Ein Vietnamese im Europawahlkampf
Wird er der Philipp Rösler Tschechiens? So hohe Ambitionen hat Nguyen Cong Hung nicht – noch nicht. Mit seiner Kandidatur für das Europaparlament will er vor allem ein Zeichen für seine vietnamesischen Landsleute setzen.
Für Nguyen Cong Hung ist das, was er gerade tut, ein symbolischer Akt. Vor KFC am Prager Verkehrsknotenpunkt I.P. Pavlova läuft er auf und ab und murmelt immer wieder die gleiche Frage: „Sind sie gegen die Euro-Einführung?“. Nguyen ist Student an der Wirtschaftshochschule VŠE, Jahrgang 1985, und meint, die vietnamesische Minderheit in Tschechien sollte sich engagieren – gesellschaftlich und politisch. Deshalb kandidiert er bei den Europawahlen, für die ODS (Demokratische Bürgerpartei).
Wir wollen eine Ausnahmeregelung
Mit Korruptionsskandalen und Regierungsstürzen manövrierten sich die Bürgerdemokraten in die Dauerkrise. Umfragen zur anstehenden Europawahl sagen der einst stärksten liberal-konservativen Partei Tschechiens nur mehr acht Prozent voraus – höchstens. Die bürgerdemokratische Reaktion: mehr Euroskeptizismus. Sie wettern gegen unnötige Haushaltsausgaben in Brüssel, machen die Strukturfonds für den Anstieg der Korruption verantwortlich und schüren Angst vor Einwanderungswellen. Ihre stärkste Waffe jedoch ist die „Petition gegen den Euro“.
100 Unterschriften hat Nguyen in zwei Stunden an diesem Donnerstag gesammelt – das verwundert kaum, einer Umfrage zufolge sind 76 Prozent der Bevölkerung gegen den Euro. Mit ihm kämen Teuerungen und die Schulden von Staaten wie Griechenland und Portugal würden auf die Tschechen abgewälzt, glaubt Nguyen und meint, Tschechien könne sich das nicht erlauben. „Der Euro hätte schreckliche Auswirkungen auf die Bürger und die Wirtschaft dieses Staates“. Nur hat sich Tschechien mit dem EU-Beitritt zur Einführung der Einheitswährung verpflichtet. Die ODS fordert eine dauerhafte Ausnahmeregelung.
Ich bin das Tschechien schuldig
Auf seine Herkunft spricht Nguyen am Petitionsstand heute niemand an. Wenn das passiert, antwortet Nguyen, er fühle sich mehr als Tscheche denn als Vietnamese. Geboren wurde er in Hanoi, als er acht Jahre alt war, zogen seine Eltern an die deutsch-tschechische Grenze um Zigaretten, Alkohol und Flechtkörbe an deutsche Touristen zu verkaufen. Nguyen wuchs zeitweise bei einer tschechischen „Tagesoma“ auf, besuchte das Gymnasium in Děčín.
Der migrantenfeindliche Ton im Wahlprogramm der ODS macht ihm nichts aus. Dort wird vor angeblichen Plänen zur Umverteilung von Asylbewerbern zwischen den EU-Staaten gewarnt, man wolle keine Ghettos und Gewalt. „Jeder Staat muss sich um seine Einwanderer und deren Integration selbst kümmern“, sagt Nguyen. Seinen Landsleuten will er ein Vorbild für Integrationswillen geben – das sei er Tschechien schuldig.
Wahlergebnis der ODS bei der Europawahl 2014
Die ODS errang bei der Europawahl einen Stimmenanteil von knapp 7,7 Prozent. Sie gewann damit zwei Mandate im Europäischen Parlament. Nguyen Cong Hung verpasste den Einzug ins Parlament deutlich. Er stand auf Platz 22 der ODS-Liste.
Nachtrag, 26. Mai 2014
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