Eine Kruste aus Schlamm
Jazzmetal von „Der Ungeheuer sei Schwester“
Vor drei Jahren klingelte bei Kontrabassist Jens Petzold das Telefon. Eine Anfrage vom Nürnberger MUZclub. Der Veranstalter brauchte für ein Konzert dringend noch eine Vorband. Petzold, der in Nürnberg wohnt und an der dortigen Hochschule für Musik studiert hat, zögerte nicht lange und sagte, das sei kein Problem, er hätte eine Band. Das war glatt gelogen. Und der Anfang von Der Ungeheuer sei Schwester .
Nach zwei Proben unmittelbar vor dem ersten Auftritt war das Trio geboren. Petzold trommelte dafür kurzerhand seinen Studienkollegen, den Schlagzeuger Tobias Birke, und einen Freund zusammen, den Gitarristen und Sänger Krabat, mit bürgerlichem Namen Sebastian Müller, der damals auch als Ein-Mann-Show tourte. Seitdem verbinden die drei brachialen Metalgesang mit fränkischen Mundarttexten, komplizierten Jazzrhythmen und bizarren Verkleidungen. So treten die drei Musiker zum Beispiel mit Wrestling-Masken, Latex-Schutzanzügen, blinkenden Turbanen oder im Raumfahrerkostüm auf. Manchmal sorgt ein Freund der Band als „Special Guest“ mit Tanzeinlagen und Gesang zusätzlich für Erheiterung.
Der spontane Geist der ersten Stunde ist auch nach dreißig Auftritten geblieben – bei den jüngsten Konzerten ersetzt die Band ihre Kostüme immer öfter durch Schlamm. „In letzter Zeit arbeiten wir viel mit Matsch“, so Petzold. „Entweder schmieren wir uns mit Dreck ein, den wir vor Ort finden, oder wir haben unsere Heilerde aus dem Fichtelgebirge dabei, die kann man mit Wasser anrühren und sich so eine Kruste verpassen.“
Huldigung und Verballhornung zugleich
Dazu ein Klanggewitter in bester Metal-Manier und viel Geschrei: Für manch einen Konzertbesucher ist der Sound der fränkischen Kapelle etwas zu derb. „Die Leute sind meistens fassungslos, schauen uns mit großen Augen an und wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen“, meint Petzold. „Klar spielen wir auch in Locations, wo das Publikum hart im Nehmen ist. Aber letztes Jahr sind wir auf dem Festival Umsonst und Draußen in Dresden aufgetreten, und die Leute haben nicht mit uns gerechnet. Die waren sprachlos.“
Dabei zielt Der Ungeheuer sei Schwester keineswegs nur auf Schock und Provokation ab. Durch die laute und wilde Performance schimmert eine intelligente und musikalisch anspruchsvolle Variation auf Metal-Mythen, die Huldigung und Verballhornung zugleich ist.
„Unser Konzept ist es, Humor und eine gewisse Ernsthaftigkeit zu verbinden. Es muss ehrlich sein und nicht aufgesetzt“, sagt Petzold. „Wir hören gerne Metal, Sepultura und Pantera zum Beispiel, aber was uns an der Metalszene immer belustigt hat, waren diese wahnsinnig ernsthaften und übertriebenen Charaktere, die meinen, sie müssten ihre Botschaften verbreiten.“
Vertrackte Rhythmen mit „Bauernschmackes“
Davon hebt sich Der Ungeheuer sei Schwester mit fränkischen Texten ab, die alles sind, bloß nicht bierernst oder dogmatisch. Man merkt ihnen den Spaß an, den Sänger Krabat, im „wirklichen“ Leben Bauarbeiter, beim Verfassen hat. Teilweise gehen die fränkischen Texte auch ins Dadaistische. Für Nicht-Franken sind sie wegen der maulfaulen Natur dieser Mundart schwer bis unmöglich zu verstehen. So auch der Text zum neuesten Track „Kulln hulln“, zu Hochdeutsch: „Kohlen holen“. Das Lied handelt vom Teufel, der sauer ist, weil es in der Hölle zu kalt wird. Seine Großmutter hat nämlich vergessen, Kohlen zu holen.
Der Deifl macht a Gsichd - wos ´ner lous wos ´ner lous? |
Andere Hits der Band heißen „Schlachtschüssel“, eine fränkische Version von Black Sabbath’s Hymne War Pigs oder Bismarck, in dem die Apokalypse heraufbeschwört wird mit den Zeilen: „Erschd wenn der Bismarg den letzten Hering gfressn hod, dann werd mer sehng, dass die Krankenkassa leer ist!“ (Erst wenn Bismarck den letzten Hering gefressen hat, dann werden wir sehen, dass die Krankenkasse leer ist!).
Am Sound der Band hört man, dass zwei ausgebildete Jazzer mitspielen. Das schlägt sich auch in den Proben nieder: Der Ungeheuer sei Schwester probt effizient und sehr leise, was man bei der Lautstärke des Dargebotenen wohl nicht vermuten würde. „Da kommt unser Jazzhintergrund durch, das lernt man einfach“, sagt Petzold. „Und den hört man auch. Was wir machen, ist ziemlich eigen. Unser Ideal ist eigentlich relativ vertrackt, ungerade Rhythmen, schwer zu spielende Sachen, also auch musikalisch eine Herausforderung.“
Dazu kommt dann aber das, was Petzold als „Bauernschmackes“ bezeichnet: Von Metallica inspirierte Stellen, Volksmusik-Elemente, plumpe und naheliegende Wendungen. Viel Zeit verschwendet die Band dabei nicht: Die meisten Lieder sind sehr kurz. „Oft reichen ein, zwei Minuten völlig, um auf den Punkt zu kommen. Dann hat man gesagt, was man sagen wollte und schon geht es weiter mit dem nächsten Lied.“
Eine CD von Der Ungeheuer sei Schwester gibt es bislang leider nicht. Auf der Myspace-Seite der Band (siehe unten) kann man sich aber über aktuelle Konzerttermine informieren.