Von Berlin nach Alexandria
Im Gespräch mit dem deutschen Autor Stephan Trudewind

فيليب فابر
Foto: © Phillip Faber

Stephan Trudewind gehört zu den renommiertesten deutschen Verlegern, die sich für die Übersetzung arabische Bücher, insbesondere Kinderbücher, stark machen. Stephan, der vor zwei Jahren nach Alexandria (Ägypten) zog, studierte neben seiner Verlegertätigkeit Politik und Arabisch.

Von Eslam Anwar

Im vergangenen Mai führte er in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut Alexandria einen Workshop für junge ägyptische Autoren und Illustratoren durch, welche sich für Kinderbücher interessieren. Der Workshop trug den Titel „Abu Zaid und die Sirat al-Hilaliya“.

In dem Workshop wurde die „Sirat al-Hilaliya“ gelesen, eine der bekanntesten Geschichten des arabischen Kulturerbes, mit dem Ziel, inspiriert von diesem traditionellen Werk zeitgenössische Kindergeschichten zu schaffen.

Die „Sirat al-Hilaliya“ erzählt die Geschichte der Wanderung des Stammes der Banu Hilal vom Süden der arabischen Halbinsel nach Norden, durch Ägypten und schließlich bis in den Maghreb. Sie besteht aus ca. einer Million Versen, die von Heldentum, Rache, Liebe und Abenteuer berichten.

Stephan Trudewind - Workshop „Sirat al-Hilaliya" Foto: © Phillip Faber Wir sprachen mit Stephan Trudewind über sein Leben in Alexandria, den Workshop und seine Erfahrungen als Verleger. Das Gespräch führte Islam Anwar.
 
Sie leben seit zwei Jahren in Alexandria, wie gefällt es Ihnen dort?
In einem anderen Land zu leben ist eine wichtige Chance aber auch eine Herausforderung. Ich bin sehr dankbar, dass mir hier in Ägypten diese Chance zuteilwurde. Ich habe mich schon immer für die arabische Welt interessiert und in meiner Studentenzeit versucht Arabisch zu lernen. Darum haben wir auch keinen Augenblick gezögert als meine Frau die Möglichkeit erhielt, an der Deutschen Schule in Alexandria als Lehrerin zu arbeiten.

Woher kommt Ihr Interesse an der arabischen Sprache und Kultur?
Das kann ich nicht genau erklären. Manchmal hat man eine Leidenschaft für etwas ohne, dass es dafür einen bestimmten Grund gibt. Vor langer Zeit, als ich noch ein kleines Kind war, besuchte ich in Deutschland eine Ausstellung über den altägyptischen König Tutanchamun. Danach habe ich mich sehr für das alte Ägypten interessiert und mit der Zeit begeisterte ich mich nach und nach auch für das moderne Ägypten.

Was halten Sie als Verleger, der sich auf Kinderbücher spezialisiert hat, von den ägyptischen Kinderbüchern?
Der Markt für Kinderbücher in Ägypten ist zurzeit nicht besonders gut. Die Mehrheit der jungen Illustratoren konzentriert sich auf Comics, gleichzeitig produzieren Künstler wie Muhy ad-Din al-Labbad und Ihab Shaker schon seit Jahrzehnten wundervolle Kinderbücher. Es wurden auch einige Preise ausgeschrieben und Wettbewerbe initiiert, allerdings ist das Interesse heutzutage eher rückläufig.

Sie haben in Alexandria einen Workshop für junge Kinderbuchautoren und -illustratoren gehalten. Wie war das?
Der Workshop war großartig. Uns war es wichtig, dass die Autoren und Illustratoren zusammenarbeiten, denn dies half dabei, Texte und Bilder miteinander kommunizieren zu lassen und, basierend auf den „Sirat al-Hilaliya“, neue Ideen zu entwickeln und sie in facettenreichen Bildern kindgerecht aufzuarbeiten.

Workshop „Sirat al-Hilaliya Foto: © Phillip Faber Weshalb haben Sie ausgerechnet die „Sirat al-Hilaliya“ für den Titel des Workshops ausgewählt?
Ich interessiere mich für die Geschichte und das kulturelle Erbe Ägyptens und war erstaunt, als ich feststellte, dass von den „Sirat al-Hilaliya“ keine kindgerechte Adaption existiert. Dabei sind Bücher nach wie vor ein grundlegendes Medium um Kindern ihre Geschichte und Kultur näherzubringen. Deshalb fand ich es eine gute Idee den Workshop um die „Sirat al-Hilaliya“ herum aufzubauen. Dies sind wirklich fesselnde Geschichten voller unterschiedlicher Helden, Wettkämpfe und Reisen in spannenden und interessanten Welten.

Glauben Sie, dass diese alten Geschichten in unserer modernen Welt noch präsent sind?
Selbstverständlich. Diese traditionellen Geschichten und Erzählungen haben viele hundert Jahre überdauert. Die „Sirat al-Hilaliya“ wurden über Jahrhunderte hinweg mündlich von Erzählern überliefert, Dies waren Männer, die in die Cafés gingen, und dort die Geschichten vortrugen. Die Zeiten, in denen wir in die Cafés gingen, um diesen Geschichtenerzählern zuzuhören sind heute vorbei, daher befürchte ich, dass diese Traditionen und Geschichten vom Aussterben bedroht sind. Wenn wir unser kulturelles Erbe bewahren möchten müssen wir neue Mittel und Wege finden, diese Geschichten weiter in Umlauf zu halten. Eines dieser Mittel ist es, sie den Kindern durch kreative Illustrationen näher zu bringen.

Sie leben in Alexandria, das in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts als kosmopolitische Stadt bekannt war. Wie erleben Sie die Stadt heute?
Alexandria war keine kosmopolitische Stadt, es war eine Kolonialstadt unter der Herrschaft der Kolonialmacht, deren Gesetzte die Ägypter diskriminierten. Jahrhundertelang litten die Ägypter unter verschiedenen Formen von Unterdrückung und Besatzung: Die Mamelukken waren keine Ägypter, Mohammed Ali und seine Familie ebenfalls nicht, hinzu kam die englische Besatzung. Daher war Veränderung in Alexandria dringen notwendig. Mit dem Ende der Monarchie Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts und der Befreiung Ägyptens vom Kolonialismus unterscheidet sich Alexandria heutzutage nicht mehr groß von anderen modernen Städten überall auf der Welt. Es gibt eine hohe Bevölkerungsdichte, Menschenmassen und Hochhäuser und einige alte Kulturstädten, die sich noch immer im Zentrum der Stadt befinden.