Tõnis Pilvisto - Geschäftsführer der KARL STORZ Video Endoscopy Estonia
Mit dem Deutschunterricht habe ich im Deutschen Gymnasium Kadriorg angefangen. Meine Lehrer waren sehr streng und in der Abiturklasse hatten wir so gute Sprachkenntnisse, dass wir in den Deutschstunden tun konnten, wozu wir Lust hatten. Die Partnerschule in Schwerin ermöglichte uns, das Leben in der damaligen DDR kennenzulernen: Die Fassade sah zwar schön aus, aber die Schüler schienen, als wären sie dem kommunistischen System treuer ergeben als wir, die aus Sowjet-Estland kamen, denn wir waren politisch gesehen freier denkend.
Die damaligen Kontakte führten mich noch mehrmals in die DDR: Ich kann mich an 1988 erinnern, als in Leipzig bereits die ersten Demonstrationen gegen den Totalitarismus stattfanden. Es roch damals schon nach Freiheit und es dauerte nicht mehr lange, bis die Mauer fiel.
Nach meinem Studium an der Technischen Universität Tallinn konnte ich als junger Ingenieur, dank des bekannten Herzchirurgen Prof. Dr. Sulling, Kontakte zu deutschen Herstellern von medizinischen Instrumente knüpfen und es ergab sich die Möglichkeit, eine Zeit lang in einem bayerischen Kleinstunternehmen die Herstellung medizinischer Instrumente zu erlernen. Diese Chance habe ich mir nicht entgehen lassen und verbrachte sechs Wochen im winterlichen München. Ich begann den Dialekt zu verstehen und zu begreifen, welch unterschiedliche Kulturen es in Deutschland gibt. Die Menschen in Bayern sind warmherzig, liebenswürdig und aufrichtig.
Danach spielte ich immer mehr mit dem Gedanken, ein eigenes Unternehmen zu gründen und gerade meine Deutschkenntnisse halfen mir, erste Partner in Deutschland zu finden. Mein Deutsch wurde immer besser: Zahllosen Telefonaten folgten Geschäftsreisen. Nach einiger Zeit haben wir ein Joint-Venture mit einem deutschen Unternehmen gegründet, das sich aber in Baden-Württemberg, im Schwabenland, befand. Dort sprach man wieder einen anderen, den schwäbischen Dialekt. Wieder musste ich mich einer neuen Sprache und Kultur anpassen und ich gelangte zu der Erkenntnis, dass das dortige Völkchen in seiner Denkweise den Esten recht ähnlich ist. In den jahrzehntelangen Kontakten mit unterschiedlichen deutschen Regionen bin ich mit der Sprache derart verwachsen, dass ich mich manchmal beim Denken auf Deutsch ertappe.
Man beherrscht eine Sprache erst richtig, wenn man Witze machen kann: Wenn du das kannst, sind Kommunikation und Kontakte kein Problem. Wirkliche Sprachkenntnisse beginnen dort, wo man in der Lage ist, jemanden zum Lachen zu bringen. Emotionen sind das Entscheidende; sie helfen, zum Wesen der Kultur vorzudringen. Beim Reden mit einem Menschen in seiner Muttersprache, kannst du ihm erst richtig nahe kommen.