© Carl Hanser Verlag
1913 sitzt der erfahrene Archäologe Robert Koldewey in seinem Arbeitszimmer mit Aussicht auf die Ausgrabungen von Babylon. Er steht unter Zeitdruck, weil Deutschland am Vorabend des Ersten Weltkrieges steht und deshalb mit den anderen Großmächten Europas, die ebenfalls im Orient an antiken Ausgrabungen interessiert sind, nicht nur um politische und wirtschaftliche, sondern auch kulturelle Vorherrschaft in Europa wetteifert. Eine anhand von medizinischen Lehrbüchern selbst diagnostizierte Blinddarmentzündung führt jedoch dazu, dass Koldewey sich nicht bewegen kann. Im ersten, eher statischen Teil, rekonstruiert er gedanklich die Stadt Babylon und sinniert über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, über Religion und Wissenschaft. Im zweiten Teil dagegen besucht Koldewey nach Jahren Berlin, um dem Kaiser eine Audienz abzustatten, der als großer Orientbegeisterter über den Stand des aufwendigen archäologischen Projekts informiert werden will. Die Gedanken der Hauptfigur richten sich hier auf den Vergleich zwischen der erstmals sehr lebendigen, vor Jahrtausenden untergangenen biblischen Stadt und dem hektischen, mit enormer Geschwindigkeit wachsenden Berlin.
Kenah Cusanit legt in ihrem Romandebüt ein Mosaik aus unterschiedlichen Textsorten vor, das eine sprachlich sowie inhaltlich kunstvolle Reflexion über Kultur ist. Die durchgehend essayistische Form fordert eine erhöhte Konzentration, belohnt jedoch mit einer Fülle von interessanten Anregungen.
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