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Gewaltfreie Schule Ägypten
Dialog gegen Gewalt an Schulen

Gewaltfreie Schule
Foto: Islam Safwat © Goethe-Institut

Mithilfe von drei Karten können Schülerinnen und Schüler ihren Gefühlen Ausdruck verleihen: mit der roten Karte bei negativen Gefühlen, mit der grünen bei positiven Gefühlen und mit Gelb, wenn sie ihrer Gefühle unsicher sind. Wichtig ist, ihnen klarzumachen, dass sie ihre Gefühle jederzeit zum Ausdruck bringen können.

Von Aya Nabil

„Gefühlskarten“ gehören zu den Materialen, die im Trainingsworkshop „Fit for Life – Fit for Differences“ des Goethe-Instituts Kairo vom 14. bis 23. April dieses Jahres vorgestellt wurden. Am Workshop nahmen 21 Psychologinnen und Psychologen, sowie Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter von staatlichen Schulen in Ägypten teil, um neue Methoden im Umgang mit aggressiven oder sozial auffälligen Schülerinnen und Schülern zu erlernen. Im Anschluss sollen diese neuen Erziehungsmethoden durch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in die zahlreichen Governorate Ägyptens gebracht werden.
 
Es war bereits das zweite Jahr infolge, dass das Goethe-Institut in Kooperation mit dem Bremer Institut für Pädagogik und Psychologie (bipp) und dem ägyptischen Erziehungsministerium diesen Workshop als Teil des vom Auswärtigen Amt geförderten Programms „Dialog & Wandel“ in der Region des Nahen Ostens und Nordafrika anbot.
 
In diesem Jahr wurde außerdem ein weiterführendes Master Class-Training für 14 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des letzten Jahrgangs durchgeführt, die bereits selbstständig in über 18 Governoraten über 6.000 Multiplikatorenausbildungen durchgeführt haben. In jenem begleitenden Vertiefungsmodul ging es nun darum, die eigenen bis dahin organisierten Aktivitäten als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren des „Fit for Life“-Programms an den Schulen zu bewerten und die Umsetzung der Fortbildungen in den zahlreichen Governoraten Ägyptens weiterzuentwickeln.
 
Konventionelle Methoden fruchtlos
 
In ihrem Beruf als Referentin für Schulpsychologie im Süd-Sinai hat Sahar Ahmad jahrelang versucht mit Methoden, die sie selbst als „traditionell“ und meist erfolglos beschreibt, gegen negatives und gewalttätiges Verhalten von Schülerinnen und Schülern anzugehen. Nach ihrer Teilnahme am Workshop sei es bergauf gegangen, wie Sahar erzählt: „Ich habe mir konkrete Methoden angeeignet, mit denen ich die Sitzungen mit meinen Schülerinnen und Schülern anders gestalten kann. Außerdem habe ich die Motivation, all das Wissen, was ich gelernt habe, an meine Kolleginnen und Kollegen in der Provinz weiterzugeben, sodass sie es auch anwenden können.“
 
In dem fünftägigen Workshop eignen sich Sahar und die anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Grundlagen von innovativen Unterrichts- und gewaltfreien Erziehungsmethoden basierend auf dem „Fit for Life“-Konzept an. Besonders relevant sind das Erlernen von Kommunikationsmodellen für Kinder und Jugendliche, von neuen Moderationstechniken, konstruktiven Feedback-Fertigkeiten und interkulturellen Kompetenzen. Schülerinnen und Schüler sollen unter anderem die Möglichkeit bekommen, ihre Emotionen in einem geschützten Raum unter gesetzten Strukturen auszudrücken und ihre Meinungen frei auszusprechen. Darüber hinaus werden den angehenden Trainerinnen und Trainern die Grundlagen effizienter Trainingsgestaltung, des effektiven Zeitmanagements und des Setzens fairer Regeln vermittelt.
 
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer diskutierten in den Sitzungen wie verschiedene Probleme und Herausforderungen, zum Beispiel fehlende Selbstbeherrschung, Verhaltensauffälligkeiten und Gewalt, nachhaltig verbessert und verändert werden können.
 
Einer der wichtigsten Ratschläge des Workshop-Leiters Holger Hegekötter ist es, die Gestaltung der „Fit for Life“-Workshops deutlich von der Struktur des gewohnten Schulunterricht abzuheben. Erreicht werden kann dies durch die Anwendung von „Warming-up’s“ und Entspannungsübungen, die Abwandlung der Sitzordnung von engen Reihen zu einem großen Stuhlkreis und die Vermeidung gängiger Strafen beziehungsweise des Wortes „Strafe“ an sich. Dieses sollte zum Beispiel durch das positivere Wort „Konsequenz“ ersetzt werden.
 
