Goethe-Filmwoche 2016/Alexandria
Von Perspektiven und Hürden der alexandrinischen Kinolandschaft

Dry Hot Summers
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Es sind jetzt mehr als 15 Jahre seit dem Beginn des digitalen Films in Ägypten, der so genannte moderne oder alternative Film, auch der unabhängige Film oder der nicht dominierende Film genannt. All diese Begriffe spiegeln jedoch nur zum Teil die Wirklichkeit der jungen ägyptischen Filmemacher wider. Dabei ist die Rede von einem Film, der wächst und sich zuweilen teilweise auf natürliche Weise und unerwartet entwickelt. Damit verbunden, wachsen ebenso ständig und an verschiedenen Orten Initiativen von Interessenten und in der Filmbranche tätigen Menschen weiter. Diese aktuelle Filmentwicklung erschwert jedoch oft die Aufgabe der Regisseure.

Es geht um einen Film, dessen Kritiker und Theoretiker – wenn sie überhaupt vorhanden sind- noch nicht definiert sind. In diesem Zusammenhang kommen Begriffe vor, die diesen Film definieren und den Anfang einer neuen Filmbewegung festlegen. Diese versuchen auch gleichzeitig einen gewissen Bekanntheitsgrad zu erlangen.

Aus individueller und filmkultureller Perspektive ist die Stadt Alexandria recht wenig in Filmproduktionen involviert. Hier kommt den Betroffenen, das heißt den Filmemachern, eine wichtige Aufgabe zu, nämlich weiterhin Film-, Informations- sowie Produktionskurse anzubieten, die das Bestehen und die Existenz der Filmwirtschaft in der Stadt, die den zweiten Kinofilm im Jahre 1896 erlebte, weiterhin zu garantieren.

In Alexandria befinden sich einige junge, eigenständige Produktionsfirmen sowie Filmklubs und mehrere kommerzielle Massenkinos. Für junge Filmemacher kommt es jedoch aus verschiedenen Gründen nicht infrage, dort ihre Filme vorzuführen. Einer dieser Gründe ist die Existenz einer einzigen kommerziellen Leinwand. Es bestehen jedoch einige Initiativen und Versuche, junge und ehrgeizige Filmemacher zu fördern und in die Filmindustrie zu bringen.

Diese Situation ermöglicht die Befreiung von den Einschränkungen der Produktionsformen und bietet somit einen breiteren Raum für Filmmacher, sich freier zu äußern, ihre Ideen auszudrücken und die Wirklichkeit bzw. Realität in ihren Filmen zu thematisieren und darzustellen. Andererseits wird dadurch die Kluft zwischen dem Schöpfer und dem Empfänger größer. Den städtischen Filmemachern waren Begriffe wie die Kinokasse oder die Einnahmen und die Produktionsfirmen von keiner Bedeutung. Diese waren für sie nichts anderes als Luxus, den man sich nicht leisten kann, da den Filmemachern einfach die Vorführung ihrer Filme im kommerziellen Kino nicht möglich war. Dem ägyptischen Regisseur ist es ebenso bewusst, dass es ziehmlich schwer ist, den Wirtschaftskreislauf mit den von der Filmbranche zurzeit angewandten Mechanismen fortzusetzen. Die Filmemacher sind nun auch von den Plänen kommerziellen Kinos befreit. Sie haben den Horizont ihrer filmischen Vorschläge für eine zeitgenössische Wirklichkeit erweitert, so wie in jeder anderen Filmbranche in der Welt.

Diese Freiheit haben Programmierer von Kinosälen nicht ausgenutzt. Die Vorführungsformen sind weiterhin traditionell und wurden schon so oft wiederholt, als stehe allein die reine Vorführung im Vordergrund. Die Kommunikation und Diskussion mit dem Publikum sowie die Kritik kam erst später als einige Initiativen aufgetreten sind, die bei der Verbreitung der Fanbasis eine wichtige Rolle gespielt haben. Diese Fanbasis hält sich nach wie vor, verglichen mit der Bevölkerungszahl der Stadt Alexandria, in Grenzen.

