Es war ein eher unscheinbares Dasein, das Wissenschaftsredakteure in den herkömmlichen Medien über viele Jahre fristeten. In den Tageszeitungen und Magazinen musste man meist lange blättern, bis man auf ihre Artikel stieß, die weit hinter dem Politik- und Wirtschaftsteil, irgendwo zwischen Sportergebnissen und Aktienkursen oft ein wenig verloren wirkten. Bis die Corona-Pandemie das Ressort mit einem Schlag auf die Titelseiten spülte. Nicht nur in Ägypten, sondern rund um den Globus – und bis heute.
In Deutschland brach der Wissenschafts-Podcast mit dem Charité-Virologen Christian Drosten Rekorde – und auch wenn es dazu kein ägyptisches Pendant gibt, so dominieren auch in Kairo und Alexandria seit mehr als einem Jahr die Gesundheitsexperten, Epidemiologien und Virologen die Berichterstattung im Fernsehen, Radio oder in den Print- und Online-Redaktionen. Eingeordnet und für den Leser, die Hörerin oder die TV-Zuschauer möglichst verständlich transportiert werden die teils komplexen Themen von Wissenschaftsjournalisten. Niemals waren sie wichtiger als heute.
Insofern mutet es im Rückblick beinahe ein wenig prophetisch an, dass der DAAD vor einiger Zeit mit der Idee an das Goethe-Institut herangetreten war, ein Projekt zum Thema Wissenschaft und Medien zu konzipieren. 2021 ist das Vorhaben bereits ins fünfte Jahr gegangen und Ghada El-Sherbiny erkennt durchaus die Früchte der Arbeit – nicht nur wegen Corona: „Ich denke, wir haben ein Stück weit das Bewusstsein der ägyptischen Medien erweitert, dass Wissenschaftsjournalismus wichtig ist – auch schon vor Corona“, blickt die Beauftragte für kulturelle Programmarbeit am Goethe-Institut Kairo zurück. Abgesehen von der Tageszeitung Al-Ahram, die bereits ein großes Wissenschaftsressort unterhielt, sei wissenschaftliche Berichterstattung in der ägyptischen Medienlandschaft eher stiefmütterlich behandelt worden. Heute sei das anders. „Aber nicht nur Medien haben wir mit unseren Workshops und Veranstaltungen inspiriert, auch Institutionen wie die American University oder der British Council haben mittlerweile eigene Projekte zu dem Thema ins Leben gerufen“.
Neben dem Austausch zwischen Wissenschaftlern und Medienschaffenden kümmert sich das Projekt auch gezielt um Training und Weiterbildung für Journalisten. Etwa 40 nehmen jedes Jahr an Workshops teil, in denen Grundfertigkeiten vermittelt werden, die zwar generell – aber insbesondere im Umgang mit wissenschaftlichen Themen unentbehrlich sind. Die Suche nach den richtigen Quellen und passenden Experten sowie die gewissenhafte Prüfung von Fakten. Dazu bieten die erfahrenen Ausbilder den Teilnehmern Hilfestellung bei der vielleicht schwierigsten Aufgabe, ein kompliziertes Thema interessant zu erzählen und dem Publikum schmackhaft zu machen. Das Feedback der Teilnehmer ist hinterher fast ausschließlich positiv. Und die Nachfrage ist groß: Meist gibt es doppelt so viele Bewerber wie Plätze.
Was auch daran liegen mag, dass das Goethe-Institut neben der Weiterbildung auch einen kleinen Wettbewerb ins Leben gerufen hat. Am Ende jedes Workshops stellen die Journalisten und Journalistinnen ihre Ideen für eine Wissenschaftsgeschichte den Trainern und Kollegen vor, gemeinsam diskutieren sie die Fragestellung und Herangehensweise. In den Wochen nach dem Workshop recherchieren die Teilnehmer dann ihre Berichte und veröffentlichen sie in ihren Medien. Anschließend kürt eine Fachjury die drei besten Beiträge.
Dass der Gewinner von 2021 aus dem Sudan kommt, verdeutlicht wie stark das Projekt in den vergangenen Jahren gewachsen ist. „Ich habe von einem Kollegen davon erfahren und freue mich sehr, dass das Goethe-Institut in Kairo die gesamte Region einbezieht“, sagt Osman Abdelhalem, der seit vier Jahren als freier Journalist arbeitet. Die Affinität zu wissenschaftlichen Themen bringt der gelernte Pharmazeut sozusagen von Haus aus mit. Seine Leidenschaft gehört jedoch dem Klima. In Abdelhalems prämierten Beitrag geht es um den Zusammenhang zwischen Klimawandel und der zunehmenden Ausbreitung von Krankheiten wie Malaria. „Ich habe mich für dieses Thema entschieden, weil der Sudan eines der Länder ist, die am stärksten von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind“, sagt Abdelhalem.
Fachlich habe er in dem Projekt gelernt, wie man Themen auswähle und wie man Forschungsergebnisse und Studien überprüfen könne, erzählt der Journalist. „Auf persönlicher Ebene war der Workshop ein Wendepunkt. Er hat meine Kapazitäten und Fähigkeiten erweitert, und seither habe ich mehr wissenschaftliche Beiträge gemacht.“ Dass es eine besondere Zeit für Wissenschaftsjournalisten ist, findet auch Abdelhalem: „Journalismus und Politik haben viele Überschneidungen. Durch unsere Texte können wir Impulse für ein bestimmtes Thema geben und Entscheidungsträger erreichen.“
Ohne die Corona-Pandemie würden Abdelhalem und neun weitere ausgewählte Teilnehmer bald nach Deutschland reisen, um Redaktionen und Forschungseinrichtungen zu besuchen. Die Bildungsreise, die das Goethe-Institut organisierte, war stets der krönende Abschluss eines Projektjahres. Ghada El-Sherbiny hofft, dass diese Reisen bald wieder möglich sind. Und ein Thema, verspricht sie, kommt für das nächste Jahr definitv auf den Lehrplan: Podcasts. Hat doch das „Coronavirus-Update“ mit Christian Drosten bewiesen, dass dies das vielleicht perfekte Format für Wissenschaftsjournalismus ist.