Traumjob im Bundestag
Seit seinem dreizehnten Lebensjahr verfolgt er eifrig die Tagesschau. In der Schule war Politik sein Lieblingsfach. Jetzt möchte Dennis Hasselmann (19) selbst Politik machen. Sein ehrgeiziges Ziel: Eines Tages im Bundestag sitzen und an wichtigen Entscheidungen beteiligt sein.
Er macht eine Ausbildung zum Versicherungskaufmann und ist ein leidenschaftlicher Sportler. Seit zwei Jahren trainiert er eine Fußballmannschaft, feuert im Stadion Werder Bremen an und lässt sich auch im Fernsehen keine Meisterschaften entgehen. Doch während der Winterspiele in Sotschi blieb sein Fernseher aus. Der Boykott galt nicht den Sportlern sondern Vladimir Putin. Dennis wollte mit der TV-Abstinenz sein eigenes kleines Zeichen setzen und hätte sich gewünscht, dass noch viel mehr Leute das getan hätten.
„Ich denke konservativ.“
Doch Dennis möchte noch mehr als nur Zeichen setzen: Er möchte mitbestimmen, möchte in der Politik ganz vorne mitmischen, möchte „etwas für mein Land tun.“ Seine politische Heimat hat er bei der CDU gefunden – einer Partei, die nicht unbedingt fürs Querdenken bekannt ist. Damit ist Dennis durchaus einverstanden. „Ich denke in vielen Dingen konservativ“, erklärt er. Konservativ sei für ihn ein positiv besetzter Begriff. „Für mich bedeutet das: An Traditionen festhalten und trotzdem vorankommen.“
Dennis ist nicht die Art Senkrechtstarter, der von der Schulbank am liebsten gleich ins Ministerium will. Trotzdem ist Politiker sein erklärter Traumjob. „Aber dafür muss man auch etwas tun“, so Dennis. Er bringt sich gerne aktiv ein: In seinem derzeitigen Heimatort Ottersberg (Niedersachsen) ist er seit März Vorsitzender der Jungen Union.
Keine Politikverdrossenheit bei Jugendlichen
„Wir sind die Jugend und auch wir müssen gehört werden“, findet Dennis. Es ärgert ihn, dass insbesondere Jugendliche politikverdrossen gelten. Er habe anderes beobachtet: „Jugendliche haben durchaus ein Interesse an Politik, aber oft wissen sie nicht, wie sie es anfangen sollen oder an wen sie sich mit ihrem Anliegen wenden sollen.“ Dennis will dabei gerne die Rolle des Sprachrohrs übernehmen: „Ich bin nicht auf den Mund gefallen“, erklärt er selbstbewusst, „ich rede gerne und viel!“ Seine Hauptaufgabe sieht er derzeit darin, die Jugend in seinem Heimatort zu vernetzen. „Wir haben drei Schulen vor Ort, unter anderem auch eine Waldorfschule. Da kann sich Netzwerken lohnen.“
Parolen auf Toilettenwänden
Ottersberg hat übrigens auch eine Kunsthochschule. Doch diese hat Dennis derzeit nicht auf dem Radar. „Um deren Interesse zu gewinnen, müsste ich wohl in einer anderen Partei sein“, glaubt er. Für den Neujahrsempfang der CDU hatte die Hochschule ihre Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt. Auf dem Klo entdeckte Dennis ein Statement, das er ziemlich eingängig fand. „Scheiß-CDU!“ hatte jemand dort mit schwarzem Filzstift auf den Kacheln verewigt. Ärgert ihn das? „Nein“, erklärt Dennis spontan und versucht, ein Pokerface aufzusetzen. „Doch“, gibt er zehn Sekunden später zu. „Ja, das ärgert mich sehr wohl. Natürlich muss sich jeder selbst seine politische Meinung selbst bilden. Aber man sollte es vernünftig kommunizieren. Parolen auf Toilettenwänden helfen nun wirklich niemanden! So entsteht weder ein Dialog noch ein konstruktiver Streit um Inhalte!“
Bildungsreise in den Bundestag
Dennis möchte sich nicht nur auf kommunaler Ebene engagieren. Sein erklärtes Ziel: Der Bundestag. Den hat er gerade während einer Bildungsreise besucht. Drei Tage lang begleitete er den Abgeordneten Andreas Mattfeldt aus Langwedel bei dessen Arbeit. Hier half ihm ein wenig vom sprichwörtlichen Vitamin B: Da er mit Mattfeldts Tochter befreundet ist, war die Bildungsreise für ihn schneller und einfacher zu bekommen als über ein konventionelles Bewerbungsverfahren. „Kontakte sind schon eine Menge wert“, so seine Erfahrung.
Viele Eindrücke in Berlin fand er hochspannend, andere auch sehr befremdlich: Zum Beispiel, dass eine wichtige Abstimmung durch lautes Sirenengeheul und Blinklichter angekündigt wird. „Das hört sich an wie ein Feueralarm. Wenn die Sirene losgeht, dann lassen die Abgeordneten sofort alles stehen und liegen. Jeder eilt in dieselbe Richtung und man läuft plötzlich an Leuten wie Peer Steinbrück oder Thomas Oppermann vorbei“, berichtet Dennis. „Das war schon aufregend.“ Was allerdings passiert, wenn es im Bundestag wirklich mal brennt…? Darüber habe er nicht nachgedacht.
Zwischen Pflicht und Familie
Ein bisschen schlucken musste er, als Mattfeldt ihm das Arbeitspensum eines Abgeordneten nannte: 60 bis 80 Stunden in der Woche sind normal. Repräsentative Pflichten oder Einladungen zu Firmenjubiläen kommen noch hinzu. Und auch von einem weiterem Problem hat er erfahren, das manchen Politiker belastet: Alkohol. „Die Leute werden oft zu Empfängen einladen, wo natürlich mindestens ein Begrüßungssekt gereicht wird“, erklärt Dennis. „Anschließend geht es zurück in die Berliner Zweitwohnung, oder ins Hotel, wo niemand auf einen wartet.“ Diese Mischung aus Stress und Einsamkeit sowie die Nähe zur Minibar nimmt Dennis durchaus als gefährlich wahr.
Zeit für die Familie ist ebenfalls sehr knapp bemessen. Von Mattfelds Tochter weiß er, dass die Vereinbarung von Abgeordnetenjob und Familie auch mit viel gutem Willen nicht immer so funktioniert, dass alle Beteiligten zufrieden sind. Ein Grund, den Traumjob noch einmal zu überdenken? Für Dennis nicht: „Man muss einfach vorher wissen, worauf man sich einlässt und sich überlegen, ob man das wirklich will.“ Dennis will. Und er hält seine ehrgeizigen Zeile für realistisch: „Wenn alles so klappt, wie ich mir das vorstelle, dann bin ich in etwa zwanzig Jahren da, wo ich hin möchte.“