Die Goethe-Filmwoche, die es schon seit ein paar Jahren gibt, versucht eine andersartige und vielfältige Form der Programme herzustellen, vor allem die Beziehung zwischen dem deutschen und dem arabischen Film. Neben dem deutschen klassischen Film und dem, was aktuell in den deutschen Kinosälen vorgeführt wird, gibt es auch die modernen ägyptischen Filme, die den ägyptischen Film in letzter Zeit hervorgehoben haben. Es gibt auch eine gemeinsame Reihe von deutschen und ägyptischen Filmen, die Änderungen beobachten und Momente des politischen und gesellschaftlichen Wandels in der Geschichte beider Länder darstellen. Nach den Vorführungen entstanden dann Diskussionen mit Filmemachern. Diese Diskussionen haben eine große Rolle gespielt und waren unter anderem ein Grund, warum das Programm um fünf weitere Tage verlängert und fortgesetzt wurde, mit jeweils zwei Vorführungen am Tag.

Teilnahme und Zahlen


Die erste Vorführung des Films „Dry Hot Summers“ des ägyptischen Regisseurs Sherif Elbendary war sehr erfolgreich. Dieser Film erhielt zahlreiche Produktionszuschüsse von der deutschen Robert-Bosch-Stiftung. Der Regisseur erklärte, dass er Trotzdem keinen Luxus hatte und dem Filmcharakter entsprechend, musste er mit begrenzten und eingeschränkten Kapazitäten arbeiten. Er engagierte berühmte und einflussreiche ägyptische Schauspieler und konzentrierte sich damit auf das Publikum.

Bei Elbendary handelt es sich um einen professionellen Regisseur, der mit dem Publikum kommuniziert, dabei seine Talente benutzt und sich nicht auf Kompromisse einlässt. Mit 120 Zuschauern gehörte der Film zu den meistgesehenen Filmen. Faktoren wie der Vorführungszeitpunkt und die Zusammenarbeit mit berühmten Schauspielern, sowie die erste in Alexandria stattgefundene Vorführung als auch das Medienmanagement und eine Reihe weiterer Faktoren haben zum Erfolg des Films beigetragen. Das hat das Interesse und die Aufmerksamkeit einer größeren Publilumszahl geweckt. Mit 70 Zuschauern folgt der Film „Horizon Beautiful“ vom schweizer Regisseur Stefan Jäger und „Bornholmer Straße“ vom deutschen Regisseur Christian Schwochow. Schwochow beschäftigt sich mit der Übergangsphase der deutschen Geschichte, besonders auf die Phase vor dem Mauerfall. 

Die Publikumszahlen sind ein Beweis dafür, dass das Publikum für solcher Filme offen ist. Dies stellt ein positives Zeichen für die Zukunft dar.


Die Vielfalt der Visionen


Trotz des ungünstigen Klimas für die ägyptische Filmwirtschaft, die noch mit Problemen wie Produktions- und Vertriebsmangel, ungenügenden Kinosälen sowie Kontakt zum Publikum konfrontiert ist, stellen sich Filmemacher der Realität mit mutigen Ideen und Vorschlägen. Sie lassen sich nicht einschüchtern, versuchen die herrschenden enttäuschenden Bedingungen aus dem Weg zu räumen und realistische Alternativen zu finden, die das Bestehen der Produktion weiterhin gewährleisten, mit dem Ziel, die Filmbewegung zu bereichern. Neben dem Film „Expired“ vom Regisseur Islam Kamal und „Fathi wohnt hier nicht mehr“ vom Regisseur Maged Nader, beide im Forum der 66. Berlinale 2016 vorgeführt, gibt es auch den Film „Der Besuch“ von Marawan Emara und Nadia Mounir unter Mitwirkung von Islam Kamal sowie „Barra El Sharia“ von Jasmina Metwally und Philip Rizk. Die Filmvorführung des Letzteren fand im Forum der 65. Berlinale statt. Der Film „Bab El-Wadaa“ von Karim Hanafy erhielt mehrere Preise, unter anderem den Preis des ägyptischen Kritikerverbands und er wurde zudem als der beste Film des Jahres 2015 gewählt. All diese aufgeführten und andersartigen Visionen und die für den ägyptischen Massenfilm ungewöhnlichen Produktionsformen, die sich auf den ägyptischen Film wiederspiegeln, werfen viele kulturelle und gesellschaftliche Fragen über unsere heutige Realität auf und erweitern damit den Diskussionskreis.