Traditionelles Rollenverständnis
Ägypterinnen als Unternehmenslenker

Fatma Ghaly, Hind Wassef und Rana Abaddi
Fatma Ghaly, Hind Wassef und Rana Abaddi | Privat (Kollage)

Es ist vor allem ein traditionelles gesellschaftliches Rollen- verständnis, das dafür sorgt, dass Frauen auch in den Führungsetagen ägyptischer Unternehmen bisher selten sind. Einige wagen den Weg an die Spitze dennoch. Drei Porträts von erfolgreichen Managerinnen, die ihren eigenen Weg gegangen sind.

Hind Wassef: Literatin und Buch-Unternehmerin

Als Hind Wassef 2002 zusammen mit ihrer Schwester Nadia und zwei weiteren Partnern ihren ersten Buchladen eröffnete, war sie31 Jahre alt. Seitdem hat sich ihre Ladenkette Diwan zu einem erfolgreichen mittelständischen Unternehmen mit 150 Angestellten entwickelt. Buchläden waren in Ägypten lange wenig leser- und kundenorientiert und alles andere als ein Einkaufserlebnis: „Genau darauf haben wir uns konzentriert, also zum Beispiel auf Kundenservice und eine entspannte Atmosphäre, damit Kunden dort Zeit verbringen möchten. Außerdem dachten wir, dass auch Ägypter die in Europa und den USA häufig in Buchläden integrierten Cafés schätzen würden.“ Der Erfolg von Diwan gibt der Literaturwissenschaftlerin Recht: vor wenigen Jahren investierte eine Risikokapitalgesellschaft in das Unternehmen.

Ihre Erfahrungen als Frau an der Spitze eines solchen Unternehmens in Ägypten sind gemischt. Einerseits sieht Hind Wassef es als Vorteil an, eine Frau zu sein: „In unserer Kultur gibt es das Denken, man müsse Frauen helfen. Es ist ein romantisches, ja ritterliches Element unserer Gesellschaft, dass Männer Frauen helfen.“ Doch es gibt auch die andere Seite: „Immer wieder haben Leute versucht, mich über den Tisch zu ziehen, weil sie mich als Frau und damit als schwach eingestuft haben.“ Vor allem für aus ärmeren Schichten stammende Frauen sieht sie eine steile Unternehmerinnen-Karriere als schwierig an: „Häufig ist der Zugang zu finanziellen Mitteln für sie schwieriger als für Männer, weil sie von Banken nicht ernst genommen werden. Das ist kulturell bedingt.“ Und dennoch: „Frauen haben bewiesen, dass sie die stärkeren Kämpfer sind, vielleicht weil sie wissen, dass der Weg für sie schwieriger ist als für Männer.“

Rana Abaddi: Konzernmanagerin mit jordanischen Wurzeln

Seit etwa 15 Jahren arbeitet Rana Abaddi für Mobinil, einem von drei ägyptischen Mobilfunknetzbetreibern. Von 2002 bis 2007 war sie Chief Financial Officer und im Januar 2012 wurde die Mutter von fünf Kindern Vice President für Regulierung und Großhandel: „Sie müssen noch härter arbeiten, um zu beweisen, dass sie als Frau mit schwierigen Aufgaben umgehen können. Manchmal müssen sie Leute auch davon überzeugen, dass ihre Position nicht mit einem Mann besetzt sein muss.“

Für Rana Abaddi kam noch eine weitere Herausforderung hinzu: Sie ist in Jordanien aufgewachsen und ihr jordanischer Dialekt hat sie häufig als nicht-Ägypterin gebrandmarkt: „Ich erinnere mich an einige Bemerkungen wie zum Beispiel‚ was ist an dir so Besonderes, du bist Ausländerin und es gibt 80 Millionen Ägypter, weshalb hast du noch dazu als Frau diesen Posten?‘“ Doch die studierte Betriebswirtin genoss stets die Unterstützung von Schlüsselfiguren in der Unternehmensleitung. Bei Mobinil war es der damalige Vorstandsvorsitzende Naguib Sawiris, einer der einflussreichsten Unternehmer des Landes. Auch er war anfangs skeptisch: „Doch als er meinen Ehrgeiz erkannte, hat er mich voll und ganz unterstützt.“

Einer Quotenregelung für Frauen in Unternehmensvorständen steht Rana Abaddi eher ablehnend gegenüber. Sie hält es für besser, die Rahmenbedingungen so zu verbessern, dass Frauen ganz natürlich in solche Positionen gelangen können. Im mehrheitlich erzkonservativen Ägypten dürfte das jedoch ein langer Prozess werden.

Frauen, die eine ähnliche Karriere anstreben, rät sie Folgendes: „Man muss stark sein, Ergebnisse liefern und weniger emotional agieren. Vor allem aber ist es wichtig entscheidungsfreudig zu sein, da Frauen oft als entscheidungsunfähig eingeschätzt werden.“

Fatma Ghaly: die kreative Expansionsmanagerin

Schon während ihres Studiums der Ölmalerei in Kairo begann Fatma Ghaly im Unternehmen ihrer Mutter, der Designerin Azza Fahmy, mitzuarbeiten. Seitdem durchlief sie zahlreiche Positionen, bevor sie 2006 die Geschäftsführung übernehmen durfte. Heute designen und produzieren 195 Mitarbeiter für die in den späten 1960er Jahren entstandene Firma Azza Fahmy hochwertigen Schmuck. Fatma Ghaly ist seitdem vor allem für die Expansion des Unternehmens zuständig – und das sehr erfolgreich: inzwischen gibt es Filialen auch in Dubai, London und Washington.

Ihr Rüstzeug dafür erhielt die 33-jährige Designerin vor allem von ihren Eltern: „Wir wurden nicht nur als Kinder angesehen. Ich erinnere mich, dass meine Schwester und ich uns häufig in der Werkstatt rumgetrieben haben. Wir mussten uns außerdem schon früh all die Museen und Theaterstücke ansehen und lernen, uns davon bei der Arbeit inspirieren zu lassen.“

Bildung spielt im Unternehmen generell eine große Rolle. Da es in Ägypten bisher keinen Studiengang für Schmuckdesign gab, hat Azza Fahmy kurzerhand eine eigene Design Akademie gegründet: „Wir kooperieren mit einer führenden Design-Schule aus Florenz. Die Idee ist, Austauschprogramme zu etablieren und Gastdozenten nach Ägypten zu holen.“

Daran, dass es möglich ist, Familienleben mit ihrer Arbeit zu vereinbaren, hat Fatma Ghali keinen Zweifel: „Meine Mutter war immer ein großartiges Vorbild. Man muss sicherlich Kompromisse machen, aber es ist keine Option, nicht beides zu schaffen.“ Dass man nur wenige ägyptische Frauen in vergleichbaren Führungspositionen sieht, liegt für Fatma Ghaly vor allem in deren zusätzlichen Aufgaben als Mutter und Hausfrau begründet: um dieser traditionellen Rolle gerecht zu werden, verzichten einige Ägypterinnen auf ihre Karriere.