Hype um Hans
Wie aus dem Fußballer Sarpei ein Facebook-Star wurde
Bis Sommer 2012 war Hans Sarpei Fußballer. Bundesligaspieler zwar, Nationalspieler Ghanas sogar – und dennoch wohl nur Interessierten ein Begriff. Dann, nicht ganz über Nacht, wurde Sarpei eine Netzlegende: erst Facebook-Star, dann Social-Media-Berater – und ist inzwischen bei wohl fast allen jüngeren deutschen Internetnutzern bekannt. Grund genug, dem Phänomen einmal nachzugehen. Doch was anfangs nach einer realisierbaren Recherche aussah, endete in einem Chaos auf verschiedenen Kanälen.
„Hans Sarpei trinkt aus dem Wasserhahn auf Ex.“ „Hans Sarpei nutzt morgens Elmex und abends Aronal.“ „Hans Sarpei kaut keinen Honig, sondern Bienen.“ „Hans Sarpei bekommt bei McDonald‘s einen Whopper.“ Schenkt man seiner Fangemeinde Glauben, sind die Fähigkeiten des 1976 in Ghana geborenen und in Köln aufgewachsenen Ex-Fußballers schier unbegrenzt. Doch der Held ist schüchtern: Tritt im Fernsehen eher widerwillig auf. Gibt sich zurückhaltend ob seiner plötzlichen Popularität. Sitzt dort, als fühlte er sich selbst eher fehl am Platze. Und antwortet nur leise, mit brüchiger Stimme, wenn er gefragt wird. Wie nähert man sich also Hans Adu Sarpei?
Welcome to Hans Sarpei’s worldVersuch Nummer eins: eine Interviewanfrage über seine Agentur. Doch das Heranpirschen über Umwege misslingt, es kommt keine Antwort. Die nächste Option ist ein etwas direkter. Gleichzeitig bringt sie keine Gewissheit, ob die Nachricht den 36-maligen ghanaischen Nationalspieler auch wirklich erreicht: über das unpersönliche Kontaktformular auf seiner offiziellen Homepage www.hans-sarpei.com.
Mit den Worten „Welcome to my world“ empfängt der ehemalige Fußballprofi dort seine virtuellen Gäste. Seine Welt, das ist nun nicht mehr der grüne Rasen, seine Welt sind nun die unergründlichen Weiten des Internets. „Sprüche, Anregungen oder..oder…??!!! Probiert es aus!“. Er hat es so gewollt. Sekunden darauf trudelt via Mail eine Bestätigung der Nachricht ein: „This is an autoresponder, set in Hans Sarpei's back end ;)“. (Zu Deutsch: „Dies ist eine automatische Nachricht, aus Hans Sarpeis Hinterteil.“) Ein weiterer Vorgeschmack auf das Witzniveau, das Sarpei in der Netzgemeinde innerhalb kurzer Zeit bekannt und beliebt gemacht hat. Gut 24 Stunden später: eine Antwort. Keine (s)eines Autoresponders, sondern Sarpei höchstpersönlich meldet sich. Doch dazu später mehr.
Deutschlands „viralste Markenpersönlichkeit“
Zunächst ein Rückblick, eine Rekapitulation der Geburt einer Kultfigur. Angefangen hatte alles auf Twitter. Dort zwitscherte Sarpei eines Tages im Jahr 2011 munter drauf los. Ein paar ironisch-lockere Kommentare zum aktuellen Saisonverlauf bei seinem damaligen Verein FC Schalke 04, hier und da ein hämischer Seitenhieb auf ebenfalls netzaktive Mannschaftskollegen. Das gefiel – und dennoch: Der Weg zur großen „Gefällt mir“-Flut auf Facebook war noch weit.
Es war auch nicht so, dass Sarpei diesen Weg bewusst einschlug. Er befand sich allmählich in einer Phase, in der seine Karriere am Ball sich deutlich dem Ende zuneigte. Manche Spieler überlegen sich dann konkret, wie es für sie weitergeht: eine Hospitanz im Verein, eine zweite Karriere als TV-Experte oder doch vielleicht der Trainerschein?
Hans Sarpei, nun ja, er ließ sich erst einmal treiben – und beobachtete währenddessen aufmerksam den Trubel um seine Person im Internet. In sozialen Netzwerken gab es inzwischen verschiedenste Gruppen, in denen er zum alleskönnenden, legitimen Nachfolger von Chuck Norris emporstieg. Wo einst der US-amerikanische Action-Schauspieler Zwiebeln zum Weinen brachte und eine Partie „Vier gewinnt“ in drei Zügen beendete, stand nun Hans Sarpei.
Sein sportlicher Marktwert war inzwischen von einst mehr als zwei Millionen auf etwa 300.000 Euro gesunken, doch das machte rein gar nichts, denn: Hans Sarpei war nun eine eigene Marke geworden. Die Hamburger Agentur Jung von Matt widmete sich dem Phänomen eigens in einer qualitativen Social-Media-Analyse und beschrieb Sarpeis Weg zutreffend: „In einem Jahr zu Deutschlands viralster Markenpersönlichkeit.“
Bodenständig und direkt – aber schwer zu erreichen
Laut dem Unternehmen gewann der ehemalige Fußballer 2012 pro Tag durchschnittlich 589 Facebook-Fans hinzu. Andere Sportgrößen haben im Rennen um Netzsympathien das Nachsehen. Gleiches gilt für eine der mächtigsten Frauen der Welt: Auch Angela Merkel kommt an „Chuck Norris II“ nicht vorbei. Wo andere gezielt Gags einsetzen, um die Internetgemeinde bei Laune zu halten, ist es bei Hans Sarpei umgekehrt: seine Fans werben für ihn – mit jedem Klick, Like und Re-Tweet.
Deshalb muss Sarpei auch nicht die Medien suchen, sie kommen auf ihn zu, um eine Erklärung für seinen wundersamen Werdegang im World-Wide-Web zu finden. Bei seiner Antwort auf die Anfrage erweckt er gleich den Eindruck, als kenne man sich seit Ewigkeiten: „Hallo Matthias, du kannst mir gern deine Fragen schicken. Lg Hans.“ So ist er eben: bodenständig und direkt – Grundzutaten seines Erfolgsrezepts.
Die Recherche schien auf einem guten Weg. Doch, was folgte, war eine veritable Odyssee. Sarpei wollte zurückrufen, um die Fragen mündlich durchzugehen. Beim ersten Versuch erwischte er nur die Mailbox, ein zweiter sollte leider nicht folgen. Was dagegen folgte: mehrere Mails des Autors, mit der Bitte, doch bitte einen neuen Gesprächstermin zu vereinbaren. Doch keine Antwort. Und so endeten die Nachforschungen dort, wo der ehemalige Fußballer seine wahre Geburtsstunde als Online-Star feierte – auf Facebook, mit einer kurzen Mitteilung: „Leider schaffe ich es nicht mehr, sorry.“
Ein Held zu sein, ist schon schwer. Einen Helden aufzuspüren allerdings noch viel mehr.