölkerung in Kontakt kommt.“ Dazu ist ein konkreter Gesprächsanlass natürlich von Vorteil. Als Kolumnistin für diverse deutsche Zeitungen und Zeitschriften hatte sich Wlada schon viel mit dem Thema Liebe beschäftigt. Was lag da näher, als beides miteinander zu verbinden?
Teheran statt Paris
Wladas Ziel war es, Liebesgeschichten auf allen fünf Kontinenten zu sammeln. „Es war mir wichtig, Länder zu bereisen, in denen die Sache vielleicht ganz anders läuft als bei uns, im Alltag auch anders gelebt wird oder gelebt werden muss.“ Ein Trip nach Paris, der angeblichen Stadt der Liebe schlechthin, kam deshalb von vorn herein nicht in Frage. „Zwischen Franzosen und Deutschen besteht kein so enormer Unterschied“, glaubt Wlada.
Ihre Interviewpartner fand Wlada an unterschiedlichsten Orten. Teilweise im Internet, teilweise per Zufall im Flugzeug oder auf offener Straße. In Kambodscha lief sie treuherzig einem Mann nach, angelockt durch seinen Ehering und die Geschichte, die sie dahinter zu finden hoffte. Erst später fand sie heraus, dass sie ihm in eine einschlägige Bar gefolgt und er offensichtlich auf der Suche nach außerehelichem Vergnügen war. In den USA wunderte sie sich über Dating-Marathons, in China wiederum über Mütter, die per Kontaktanzeige nach künftigen Schwiegertöchtern suchten: „Niedriger BMI und hohes Einkommen erwünscht“. Im Iran, wo schon das Händchenhalten auf offener Straße umgehend die Sittenpolizei auf den Plan ruft, traf sie auf ein Paar, das sich nicht nur gewitzt an der Sittenpolizei, sondern auch an den Bedenken der Eltern vorbeigemogelt hatte. Sie begegnete einem buddhistischen Mönch, der seinen jahrelangen Kampf gegen die Liebe verlor und eine Partnerin gewann. Bei ihrer Oma in Russland lernte Wlada eine fast schon verwirrend bodenständige Vorstellung von Beziehungen kennen.
Liebe als Gesamtpaket
Wlada hat eine Unmenge an Eindrücken mit nach Hause gebracht, die oft unseren gängigen Klischees widersprechen. An Brasilien faszinierte sie, dass Kontakte rasch geknüpft werden und eine durchliebte Nacht inklusive der Trennung am Morgen danach offenbar grundsätzlich nicht so schwer genommen wird. Am Iran war es der Blick hinter die Kulissen, der sie nachhaltig beeindruckte. „Die Fassade ist natürlich sehr konservativ“, räumt sie ein, „aber dahinter ist alles gar nicht so brav und gesittet, sie man vermuten würde. Dort findet man einen ungeahnten Hedonismus“, berichtet Wlada.
Die Mitteleuropäer könnten von anderen Ländern noch so einiges lernen, findet die 27-Jährige. „Viele Paare machen sich jahrelang Gedanken, ob der aktuelle Partner der richtige ist, ob da alles passt. In vielen Kulturen sind die Menschen entscheidungsfreudiger und mutiger.“ Es herrsche außerdem vielerorts eine größere Verbindlichkeit - im positiven Sinne, betont Wlada. „Da wird die Liebe als eine Art Gesamtpaket verstanden. Man weiß, dass der Partner ein Mensch mit Stärken und Schwächen ist. Und es wird nicht gleich Schluss gemacht, wenn irgendein Detail nicht zu passen scheint.“
Grüble nicht, trau dich! Das hat Wlada sich vorgenommen. Nach ihrer Rückkehr ist sie mit ihrem Freund zusammen gezogen, eine Entscheidung, die sie zuvor immer wieder vor sich hergeschoben hatte. „Es fühlt sich richtig und gut an“, erzählt Wlada und strahlt.
Kein internationaler Beziehungsratgeber
Wo genau ordnet man Lovetrotter denn nun ein? Es ist ein Reisebericht. Eine Sammlung von Liebesgeschichten. Gewürzt mit einem Schuss Suche und Selbstfindung. Zugegeben: Die Geschichten sind eine Auswahl subjektiver Erzählungen. Sie besitzen keine statistische Aussagekraft. Die Frage „Wie liebt die Welt?“ können sie nicht beantworten. Wollen sie aber auch gar nicht. Denn eines ist Lovetrotter garantiert nicht: Einer von diesen Beziehungsratgebern voller schlauer Sprüche und halbgarer Weisheiten, die gut klingen, aber sich unstimmig anfühlen. Es war nie Wladas Ziel, sich zur internationalen Beziehungsexpertin aufzuschwingen. „Ich fühle mich weder in der Lage noch in der Position, anderen Menschen kluge Ratschläge zu erteilen, wie sie ihre Beziehungen führen sollen“, erklärt sie. „Es gibt so viele Aspekte der Liebe, das Ganze ist absolut individuell, und auch abhängig von Umfeld und Gesellschaft. Was für den einen funktioniert, muss für den anderen noch lange nicht richtig sein.“