Kultur

Akne auf der Stirn

Akne auf der Stirn

Akne auf der Stirn © Akne auf der Stirn

Warum heißt eine Band aus Olomouc Akne auf der Stirn? Die Mitglieder sagen von sich, sie seien „eine deutsche Band aus der Haná“ (So heißt die Region um Olomouc). Sie singen nämlich auf Deutsch. Und genauso wie sich ein ausgeglichener Mensch nicht durch irgendeinen Ausschlag aus der Bahn werfen lässt, so macht auch diese Gruppe, die bekannte Lieder mit Gitarre, Violoncello und Xylophon neu interpretiert, einfach „ihr Ding“. Wer daran herummäkelt, dass die Band nur Cover-Versionen und diese auch noch in deutscher Sprache singt, der hat vor allem die Idee dieses Projekts nicht verstanden.

Eigentlich hat die Gruppe auf ganz gewöhnliche Weise zueinander gefunden: Man lernte sich als Begleitmusiker bei einigen Theatervorstellungen kennen. Aber das ist natürlich nicht das Gleiche wie eine eigene Band zu haben. Dann kam das Angebot, einen Auftritt für den Theaterball vorzubereiten. Und weil nach dem ersten Konzert alle weitermachen wollten, gab es dann irgendwann die Band. Auf diese oder ähnliche Weise sind wahrscheinlich viele tschechische Gruppen entstanden, aber vermutlich hat sich kaum eine entschieden, deutsch zu singen.

Cover-Versionen fürs bessere Verständnis

„Früher hatte ich Spaß daran, vorzugeben, diese Sprache zu lieben, aber nach einigen Jahren habe ich Deutsch wirklich lieb gewonnen. Ich mache mich zwar manchmal immer noch über die Sprache lustig, teile aber nicht die Ansicht, dass sie hart klingt und wenig lautmalerisch ist“, sagt Dominika alias Schatzi Arsch, die Stimme von Akne auf der Stirn. Sie behauptet im Übrigen, dass sie nicht singt, sondern eher die Aussprache auskostet. Weitere Mitglieder der Gruppe sind Honza und (Ma)Kačka, die sich auf der Bühne Pulli Kariert und Harte Arbeit nennen. Das Trio vervollständigt VJ Tuppi Uder, der bei den Auftritten für bewegte Bilder sorgt und ansonsten bei der bekannten Trip-Hop-Formation Narcotic Fields Erfahrungen sammelt. Bei Akne auf der Stirn spielt Stilisierung eine große Rolle, davon zeugen die Künstlernamen.

Akne auf der Stirn

Akne auf der Stirn © Akne auf der Stirn

„Früher hat bei uns fast jeder deutsch gesprochen und jetzt haben alle gegenüber dieser Sprache eine geradezu irrationale Abneigung“, meint die Germanistik-Absolventin Dominika, die sich für dieses Phänomen sehr interessiert. Da in Tschechien Englisch die Fremdsprache Nummer Eins ist, musste sich die Band etwas einfallen lassen. Und so haben sie sich auf Cover-Versionen und Mashups verlegt, zeigen während der Konzerte Videoprojektionen und treten in den unterschiedlichsten Kostümen auf. „Wenn wir eigene deutsche Lieder schreiben würden, würde das niemanden interessieren“, sagt Schatzi, für die Englisch keine Option darstellt. Im Vordergrund stehe nämlich der Spaß an der Sache.

Landa neben Mládek

Auf dem Facebook-Profil der Band erfährt man, dass zu ihren Vorbildern Ivan Mládek, Michael Jackson, Ein Kessel Buntes oder Hornbach gehören. Eine genauere Vorstellung erhält man, wenn man sich eine Konzert-Playlist der Gruppe anschaut: Mein Mädchen (Nirvana), Kriminacht (Michael Jackson), Kein Limit (2 Unlimited) oder das Lied mit dem Titel Britney S. gesungen zur Melodie der deutschen Nationalhymne. Von Ivan Mládek [ein tschechischer Songwriter und Komiker, Anm. d. Red.] haben sie sich den Song Schlemihl Emil ausgeliehen, den Mládek selbst ins Deutsche übersetzte. Da Akne auf der Stirn vor einem bunt gemischten Publikum spielen, das mehrheitlich nicht aus Germanisten besteht, stehen auf den Konzerten international verständliche Wörter und bekannte Melodien im Vordergrund. Und fürs bessere Verständnis wird auch manchmal die Grammatik „angepasst“. Aber das bemerkt kaum jemand.

Auch wenn bei der Band der Humor im Mittelpunkt steht, sind auch manchmal sarkastische Töne zu vernehmen. So zum Beispiel wenn auf der Leinwand das Gesicht des ob seiner rechten Vergangenheit umstrittenen tschechischen Sängers Daniel Landa mit einem schwarzen Balken über den Augen auftaucht. Für manch einen Zuschauer ist es dann vielleicht schwer zu erkennen, um wen es sich handelt. Klarheit schaffen dann allerdings Ausschnitte aus Landa-Interviews, die in der 3. Person erklingen: „Sein Leben ist wie ein Karawane, die von leichter Kavallerie eingekesselt ist und mit Pfeilen beschossen wird...“ Dass hier Daniel Landa, dem vorgeworfen wird, mit der Bedienung fremdenfeindlicher Stimmungen Geld zu verdienen, nicht bewundert, sondern kritisiert wird, dürfte jedem klar sein. Bei einem Konzert in Hradec Králové war das allerdings nicht so. „Nach dem Bühnenumbau spielten wir direkt nach einer Hardrock-Mitgröhl-Band vor bierseeligen Jugendlichen. Die schrien uns an, dass wir Faschisten seien und zeigten den Hitlergruß. Das war das schlimmste Konzert“, kommentiert Sängerin Schatzi diesen Fehler des Veranstalters.

Wie geht es weiter?

Wenn schon das tschechische Publikum manchmal etwas ratlos dreinschaut, dann wäre es sicherlich interessant, die Reaktionen von deutschsprachigen Zuhörern zu beobachten. Würden ihnen die Namen Landa oder Mládek etwas sagen? Erst kürzlich bot sich der Band eine solche Gelegenheit, als sie zu einem Auftritt im Tschechischen Zentrum in Wien eingeladen wurde. Allerdings hat die Gruppen diesen Fehdehandschuh nicht aufgehoben. „Wien ist eine ziemlich konservative Stadt“, findet Sängerin Schatzi, die dort einige Monate verbracht hat. Sie ist sich nicht sicher, ob das dortige Publikum ihre etwas skurrile Show annehmen würde. Berlin wäre in dieser Hinsicht besser, ist die Sängerin überzeugt.

Akne auf der Stirn

Akne auf der Stirn © Akne auf der Stirn

Eine CD der Band gibt es noch nicht, bis jetzt existieren nur spontane Aufnahmen und ein paar Überlegungen – ob zum Beispiel für ein Album Songs aus dem Repertoire zusammengestellt werden sollen oder lieber gleich ein Stummfilm vertont werden soll. Mal sehen. Bis es so weit ist, stehen weitere Konzerte auf dem Programm, die die Sprache der Nachbarn auf eine Art und Weise präsentieren, die das tschechische Publikum ziemlich verblüfft.

Ondřej Zuntych
Übersetzung Ivan Dramlitsch

Copyright: Goethe-Institut Prag
April 2012

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