Leben

Plötzlich König

Foto: © Cephis BansahFoto: © Céphas Bansah
Foto: © Céphas Bansah

Céphas Bansah ist in Ludwigshafen Kfz-Meister – in seiner ghanaischen Heimat ist er König von über 200.000 Menschen.

Nach dem 2:2 Unentschieden zwischen der deutschen und der ghanaischen Nationalmannschaft bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 erschien in Ludwigshafen ein riesiges Feuerwerk am Himmel. Nicht, weil Deutschland den Einzug ins Achtelfinale geschafft hatte. Sondern weil sich in der Industriestadt am Rhein mindestens eine Person für beide Mannschaften freute: Céphas Bansah, in seinem Heimatland besser bekannt als Togbui Ngoryifia Céphas Kosi Bansah, König der rund 206 000 Mitglieder umfassenden und zum Stamm der Ewe zählenden Volksgruppe Hohoe Gbi Traditional Ghana.

Warum lebt der König einer ghanaischen Volksgruppe in Deutschland? Und wie fragt man ihn das?

„Bei Veranstaltungen nennen mich die Leute König Bansah, oder sie sagen ‚Majestät‘. Aber für meine Kunden hier bin ich natürlich kein König. Meine Kunden sind die Könige.“ Das sagt Bansah, während er einen Kaffee aufsetzt. Ghanaische Bohnen, in Ludwigshafen geröstet. Wir treffen uns in Bansahs Haus, das mitten in einem für Ludwigshafen typischen Industriegebiet liegt und dieselbe Adresse hat wie Bansahs Kfz-Werkstatt. Der Eingangsbereich gleicht einem Tor in eine andere Welt. Hölzern verkleidete Säulen mit kunstvoll eingelassenen Figuren, im engen Hausflur eine Reihe subsaharischer Kunst neben Familienfotos, Auszeichnungen und Zeitungsausschnitten. Bansah deutet nach oben. „Setzen wir uns ins Wohnzimmer.“ Das Wohnzimmer ist auch sein Büro. Gleich zwei Throne hat Bansah hier, vier vergoldete Kronen stehen repräsentativ auf unterschiedlich hohen Sockeln. Den Boden zieren Tiger- und Gepardenfelle aus künstlicher Herstellung. Bansah liebt die Natur, das sinnlose Töten von Tieren und das Abholzen von Wäldern hält er für einen barbarischen Akt.

Foto: © Céphas Bansah

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Voodoo für die deutsche Fußballmannschaft

Wir sitzen auf dem Sofa, zwischen im Afrika-Thema gehaltenen Kissenbezügen und mit Blick auf einen großen Sessel in Schwarz-Gold-Rot. Die Zahlen 1954-1974-1990, schmücken als Stickerei die Rückenlehne. In diesen Jahren wurde die deutsche Fußball-Nationalmannschaft Weltmeister. Wie um kein Missverständnis zu provozieren, liegt auf dem Sessel ein Fußball in den Nationalfarben Ghanas.

Hier lebt jemand, der vieles zugleich ist. Ein Protestant, der in seiner Werkstatt ein Bild des Papstes aufgehängt hat. Ein Herrscher, der eine Version von „O Tannenbaum“ in seiner Muttersprache Ewe eingesungen und auf CD veröffentlicht, und der nach Ghanas Ausscheiden in der Fußball-WM ein Voodoo-Ritual für die deutsche Mannschaft vorgenommen hat. „Meinetwegen ist Deutschland Weltmeister geworden“, sagt Bansah, halb augenzwinkernd, halb im Ernst.

Bansah ist zweifacher Meister, darauf legt er Wert. Er hat in Deutschland eine Ausbildung zum Landmaschinenmechaniker abgeschlossen, die Meisterschule besucht und einen Kfz-Meister angehängt. Nach einem Jahrzehnt in Deutschland hatte er sich eine Existenz aufgebaut, heiratete eine Deutsche, bekam mit ihr zwei Kinderund gründete seine eigene Firma.

Zur Ausbildung nach Deutschland geschickt

Dass er damals, im Jahr 1970, überhaupt nach Deutschland ging, hatte sein Großvater und Vorgänger im Amt entschieden. Dieser war fasziniert von Deutschland, ungeachtet der Zerstörung, die die europäischen Kolonialisten über Westafrika gebracht hatten. Einer seiner Enkel sollte in Deutschland zum Handwerker ausgebildet werden – die Wahl fiel auf den damals 22-jährigen Céphas.