„Ich glaube, dass die Trainees an ägyptischen Schulen einen wichtigen Impuls zur Veränderung und Ausweitung der Ausdrucksfreiheit für Schülerinnen und Schülern geben können. Viele von ihnen konnten die im Weg stehenden Barrieren zu ihren Gunsten verschieben“, sagt Holger und fügt hinzu: „Es hat mir sehr geholfen, die vorangegangenen Trainees wiederzutreffen und von ihren Erfahrungen zu hören, denn auf diese Weise lerne ich die ägyptische Gesellschaft besser kennen. So kann ich auf die Herausforderungen, mit denen Teilnehmerinnen und Teilnehmer konfrontiert werden, adäquat eingehen und das Programm mit jedem Durchlauf weiterentwickeln.“
 
Ein herausforderndes, aber veränderbares Umfeld
 
Die Sozialarbeiterin Magda Eid setzte das Programm „Fit for Life“ letztes Jahr an ihrem Wirkungsort, einer staatlichen Mädchenschule in der Provinz Gizeh, um und nahm dieses Jahr am weiterführenden Training teil. Wie die anderen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sowie Psychologinnen und Psychologen ihrer Gruppe berichtete sie am letzten Tag der Fortbildung von der praktischen Durchführung ihrer Trainings,und ließ diese von Holger Hegekötter kommentieren und bewerten.
 
In der Vergangenheit hatte Magda mit Reden und Appellen versucht, ihre Schülerinnen von unangemessenem oder gewalttätigem Verhalten abzubringen. Dies war meist ineffektiv und ihre Schülerinnen „langweilten“ sich nur, wie sie sagt. Das änderte sich nach der Implementierung der „Fit for Life“-Methoden. „Die Schülerinnen sind nicht mehr länger genervt, wenn ich mit ihnen spreche. Ich befasse mich persönlich und ernsthaft mit jeder einzelnen Schülerin und belasse es nicht bei Theorie und Worten“.
 
Sie fügt hinzu: „Am Anfang traf das Programm auf Unverständnis, weil die Schulverantwortlichen das Ziel des Programms oder den Vorteil seiner Umsetzung nicht ganz verstanden haben. Mit der Zeit jedoch fand ich Wege, die Methodik zu integrieren und konnte letzten Endes die Schulleitung davon überzeugen, dass dies im Interesse der Schülerinnen lag und keine Zeitverschwendung war“.
 
Auch sei Magda in den Sitzungen auf persönliche Probleme der Schülerinnen aufmerksam geworden, von denen sie vorher nichts geahnt hatte. Noch wichtiger war jedoch, dass sie nun auch positive Lösungsvorschläge bereithielt, um den Mädchen zu helfen.
 
Fair über Gefühle und Gedanken sprechen
 
Einer der positiven Aspekte bei der Umsetzung des Programms ist die leichte Umsetzbarkeit. In den Workshops wird nicht mehr als Papier, Stifte und Farben benötigt, was die Implementierung der „Fit for Life“-Methoden so unkompliziert gestaltet. Trotz der schwierigen Ausgangssituation von zu großen Klassen und geringem Budget an Schulen, kreiert das Programm also Möglichkeiten, innovativ und kreativ zu wirken.
 
Hanan Ibrahim, Psychologin und Sozialpädagogin in der Zentralverwaltung des ägyptischen Erziehungsministeriums, zeigt sich erfreut über die wachsende Anzahl an Absolventinnen und Absolventen des Trainingsprogramms. So können mehr und mehr Schülerinnen und Schüler an ägyptischen Schulen erreicht werden. Außerdem sind die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Lage, ihr erworbenes Wissen an Kolleginnen und Kollegen provinzübergreifend weiterzugeben, sodass Gewalt an Schulen Schritt für Schritt in ganz Ägypten verhindert werden kann.
 
Marie Sacher, Koordinatorin des Projekts, berichtet, dass man den Kampf gegen Gewalt an Schulen in Zukunft durch Trainingsangebote für Lehrerinnen und Lehrer sowie Schulleiterinnen und Schulleiter und anderen relevanten Akteuren erzielen möchte. Auch wird derzeit ein neues Fortbildungsangebot in Zusammenarbeit mit dem ägyptischen Erziehungsministerium für Sportlehrerinnen und Sportlehrern erstellt, mit dem Ziel der Gewaltprävention durch Schulsport.

Sie sagt abschließend: „Unser Fortbildungsangebot soll Schulen zu einem angenehmen und geschützten Ort für Schülerinnen und Schüler werden lassen, in dem die Kinder und Jugendlichen Respekt erfahren, sich öffnen und auf gesundem Wege über ihre Gefühle und Gedanken sprechen können. Für Gewalt sollte es keinen Raum mehr geben.“
 

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