Regelmäßig flog der junge Bansah zurück nach Ghana, drei Mal organisierte er mit deutschen Freunden den Transport von Sachspenden in seine Heimat. „Wir sind mit einem Transporter bis Genua gefahren, nahmen die Fähre nach Tunesien, und fuhren über Algerien und den Niger bis nach Ghana. In den achtziger Jahren ging das noch“, erzählt Bansah. Spendenaktionen organisiert er bis heute. „Suche gebrauchte Fahrräder für Ghana“ steht auf dem Hoftor, das zu seiner Garage führt. Ins Leben gerufen hat er außerdem die Aktion „Gib deine Alte zurück“ – gemeint sind alte Brillen, die Bansah in Kooperation mit einem Optiker nach Ghana bringt.

Foto: © Céphas Bansah
Foto: © Céphas Bansah

Thronfolger, weil er Rechtshänder ist

Im Jahr 1987 starb der alte König und hinterließ ein vakantes Amt. Der Rat der Ältesten, der in der Volksgruppe der Hohoe den König wählt, erinnerte sich an den großzügigen jungen Enkel des alten Königs. Eigentlich sah die Thronfolge zwar Céphas’ Vater vor. Doch der kam, ebenso wie dessen ältester Sohn Fridolin, als Nachfolger nicht in Frage – als Linkshänder gelten sie bei den Hohoe als unrein. Da hätten sich die Ältesten an den jungen Céphas erinnert. Gerade, dass er im Ausland lebte, gefiel dem Rat. „Den Ältesten war bewusst, dass man in dieser Welt einen erfahrenen Mann zum König haben sollte.“ Und doch sollte es noch weitere fünf Jahre dauern, bis die Wahl auf Céphas Bansah fiel. Unter der Voraussetzung, in Deutschland bleiben und von dort aus regieren zu können, nahm Bansah die Wahl an. 1992 reiste er, mit einer 30-köpfigen deutschen Delegation, der auch ZDF-Journalisten angehörten, zur Krönung nach Ghana.

Ein diplomatisches Amt ist mit Bansahs Königtum nicht verknüpft. Ghana ist eine republikanische Demokratie, eigentlich dürfte es dort keinen Monarchen geben. Doch der Osten des Landes bewahrt eine Tradition, die aus vorkolonialer Zeit stammt. Eweland gehörte einst zu Togo, wurde erst von den britischen Besatzern Ghana zugewiesen. „Wir haben unsere Kultur, unser spirituelles Gut nicht vergessen“, sagt Bansah. Vor allem die Bewahrung des Voodoo-Kultes neben der heute zum Großteil christlichen Gesellschaft Ghanas sei ihm ein Anliegen. „Voodoo bedeutet nichts anderes, als die Natur zu respektieren“, erklärt er. Der von den Hohoe-Ältesten gewählte König müsse deshalb vor seiner Krönung ein achttägiges Ritual im Urwald durchgehen. Bansah streckt seine Arme aus und deutet auf die beiden Narben, die sich rechts und links über seine Handrücken erstrecken, ein Andenken an jenes Ritual. „Es ist nicht einfach, König zu werden. Aber dann spürst du den Spirit, die Kraft. Die Hohoe wollen einen starken König.“

Nun ist der König hier, Tausende Kilometer entfernt von seinem Volk, für das er vor allem eines sein will: Projektmanager für mehr Infrastruktur. Etwa acht Mal im Jahr fliegt er nach Ghana, außerhalb dieser Zeit führt sein Bruder Fridolin, der Linkshänder, die Amtsgeschäfte. Fast täglich telefonieren oder mailen der König und sein Stellvertreter, das letzte Wort hat Céphas Bansah. Zurzeit organisieren die beiden den Aufbau eines Ausbildungszentrums für Mädchen. „Die Frau hat einen hohen Status in der Gesellschaft. Deshalb geht es Ghana so gut.“

Wenn wir Veranstaltungen machen, sagen die Leute zu mir „Majestät“ oder „König Bansah“. Aber meinen Kunden habe ich gesagt, dass ich für sie kein König bin. Der Kunde ist der König! Die brauchen mich nicht König zu nennen. Ich lebe von ihnen.

Copyright: jádu / Goethe-Institut Prag
Dezember 2014

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